Blauer Engel stellt neue Anforderungen an Holzfußböden
Ab 2017 wird geschnüffelt
Die RAL-UZ 176 ist eine neue Vergabegrundlage für den Blauen Engel. Seit 2013 ersetzt sie die vormalige RAL-38. Die gibt es zwar immer noch, sie bezieht sich allerdings nur noch auf Möbel. Für Fußböden sowie Paneele und Innentüren - sofern sie zu mindestens 60 % aus Holz und Holzwerkstoffen bestehen - gilt die RAL-UZ 176. Mehrschichtparkett, Furnierboden, fertig lackierte Holzböden, Kork, Linoleum, Laminat und andere Werkstoffe auf Holzwerkstoffträger sind inbegriffen. Reine Kunststoff-, Kautschuk-, Lino- und Korkbeläge fallen dagegen in den Geltungsbereich der RAL-UZ 120 "Elastische Fußbodenbeläge".
Wer für einen Holzfußboden den Blauen Engel erwerben möchte, muss als erstes die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) vorlegen. Dann ist der Beweis legaler Holzherkunft anzutreten. Bisher reichte eine einfache Erklärung des Antragstellers. Jetzt muss der Hersteller von Bodenbelägen die Einhaltung seiner Sorgfaltspflicht bestätigen und mit Dokumenten die Rückverfolgbarkeit seiner Holzprodukte bis zum europäischen Erstinverkehrbringer sicherstellen. Das ist eine Folge der europäischen Holzhandelsverordnung und der EU-Verordnung 995/2010.
Legales Holz allein reicht für den Blauen Engel nicht aus, auch nachhaltig bewirtschaftet muss es sein. Also hat der Antragsteller zu beweisen, dass mindestens 50 % der Rohstoffe seines Produktes aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. Dazu kann er eigene FSC- oder PEFC-Zertifikate vorweisen oder Zertifikate seiner Zulieferer zusammen mit einer Bilanz des Anteils zertifizierten Holzes ins Feld führen. Stehen solche Zertifikate nicht zur Verfügung, dürfen durchaus andere Nachweise geführt werden. Nur muss die Jury Umweltzeichen diese auch akzeptieren.
Formaldehyd, das alte Ärgernis in der Holzwerkstoffverarbeitung, bleibt im Grenzwert unverändert. Die Emissionswerte einer Rohplatte dürfen im Prüfraum 0,1 ppm nicht überschreiten. Fertige Bodenbeläge aus Holz sind in der Prüfkammer spätestens am 28. Tag auf einen Emissionswert von 0,05 ppm beschränkt. Zudem spielt die Oberflächenbeschichtung eine Rolle. Nicht nur Grundierungen, Lacke, Beizen und Öle sind im Fokus, neuerdings dürfen auch Klebstoffe, Folien und Dekorpapiere weder krebserregend, erbgutverändernd noch sonst besorgniserregend sein. Neu bewertet wurden auch die Emissionen organischer Verbindungen (VOC). Und schließlich muss der Ammoniakgehalt gemessen werden, wenn das Holz damit behandelt wurde.
Riechen will gelernt sein
Das alles hat bis Ende 2016 Bestand. Dann endet die Laufzeit der aktuellen RAL-UZ 176. Schon jetzt wird damit gerechnet, dass dann eine weitere Anforderung kommt: Die Geruchsbestimmung. Im AgBB-Schema ist sie schon vorgesehen, nur gab es bisher keine anerkannte Prüfmethode. Seit 2012 testet die Rheinisch- Westfälische Technische Hochschule Aachen ein Verfahren zur Bewertung von Geruchsemissionen aus Bauprodukten in einem Ringversuch. Und siehe da, es funktioniert. Sagt jedenfalls das Institut für Holztechnologie Dresden. Das IHD hat bereits einen Prüfraum eingerichtet und unter den eigenen Mitarbeitern diejenigen mit geeigneten Nasen ausgewählt.
Das scheint eine komplizierte Sache zu sein, denn weder zu gut noch zu schlecht dürfen die Geruchstester riechen können. Ein Mittelmaß sollen sie darstellen. Und damit bei der sensorischen Prüfung auch ein vergleichbarer Mittelwert herauskommt, sind 8 bis 15 Riechexperten für eine Probe im Einsatz. Kein billiges Vergnügen also. Zumal die Geruchstester ihren Geruchssinn vorher trainieren müssen. Ihnen geht es nämlich nicht darum, ob etwas angenehm riecht. Sie sind einzig aufgerufen, einen Vergleichsmaßstab zu sechs verschiedenen Aceton-Konzentrationen herzustellen. Dazu haben sie zwei Geräte. An einem prüfen sie per Nase die in einem luftdichten Behälter angelieferte Geruchsprobe. Gleich nebenan steht die Apparatur mit Aceton. Ein Schalter erlaubt den Ausstoß verschiedener Aceton-Mengen. Welche Intensität davon nun der gelieferten Geruchsprobe entspricht, das hat jeder der Geruchstester individuell zu entscheiden. So kommt es bei acht Prüfern zu einem Mittelwert der so genannten "Geruchsintensität" auf einer Skala von 0-15 pi. Überschreitet dieser Wert die Standardabweichung von 3 pi, müssen mehr Prüfer eingesetzt werden. Das macht die Sache noch teurer.
Wer meint, das würde nun reichen, ist im Irrtum. Ein weiteres Kriterium ist die "Geruchsakzeptanz". Hier kommt eine Gruppe von 15 untrainierten Riechern zum Einsatz. Sie bewerten die Geruchsprobe nach ihrem Empfinden von "klar akzeptabel" bis "klar unakzeptabel". Als Resultat gilt der Mittelwert aller Probanden. Der ist auch entscheidend, wenn das Belästigungspotenzial auf der Agenda steht. Auf einer 9-Punkte-Skala von "äußerst unangenehm" bis "äußerst angenehm" dürfen hierbei die Meinungen auseinander gehen.
Worauf soll sich die Fußbodenindustrie nun einstellen? Macht es Sinn, einen Fliederduft in den Mattlack zu mischen? Wahrscheinlich nicht, denn es geht um den Nachweis der Geruchsarmut. Je weniger gerochen wird, desto besser. Das IHD jedenfalls empfiehlt, schon heute den Geruchstest in die Bewertung eines neuen Produktes aufzunehmen. Eines sei dabei sicher: Naturgeölte Oberflächen werden es nicht leicht haben.
aus
Parkett Magazin 01/14
(Bodenbeläge)