Neuromarketing

Verkaufen ohne Rabattschilder


Wie sieht das perfekte Matratzengeschäft aus und nach welchen Kriterien läuft die Kaufentscheidung im Kopf des Kunden? Ein Interview mit Dr. Kai-Markus Müller zum Thema Neuromarketing.


Haustex: Herr Müller, der Matratzenverband stellt aktuell auf der Kölner Möbelmesse das Thema Neuromarketing in den Mittelpunkt. Was ist darunter zu verstehen?

Müller: Neuromarketing ist die Anwendung moderner Methoden und Technologien der Hirnforschung, um zu verstehen, wie Marken, Produkte, Werbung und Preise auf Konsumenten wirken. Hirnscans ermöglichen ein tiefgreifendes Kundenverständnis und können Verhalten von Konsumenten erwiesenermaßen besser vorhersagen als der Konsument selbst.

Haustex: Geht es dabei also um Manipulation des Kunden?

Müller: Lassen Sie uns das Wort Manipulation einmal aufschlüsseln: Manipulation ist ein undurchschaubares Vorgehen, mit dem einer einen anderen gegen seinen Willen zu einem Verhalten bringt und sich dadurch einen Vorteil verschafft. Glücklicherweise existiert bislang keine Methode, die in der Lage ist, jemanden dazu zu bringen, dass er etwas kauft. Außerdem ist es doch viel besser, wenn der Kunde aus freien Stücken kauft und das auf Dauer. Genau darum geht es beim Neuromarketing: den Kunden besser zu verstehen. Das hat Vorteile für Händler und Kunden.

Haustex: Gibt es im menschlichen Gehirn ein Zentrum, in dem die Kaufentscheidung für eine neue Matratze stattfindet?

Müller: Das menschliche Gehirn ist so komplex, dass viele Schnittstellen beziehungsweise Strukturen an einer Entscheidung beteiligt sind. Beispielsweise spielen die frontalen Hirnlappen eine bedeutende Rolle bei Entscheidungen. Neurowissenschaftliche Methoden sind in der Lage, die beteiligten Hirnstrukturen in Form von so genannten Hirnsignalen zu erfassen. Wenn wir mehrere Matratzen mittels Hirnscans analysieren, können wir anhand dieser Hirnsignale feststellen, welche Matratze sich am besten verkauft.


Haustex: Was fällt Ihnen ein, wenn Sie die Behauptung hören: "Matratzen sind doch alle gleich"?

Müller: Das hängt davon ab, in welcher Situation ich mich befinde beziehungsweise wie mein körperlicher Zustand gerade ist. Wenn ich todmüde bin, brauche ich einfach irgendeine Matratze. Dann sind alle gleich. Wenn ich mir aber vornehme, eine Matratze zu kaufen, kaufe ich nicht nur das physische Produkt, vielmehr kaufe ich das Feeling, die Marke, die Geschichte und die Argumente, mit denen der Verkäufer mich überzeugt. Es gibt also durchaus einen emotionalen Unterschied zwischen Matratzen.

Haustex: Wie sieht für Sie das perfekte Matratzen-Geschäft aus?

Müller: Da ich Empiriker bin, sieht die Raumgestaltung für mich so aus wie die neurowissenschaftliche Datenanalyse ergeben hat. Im Hinblick auf das Pricing präsentiert das perfekte Matratzengeschäft seine Produkte auf Basis verhaltensökonomischer Erkenntnisse. Ein Beispiel wäre, dass die Matratze, die am Ende des Tages verkauft werden soll, zwischen einer sehr teuren und einer sehr günstigen präsentiert wird. Rabattschilder kommen in meiner Vorstellung nicht vor.

Haustex: Welchen Beitrag kann das Neuromarketing leisten, um Matratzen mit anderen Argumenten zu verkaufen als Rabatten?

Müller: Mit Rabatten lockt der Matratzenhersteller Kunden an, die lediglich auf den Preis fixiert sind - die Schnäppchenjäger. Solche Kunden will der Matratzenhersteller nicht haben. Er fährt besser, wenn er am Gehirn ermittelt, was seine Kunden bereit sind, für die Matratze zu zahlen und den richtigen Preis setzt. Ein alternatives Verkaufsargument zu Pricing ist die neurowissenschaftliche Untermauerung der Qualität einer Matratze. Beispielsweise kann mithilfe von Hirnscans ermittelt werden, wie komfortabel oder entspannend eine Matratze ist und wie es sich auf der Matratze schläft.
aus Haustex 01/14 (Handel)