Neue EU-Bauprodukteverordnung in der praktischen Umsetzung

Mit den Eigenmarken kommen die Pflichten

Seit Juni 2013 ist die neue EU-Bauprodukteverordnung in Kraft. Durch sie gelten Großhändler, die Produkte unter Eigenmarke verkaufen, als Hersteller und müssen eine Vielzahl von neuen Pflichten erfüllen. Dr. Ernst Schröder, Leiter des TFI in Aachen, berichtet von den Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung, mit denen die Grossisten unserer Branche konfrontiert sind.

Um Produktkompetenz zu zeigen und sich im Markt abzuheben, setzt der Großhandel auf Eigenmarken und -kollektionen. Das ist ein lukratives Geschäft. Mit der neuen EU-Bauprodukteverordnung (BauPVO), die seit dem 1. Juli 2013 in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten Gesetzeskraft erlangt hat, gelten Grossisten, die Kollektionen unter eigenem Namen verkaufen, selbst als Hersteller (siehe auch BTH 7/8 2012). Damit haben die Großhändler die gleichen gesetzlichen Pflichten beim Verkauf von Bauprodukten, die bislang nur für den tatsächlichen Hersteller galten. Das sind nicht wenige und ihnen nachzukommen ist mit allerlei Fallstricken verbunden, wie Dr. Ernst Schröder, Leiter des TFI (Institut für Bodensysteme an der Universität Aachen), berichtet.

Die neue BauPVO gilt für alle Produkte, für die es harmonisierte, europäische Normen gibt. In unserer Branche sind das unter anderem textile und elastische Bodenbeläge, Parkett und Laminatböden, aber auch Tapeten. Wer diese unter Eigenmarke vertreibt, ist von der Neuregelung betroffen.

Die harmonisierten Normen regeln, welche Anforderungen die Produkte aus Sicherheitsgründen erfüllen müssen bzw. zu welchen sicherheitsrelevanten Eigenschaften der Hersteller eine Aussage machen muss. Sicherheitsrelevant sind die Aspekte Brandverhalten, Emissionen/Schadstoffe (neu), Schall, Wärme, Elektrostatik, Rutschhemmung sowie Nachhaltigkeit (neu). Auch bisher musste der Händler eine Reihe von Anforderungen erfüllen, wenn er Produkte auf dem Markt bereitstellte (siehe mittleren Kasten). Seit Juli 2013 gelten für ihn bei Eigenmarken zusätzliche Pflichten als Hersteller (siehe unteren Kasten).

Die technische Dokumentation soll alle wichtigen Elemente im Zusammenhang mit dem vorgeschriebenen System zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit beschreiben. Eine allgemein verbindliche Form, wie diese auszusehen hat, sei derzeit nicht bekannt, berichtet Schröder. Bis es hier verlässliche Informationen gibt, empfiehlt er denjenigen Großhändlern, die über ein ISO 9001-System verfügen, bei der Erstellung der Dokumentation darauf zurückzugreifen.

In diesem Zusammenhang besonders wichtig sind Installations- und Pflegeanleitungen bzw. -empfehlungen. Ob ein Bodenbelag schwimmend auf Unterlage verlegt oder vollflächig verklebt wird, hat Auswirkungen auf die Brandklasse. Der Verarbeiter muss also genau informiert werden, wie installiert werden muss, um die angegebene Brandklasse zu gewährleisten. Ähnliches gilt für Reinigung und Pflege. Wird beides falsch durchgeführt, kann die deklarierte Rutschhemmung nicht garantiert werden.

Es reicht nicht, auf die Leistungserklärung des Herstellers zu verweisen

Eine weitere praktische Hürde für den "Händler als Hersteller": Bei der Erstellung der Leistungserklärung zu den sieben oben genannten sicherheitsrelevanten Bereichen kann er nicht auf die vorhandene Leistungserklärung des tatsächlichen Herstellers verweisen.

Bisher bietet die Industrie dem Händler die Leistungserklärungen als Download im Internet an. Seit Ende Februar 2014 ist dies auch über die Delegierte Verordnung 157/2014 der EU geregelt und damit erlaubt. Allerdings muss hierbei sichergestellt sein, dass ein Zugriff zehn Jahre lang möglich ist, und zwar auf die Version, die zum Zeitpunkt der Lieferung einer speziellen Charge Gültigkeit hatte. Zudem muss gewährleistet sein, dass jedes einzelne Produkt oder jede Charge desselben Produkts durch den eindeutigen Kenncode des Produkttyps mit einer bestimmten Leistungserklärung verknüpft ist.

Hinzukommt für die Eigenmarke des Großhändlers, dass auch die Anforderungen an die CE-Kennzeichnung, mit der jedes Produkt in der EU ausgestattet sein muss, für die neue BauPVO überarbeitet wurden. Kannte man bisher nur ein Kurzlabel, ist nun eine ausführlichere Version gefordert. Für Großhändler besteht die Pflicht, für Produkte unter Eigenmarke eine eigene CE-Kennzeichnung zu erstellen, da sie auch eine eigene Leistungserklärung erstellen müssen. Und die Nummer der Leistungserklärung ist Bestandteil der neuen CE-Kennzeichnung.

Während der bloße Händler also vor allem darauf zu achten hat, dass die notwendigen Dokumente vorhanden und die Produkte richtig gekennzeichnet sind, muss er in Herstellerfunktion diese selbst erstellen und für die ordnungsgemäße Produktkennzeichnung sorgen.

Der Weg des Produktes soll nachvollzogen werden

Dass Chargennachweise über alle Einkäufe und Verkäufe für einen Zeitraum von zehn Jahren erforderlich sind, hat vor allem mit dem Ziel der EU zu tun, Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung in Innenräumen sicherer zu machen. Sollte es notwendig werden, ein Bauprodukt aus Sicherheitsgründen vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen, sind die Behörden dadurch in der Lage, den Weg der Güter lückenlos zurückzuverfolgen und alle beteiligten Wirtschaftsakteure zu identifizieren.

Verkauft der Großhändler Produkte unter Eigenmarke an gewerbliche Kunden wie Maler und Bodenleger, hat er die volle Produktverantwortung und muss der oben beschriebenen Dokumentationspflicht vollumfänglich nachkommen. Davon ausgenommen sind Abgaben an den Endkonsumenten.

Um die Einhaltung der neuen BauPVO zukünftig noch besser zu gewährleisten, arbeitet das Europäische Parlament zurzeit an einer weiteren Marktüberwachungsverordnung. Diese gibt einen Hinweis darauf, wann die Behörden ein Produkt als unsicher einstufen und gegebenenfalls vom Markt nehmen oder zurückrufen müssen.

Das geschieht beispielsweise wenn die CE-Kennzeichnung nicht oder nicht ordnungsgemäß angebracht ist, die Leistungserklärung nicht oder nicht korrekt erstellt wurde oder die vorgeschriebene Installationsanleitung unvollständig ist oder fehlt. Hierbei ist es für die Überwachungsbehörden nicht von Belang, ob das Produkt tatsächlich ein Risiko darstellt, sagt Schröder.

Auch für Handwerker besteht Dokumentationspflicht

Dass die Regelungen der neuen BauPVO eingehalten werden, überwacht jedes EU-Land in Eigenregie. In Deutschland regelt dies das Gesetz zur Anpassung des Bauproduktegesetzes. Die Überwachung koordiniert das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt). Faktisch seien es momentan vor allem Anwälte und Wettbewerber, die nach Unternehmen suchen, die noch nicht alle Pflichten der neuen BauPVO erfüllen, so Schröder.

Mit solchen Fällen habe das TFI seit Inkrafttreten der BauPVO häufig zu tun. Das führe in konkreten Fällen auch dazu, dass beispielsweise in Objekten installierte Bodenbeläge, die den Anforderungen nicht entsprechen, wieder herausgerissen und mit gesetzeskonform deklarierten Produkten ersetzt werden müssen. In solchen Fällen kommt zuerst der Handwerker in Schwierigkeiten, weil auch für ihn die Dokumentationspflicht gilt.

Dass der Verarbeiter dann die Beweiskette antreten muss, ist vielen Handwerkern gar nicht bewusst. Hier müssen Industrie, Großhandel und Verbände mehr Aufklärungsarbeit leisten in Form von Aus- und Weiterbildung.

Diese Produkte aus unserer Branche sind von der neuen BauPVO betroffen
-Dekorative Wand- und Deckenbekleidungen (EN 15102)
-Elastische, textile und Laminat-Bodenbeläge (EN 14041)
-Parkett und Holzfußböden (EN 14342)
-Sportböden - Mehrzweck-Sporthallenböden (EN 14904)
-Estrichmörtel und Estrichmassen (EN 13813)

Bisherige Pflichten
-Ü-Zeichen anbringen
-Leistungserklärung (Declaration of Performance) vorhanden und dem Produkt beifügen
-Produktverpackung mit CE-Kennzeichnung versehen (Das gilt für komplette Paletten sowie bei Einzelverkauf für jeden einzelnen Karton sowie Coupon.)
-alle erforderlichen, technischen Unterlagen wie Verlege- und Reinigungs-/Pflegeanleitung sowie Sicherheitsinformationen in entsprechender Sprache beifügen
-Adresse des Herstellers anbringen
-bei CE-Gruppen: Gruppenliste oder Bestätigung der Gruppenzugehörigkeit angeben

Neue, zusätzliche Pflichten
-Erstellung der Leistungserklärung
-Erstellung der CE-Kennzeichnung
-Aufbewahrung aller erforderlichen technischen Dokumente für zehn Jahre ab Inverkehrbringen, beispielsweise Prüf- und Klassifizierungsberichte, Leistungserklärung, Verlege- und Reinigungs-/Pflegeanleitung
-Erstellung einer technischen Dokumentation
aus BTH Heimtex 04/14 (Handel)