Boom bei Hotels
Neue Chancen, geänderte Anforderungen
Der Hotelmarkt in Deutschland boomt. Mit mehr als 410 Mio. Übernachtungsgästen wurde im vergangenen Jahr ein neuer Rekord verbucht. Die steigende Nachfrage löst nicht nur umfangreiche Renovierungen und Erweiterungsbauten aus, sondern auch zahlreiche Neubauprojekte. So sind für die kommenden drei Jahre 436 neue Hotels geplant. Eine große Chance auch für die Heimtextilbranche - wenn sie die richtigen Produkte für die aktuellen Einrichtungstrends und veränderten Ansprüche der Gäste im Sortiment hat.Die Entwicklung des deutschen Hotelmarkts sendet positive Signale an die Branche aus. Wie dem Report "Hotelmarkt Deutschland 2014" des Hotelverbands (IHA) zu entnehmen ist, wurden Ende 2013 im Rahmen eines Drei-Jahres-Forecast bundesweit 436 neue Hotels geplant. Das projektierte Investitionsvolumen liegt bei rund 8,42 Mrd. EUR. Hinzu kommen zahlreiche Umbauten und Renovierungen. Ein großer Teil dieser finanziellen Aktivitäten fließt in die Kassen der Hersteller von Bodenbelägen, Tapeten, Farben, Stoffen und Sonnenschutz, des Handels, der Handwerker, Raumausstatter und Innenarchitekten. Sie zählen damit zu Profiteuren des weiterhin boomenden Touristenziels Deutschland.
Das Statistische Bundesamt verzeichnete für das vergangene Jahr einen neuen Rekord von rund 410,8 Mio. Übernachtungen in Deutschland, was einem Plus von 1,1 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Zuwachs ist vor allem auf den gestiegenen Anteil ausländischer Gäste zurückzuführen. Nach Prognosen des IHA wird die Zahl der Übernachtungen in diesem Jahr weiter um 1 bis 2 % zulegen. Dies werde der Hotellerie um 1 % höhere nominale Umsätze bescheren. Der Nettoumsatz lag 2013 bei 21,2 Mrd. EUR.
Investitionsplus seit 2010Sollte die vom IHA für die nächsten drei Jahre vorausgesagten 436 Hotels tatsächlich realisiert werden, würde sich die Zahl der Betten um weitere 56.880 erhöhen, nachdem das Angebot im klassischen Beherbergungsgewerbe im vergangenen Jahr um 0,4 % auf rund 1,7 Mio. Betten ausgeweitet wurde. "Wie auch im Vorjahr wird das Hotelangebot weiter steigen, was sich insbesondere zu Lasten nicht mehr zeitgemäßer Betriebe auswirken wird", betonen die Berater von PKF Hotelexperts aus München.
Laut IHA gibt es bereits seit dem Jahr 2010 im Bereich der Investitionsvorhaben (Renovierungen, Neuanschaffungen usw.) ein starkes Wachstum. Im vergangenen Jahr wurden 4.841 Investitionsprojekte gezählt und damit erneut 6 % mehr als im Vorjahr, vornehmlich im Bereich der 3-Sterne-Hotellerie. Nach Ansicht der Experten wird damit dem Wunsch der Gäste nach mehr Qualität Rechnung getragen.
Das Beratungsunternehmen Deloitte & Touche sieht Berlin bei den Übernachtungen als Boomtown. Weitere beliebte Städte sind Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln und München. Kräftige Zuwächse lege auch die Markenhotellerie hin, hier insbesondere der Bereich Low Budget wie die Kette Motel One, die mit hochwertigem Designanspruch und günstigen Übernachtungsangeboten wirbt.
Um die Herausforderungen der Zukunft zu bestehen, hat der Hotelverband Trends ermittelt, aus denen Betreiber und Planer zielgerichtete Maßnahmen ableiten können. Großen Einfluss wird nach dem "Einrichtungsplaner Hotelzimmer" die Globalisierung nehmen, in deren Zuge das Nachfragevolumen im Tourismus weltweit steigt. Bereits jetzt kommt in der deutschen Hotellerie jede fünfte Buchung aus dem Ausland.
Als weiteres wichtiges Thema machte der Verband die digitale Revolution aus. Durch den Einsatz mobiler Medien würden Reisen immer individueller gestaltet.
Ältere Reisende und Frauen sind die neuen ZielgruppenAls eine der wichtigsten Zielgruppen der Zukunft bezeichnet der IHA ältere Reisende. Aufgrund des demografischen Wandels erwartet er bis 2020 rund 3 Mio. mehr Urlaubsreisende, die älter sind als 60 Jahre - insgesamt 15 Mio. Menschen. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung seien Gäste über 55 Jahre kritikfreudiger und stellten aufgrund ihrer Reiseerfahrungen höhere Qualitätsansprüche. Sie legten mehr Wert auf Lebensqualität, Wohlbefinden, Gastfreundschaft, Gemütlichkeit und ein "gesundes Klima" bei entsprechend hohem Komfort. Und weil nicht alle Senioren bis ins hohe Alter körperlich fit bleiben, gewinne das Thema Barrierefreiheit auch im Hotel zunehmend an Bedeutung.
Ihr Augenmerk sollte die Hotellerie nach Einschätzung des IHA in Zukunft stärker auf Frauen legen. Sie eroberten nach und nach die Berufswelt und damit auch Spitzenpositionen. Wenn sie aus Geschäftsgründen reisen, seien sie deutlich anspruchsvoller als Männer. Dabei diene ihnen das Hotelzimmer als temporäres Zuhause.
Aber auch im privaten Bereich übten Frauen großen Einfluss auf die Urlaubsgestaltung und damit die Hotelwahl aus. Nach einer Umfrage des Buchungsportals hotels.com liegt der Anteil der von Frauen vorgenommenen Buchungen bei 72 %. Für weibliche Gäste sind laut IHA die drei Aspekte Sinnlichkeit, Sicherheit und Sozialität im Hotel wichtig. Sie erwarteten vor allem ein geschmackvoll eingerichtetes, angenehm riechendes Zimmer und ein gut ausgestattetes Badezimmer.
Auch wenn die Gesellschaft altert, rät der Hotelverband dem Beherbergungsgewerbe dazu, Kinder nicht zu vernachlässigen. Allerdings nehme der altbewährte Familienurlaub - Eltern plus Kinder - ab. Gängiger werde der Großeltern-Enkel-Urlaub oder der Mehr-Generationen-Urlaub. Das Hotel sollte innenarchitektonisch entsprechend angepasst werden. Als gutes Beispiel dient das Maritim Clubhotel Timmendorfer Strand. Es bietet Zimmer an, die mit Kindermöbeln im Barbie-Design ausgestattet sind. Für Jungen gibt es ein Hot-Wheel-Themenzimmer mit nachgebildeten Rennwagen-Betten. "Kinder sind die Konsumenten von morgen", betont der Hotelverband.
Eine zunehmend wichtigere Rolle spielen nach den Trendvoraussagen die Themen Gesundheit und Wohlbefinden. Für die Zukunft geht der IHA deshalb von einer weiter steigenden Dynamik im Wellness-Bereich aus, die bis hin zum Aufbau von Health Resorts als medizinische Zentren reicht. Während das Gesundheitsbewusstsein zunimmt, deutet sich nach Erkenntnissen des Hotelverbands neuerdings ein Wertewandel ab. "Ich-bezogene Selbstverwirklichungswerte aus den Wohlstandszeiten der siebziger bis neunziger Jahre werden jetzt wieder mehr mit Wir-bezogenen Sozialwerten verbunden", heißt es im Einrichtungsplaner.
Mit diesem Wertewandel einher gehe der Wunsch nach Nachhaltigkeit. Die Hotellerie komme an der Nachfrage nach ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Produkten und Dienstleistungen nicht mehr vorbei.
Individualität steht im MittelpunktSowohl die Hoteliers als auch die verschiedenen Player der Heimtextilbranche können sich auf Basis dieser Trends den vielfältigen Anforderungen der Zukunft stellen. "Die Herausforderung wird darin bestehen, individuelle Wünsche zu bedienen", schreiben die Experten im Einrichtungsplaner. Standardlösungen werden ihrer Meinung nach nicht mehr funktionieren, um die verschiedenen Bedürfnisse der unterschiedlichen Gästegruppen bedienen zu können. Selbst bei Möbeln "von der Stange" bestehe die Chance, durch unterschiedliche Oberflächen und Accessoires wie Stoffe, Teppiche oder durch Stilmix eine Differenzierung von anderen Häusern zu erzielen.
Dabei sollte nach Ansicht von Stefanie Kerpen, Leitung Heimtextilien Produktmanagement bei Joka, nicht vergessen werden: "Gerade in unserer immer schneller werdenden, zunehmend digitalisierten Welt suchen Reisende im Hotel ein Zuhause auf Zeit, in dem sie entschleunigen, relaxen und wieder auftanken können." Dabei legen die Gäste nach Ansicht von Marco Knoop viel Wert auf die Qualität der Einrichtung - über alle Sterne-Kategorien hinweg: "Der Boden als eines der Einrichtungselemente muss nicht nur gestalterische, sondern auch funktionale Kriterien erfüllen", ist der Marketingleiter bei Project Floors überzeugt.
Comeback für den TeppichbodenKnoop hält Designbodenbeläge, die "außer durch ihr authentisches Design vor allem durch ihre Strapazierfähigkeit sowie die einfache Reinigung und Pflege überzeugen", für den richtigen Bodenbelag. Und in der Tat wächst die Nachfrage nach den umkomplizierten LVT in der Hotellerie. Doch nach Auskunft der IHA-Experten erlebt auch der Teppichboden im Hotel derzeit ein Revival. "In den vergangenen Jahren von anderen Materialien verdrängt, ist er nunmehr wieder en vogue, da Wohnlichkeit und Stofflichkeit vermehrt in den Hotels Einzug halten", heißt es im Einrichtungsplaner. "Teppich hat Charme und bringt sowohl Wärme als auch Atmosphäre."
Moderne, hochwertige und strapazierfähige Teppichfasern sollten in Kombination mit anderen Fußbodenmaterialien eingesetzt werden, um ein individuelles Ambiente zu erzielen. "Dies stellt einen klaren Trend in der Hotellerie dar, sowohl in den Zimmern als auch in der Lobby", heißt es in dem IHA-Werk. Auffallend sei dabei der zunehmende Mut zur Farbe. Insgesamt biete der Teppichboden die Möglichkeit, ein anderes Farb- und Stilkonzept einfach durch das Verlegen eines neuen Teppichs umzusetzen. Dies lasse der Kreativität freien Lauf.
Nach Ansicht von Peter Bellmann haben Teppichböden zudem einen funktionalen Vorteil. Sie schluckten wie kein anderer Bodenbelag den Schall. "Es ist gut, dass es wieder Teppichboden gibt", meint der Einrichtungsexperte, der zusammen mit Robert Mannhardt die Gesellschaft für Objekt- und Individualeinrichungen Bellmann Interior in Hamburg führt. Ein weiterer Vorteil ist nach Ansicht von Yvone Huber die Allergikerfreundlichkeit, die auch allen Qualitäten aus dem eigenen Haus vom TÜV Nord attestiert werde, so die Marketingleiterin von Object Carpet.
Ein Comeback erlebt auch die Tapete. "Wurde früher lediglich auf Wunsch des Bauherrn nach Tapete gesucht, spielt der Wandbelag heute im Hotelinterieur eine größere Rolle", ermittelten die IHA-Experten. Er habe sich von der reinen Wandbekleidung zu vielseitig einsetzbarem Raumschmuck entwickelt. Mit atmosphärischen Mustern, zeitgemäßen Farben und überraschenden Oberflächenstrukturen entstehe ein individuelles Wohnambiente. Als Material setzten sich zunehmend Vliestapeten durch, da sie mit weniger Kleber und deutlich reduziertem Kunststoffanteil an die Wand kämen. Bei späteren Renovierungen ließen sie sich zudem restlos trocken abziehen, was Zeit- und Geldersparnis bringe.
Für individuelles Ambiente sorgen aber auch die zahlreichen Farbtöne der deutschen Farbenhersteller sowie die dekorativen Putze. Angesichts der anhaltenden Wellness-Welle kommen auch zunehmend funktionale Produkte zum Einsatz, die in Feuchträumen die Gefahr des Schimmelbesatzes reduzieren. Bei Dekorationsstoffen liegen nach Erkenntnissen der IHA-Einrichtungsplaner aufregende Muster auf innovativen textilen Oberflächen ebenso im Trend wie natürliche und Behaglichkeit ausstrahlende Stoffe.
Aber nicht nur der Wohlfühl-, auch der Sicherheitsaspekt zählt im Hotel. Der Betreiber sollte sich nach Verbandsangaben darüber Gedanken machen, wie er Rutschgefahren auf Treppen, Terrassen und Rampen reduzieren kann. Die IHA-Experten raten zu speziellen Beschichtungen von rutschigen Böden. Zudem machen sie darauf aufmerksam, dass sich mit hohen Brandschutzklassen der im Hotel verwendeten Produkte die Brandgefahr verringern lässt.
Hotelzimmer der ZukunftEinen Blick in die weitere Zukunft wirft der "Showcase Futurehotel" in Duisburg. Hier präsentiert das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation zusammen mit Partnern aus der Hotellerie Lösungen für ein Hotelzimmer, wie es im Jahr 2020 aussehen könnte. Dieses Zimmer wird weder Winkel noch Ecken haben, alles ist rund. Das soll das Wohlbefinden steigern. Zudem kommen intelligente Raum- und Gebäudesysteme zum Einsatz. Mittels verschiedener Farbe- und Lichtszenarien kann der Gast die Wände und Decken in unterschiedlichen Farben erstrahlen lassen und so eine behagliche Wohlfühlatmosphäre schnell in eine intensive Arbeitsatmosphäre verwandeln.
Doch bevor das Futurehotel Wirklichkeit wird, sollten erst einmal die Trends der nähere Zukunft umgesetzt werden. Wenn sich die Heimtextilbranche daran hält, hat sie gute Chancen, den Anschluss an die von den Gästen geforderte Entwicklung zu schaffen. Dabei gilt für sie das gleiche wie für die Hotellerie: "Positionierung ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg", heißt es im IHA-Einrichtungsplaner. "Sich positionieren heißt, sich seinen Platz im Umfeld der Mitbewerber suchen. Und zwar einen möglichst guten Platz, von dem aus man sich deutlich von den anderen abhebt."
Sechs gesellschaftliche Trends haben Auswirkungen auf die Hotellerie
Quelle: Einrichtungsplaner Hoteltrends, IHA Hotelverband Deutschland
1. Globalisierung: Das Nachfragevolumen im Tourismus wird weltweit steigen; immer mehr Menschen können sich Reisen finanziell erlauben. Bis zum Jahr 2015 rechnet die Deutsche Zentrale für Tourismus mit bis zu 66 Mio. Übernachtungsgästen pro Jahr in deutschen Hotels allein aus dem Ausland. Das eröffnet der Hotellerie neue Wachstumsfelder.
2. Digitale Revolution: Die Digitalisierung der Gesellschaft schreitet voran. Reisen, Hotelbuchungen und Zusatzleistungen werden durch den Einsatz mobiler Medien noch individueller gestaltet. Gleichzeitig wird der Gast immer transparenter, so lassen sich relevante Zielgruppen ansprechen. Das Internet und die mobilen Systeme machen den Gast zwar durchleuchtbar, aber auch zum Kontrolleur.
3. Demografie: Die Gesellschaft altert. Dadurch ändern sich die Ansprüche an das Hotel. Ältere Gäste legen mehr Wert auf Lebensqualität, Wohlbefinden, Gastfreundschaft, Gemütlichkeit und ein gesundes Klima. Und die weibliche Sicht der Dinge wird immer wichtiger. Frauen wollen geschmackvoll eingerichtete Zimmer. Darüber hinaus sollten aber auch die Kinder als Konsumenten der Zukunft nicht vernachlässigt werden.
4. Gesundheit und Wellness: Immer mehr Menschen bestehen auch im Urlaub auf gesunde Lebensweise. Entsprechend ist das Wachstum des Megatrends Wellness ungebrochen. Wellness ist mittlerweile zum Lifestyle geworden, der die Hotellerie weiterhin prägen wird.
5. Wertewandel: Die Spaßkultur weicht einer neuen Ernsthaftigkeit. Ich-bezogene Selbstverwirklichungswerte werden wieder mehr mit Wir-bezogenen Sozialwerten verbunden. Selbsterkenntnis, Stressfreiheit, Entschleunigung und Gesundheit stehen im Mittelpunkt der neuen Lebensweise. Es kommt vermehrt zu einem Hang zur Einfachheit.
6. Nachhaltigkeit: An der Nachfrage nach ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Produkten und Dienstleistungen kommt die Reisebranche nicht mehr vorbei. Nachhaltigkeit wird zu einem der wichtigsten gesellschaftlichen Themen unserer Zeit.
aus
BTH Heimtex 06/14
(Handel)