Kleiner Fehler – Großer Schaden
Fehlende Beheizung – Risse im Calciumsulfatestrich durch falsche Trocknung
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um Risse in einem Calciumsulfatestrich, die durch erschwerte Trockungsbedingungen entstanden sind.Etwa drei Wochen vor Weihnachten baute ein Estrichleger in einem Einfamilienhaus einen 60 mm dicken Calciumsulfatfließestrich ein. Zuvor hatte der Heizungsbauer eine Dämmschicht und die in Systemplatten eingelegten Heizrohre (Bauart B nach DIN 18560 T2) verlegt. Heizungsbauer, Bauherr und Estrichleger waren sich darüber einig, in allen Türdurchgangsbereichen ein 10 mm dickes Bewegungsfugenprofil (Kunststoff mit Polyethylenschaumkern) anzuordnen. Zusätzlich erhielt der Durchgangsbereich zwischen Wohn- und Esszimmer aufgrund der großen Einzelfläche ebenfalls ein Bewegungsfugenprofil.
Nachdem der Estrich in dem geschlossenen Bauvorhaben eingebaut worden war, erfolgte bis Ende Februar kein weiterer Innenausbau, da der Bauherr im Urlaub war. In dieser Zeit war das Heizungssystem nicht in Betrieb, da der Gasanschluss für die Fußbodenheizung noch nicht fertiggestellt war.
Mit Beginn der Innenausbauarbeiten im März erfolgte rund acht Tage lang das Belegreifheizen mit einer Vorlauftemperatur von bis zu 48 C. Anschließend wurde wie vorgeschrieben wieder abgeheizt. Das in der Schnittstellenkoordination vorgegebene Funktionsheizen erfolgte allerdings nicht.
Relativ kurzfristig nach Beendigung der Auf- und Abheizphase stellte der Bauherr erste Risse in der Estrichkonstruktion fest - insbesondere im Bereich "vorspringender" Ecken. Der Estrichleger führte daraufhin ein kraftschlüssiges Schließen dieser Risse einschließlich einer Querverdübelung aus. Es folgte ein nochmaliges kurzes Aufheizen der Fußbodenheizung über ein Zeitintervall von drei Tagen bei maximaler Heiztemperatur.
In der Folge traten weitere Risse auf: Zum einen verlängerten sich Risse, die über kurze Strecken bereits saniert worden waren. Zum anderen kam es an vorspringenden Ecken zu neuen Rissen, die eine gutachterliche Überprüfung erforderten.
Schaden - Deutliche Risse im EstrichDer Sachverständige bestätigte die beschriebenen Risse im Estrich. Schwerpunktmäßig an vorspringenden Raumecken, aber auch in der Mitte eines 20 m
2 großen Raumes lagen feine, etwa 0,2 bis maximal 1 mm breite Risse vor. Sie waren überwiegend nach dem ersten Aufheizen entstanden und später kraftschlüssig geschlossen worden.
Genauere Überprüfungen des Estrichs ergaben funktionstüchtige Randfugen, die mit einem 8 mm dicken Polyethylenstreifen hergestellt worden waren. Der Estrich wies vor den Randstreifen überwiegend 1 bis 2 mm breite Fugen auf. Auch die Bewegungsfugen lagen mit einem entsprechenden Profil bis zur Dämmschicht-Oberfläche funktionstüchtig vor. Es war auffällig, dass rechts und links der Profile ein 1 bis 2 mm breiter Freiraum entstanden war - ein Hinweis auf das Nachschwinden des Estrichs.
Die Öffnung des Estrichs in den Eck- und Randbereichen ergab, dass der mit einer Dicke von 8 mm eingebaute Polyethylenrandstreifen deutlich zusammengepresst worden war. Der Randstreifen war unterhalb der Oberkante des Estrichs überwiegend nur 4 bis 6 mm dick, an den vorspringenden Ecken lediglich noch 2 mm. Der Estrich hatte den Randstreifen eindeutig zusammengedrückt.
Die Überdeckungshöhen der Heizrohre mit Calciumsulfatestrich, im Mittel 50 cm hoch, waren nicht zu beanstanden.Durchgeführte CM-Feuchtigkeitsmessungen und Darr-Prüfungen bestätigten zum Zeitpunkt der gutachterlichen Überprüfungen, die etwa sechs Wochen nach dem ersten Aufheizen stattfanden, dass der Calciumsulfatfließestrich bei Restfeuchtigkeitsgehalten von < 0,2 CM-% ausreichend trocken war.
Der Sachverständige entnahm Proben des Estrichs über den Gesamtquerschnitt und ließ ein externes Prüfinstitut die Bestimmung des Hydratationsgrades über den Glühverlust durchführen. Das Ergebnis lautete, dass die Estrichproben einen Hydratationsgrad zwischen 46 und 47 % aufwiesen, der deutlich über dem üblichen Hydratationsgrad dieser Fließestrichqualität von im Mittel 35 % lag.
Ursache - Fehlende GebäudebeheizungNach Einschätzung des Sachverständigen kam es beim Abbinden des Estrichs zunächst zu einer Volumenvergrößerung durch Quellen. Anschließend sorgte die Nachhydratation zu einer Volumenverringerung und einem deutlichen Schwinden des Estrichs. Die Folge waren die festgestellten Risse. Als Hauptursache schätzte der Sachverständige die Beeinträchtigung des Aushärtungsvorgangs des Estrichs aufgrund ungünstiger bauklimatischer Bedingungen ein. Die kalten, feuchten und nassen Außentemperaturen ohne Beheizung des Gebäudes sorgten für eine Beeinträchtigung der Erhärtungsgeschwindigkeit.
Durch die Hydratation kam es zunächst mit Volumenvergrößerungen zu Zwängungen und Einspannungen, d. h. zu einem harten Anstehen des Estrichs insbesondere im Bereich vorspringender Ecken, was eindeutig durch die "zerquetschten" Randstreifen nachvollzogen werden konnte. In der zweiten Phase stellten sich günstige bauklimatische Bedingungen nach dem Beheizen des Estrichs ein. Über eine Nachhydratation kam es wieder zu Volumenverringerungen und daraus resultierend zu Rissen im Estrich.
Da in dem Objekt kein Architekt beteiligt war, hätte der Estrichleger dem Bauherrn Hinweise für ein ordnungsgemäßes Auf- und Abheizen des Estrichs zur Verfügung stellen müssen - besonders hinsichtlich günstiger bauklimatischer Bedingungen in der kalten Jahreszeit, wie dies in einer Vielzahl von Merkblättern beschrieben ist. Darüber hinaus wurde in dem Bauvorhaben kein Funktions- und auch kein ordnungsgemäßes Belegreifheizen durchgeführt. Beides muss grundsätzlich bis zum Erreichen der Belegreiffeuchte durchgeführt werden - insbesondere dann, wenn im Bauvorhaben ungünstige Austrocknungsbedingungen vorliegen.
Nach den Datenblättern des Fließestrich-Lieferanten hätten zudem die Randfugen in einer Breite von 10 mm ausgebildet werden müssen. Nachdem der Heizungsbauer die 8 mm dicken Randstreifen falsch anbrachte, hätte der Estrichleger dies vor Ausführung seiner eigenen Leistung bemängeln müssen.
Verantwortlichkeit - Diverse VersäumnisseDa im Bauvorhaben kein Architekt beteiligt war, hätte der Heizungsbauer gemeinsam mit dem Bauherren die Auf- und Abheizmaßnahmen (Funktions- und Belegreifheizen) durchführen müssen. Der Estrichleger hat es versäumt, auf die ordnungsgemäßen Trocknungsbedingungen und ausreichend breite Randstreifen aufmerksam zu machen. Grundsätzlich gilt auch: Wer als Bauherr aus Kostengründen auf einen Architekten oder Bauleiter verzichtet, muss Kenntnisse haben oder sich aneignen, wie ein günstiges Austrocknungsverhalten eines frisch eingebauten Mörtelsystems gewährleistet werden kann.
Der Autor
Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.
Professor-Lübeck-Straße 8
36088 Hünfeld
Tel.: 06652/2309
Fax: 06652/748778
Internet: www.gutachter-becker.de
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FussbodenTechnik 02/14
(Handwerk)