Kleiner Fehler – Großer Schaden

Kein Zebra bestellt – Maschinell aufgebrachte Versiegelung zahlte sich nicht aus

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um die misslungene Versiegelung eines Gussasphaltestrichs.


Ein älteres Industriegebäude sollte in eine repräsentative Ausstellungshalle für eine Fenster- und Türenausstellung umfunktioniert werden. Die Aufgabenstellung für den Verarbeiter bestand darin, auf der Oberfläche der vorhandenen Betonkon- struktion einen neuen schwimmenden flächenbeheizten Gussasphaltestrich auf rund 2.000m2 einzubauen. Die Oberfläche dieses zweilagig hergestellten flächenbeheizten Gussasphaltestrichs Typ AS IC H10 sollte gemäß Leistungsverzeichnis eine "gleichmäßige terrazzoähnliche" Oberfläche aufweisen. Um diese Optik zu erreichen, wurde der Estrich mit Diamantwerkzeugen im Kreuzgang mehrfach geschliffen - so lange bis die Kornmatrix freigelegt war.

Anhand einer Vielzahl von Mustern traf der Bauherr die Entscheidung, die letztendlich dreimal mit abgestuften Werkzeugen geschliffene Estrichoberfläche ohne Porenfüllung transparent mit einer zweikomponentigen wasserverdünnbaren PUR-Versiegelung zwecks besserer Reinigungsfähigkeit zu versiegeln. Der Auftragnehmer für die Schleif- und Versiegelungsarbeiten entschied sich, die Versiegelung im Spritzverfahren / Airless-Verfahren zwecks Beschleunigung der Fertigstellung mit einer Auftragsmenge von etwa 300 g/m2 auszuführen.

Nach Beendigung der Versiegelungsarbeiten stellten die Beauftragten des Bauherrn unterschiedliche Glanzgrade fest. Sie fanden eine "zebraähnliche" Streifenbildung vor und rügten die durchgeführten Arbeiten.

Schaden - Optisch störende Streifigkeit

Zum Zeitpunkt des Gutachtertermins lag die versiegelte Fläche in der noch nicht genutzten Halle gereinigt vor. Große Dachfenster und die Beleuchtung sorgten für Schlaglichteinwirkung. In der Halle zeigten sich vollflächig streifenartige unterschiedliche Glanzgrade in Längsrichtung, die geradlinig oder teils geringfügig wellig verliefen. Insgesamt wies die terrazzoähnlich geschliffene Oberfläche des Gussasphaltestrichs eine auffällige, optisch störende Streifigkeit auf.

Die nähere Betrachtung der Oberfläche ergab gleichmäßig vorliegende streifenförmige Glanzstellen (Abstand rund 30 cm) mit einer dicht geschlossenen Versiegelungsoberfläche. Angrenzend gab es eine relativ offenporige, kaum glänzende Estrichoberfläche mit deutlich erkennbaren Poren und Lunkern.

Eine mikroskopische Überprüfung mittels Leuchtlupe mit einer zehnfachen Vergrößerung ergab, dass die Streifigkeit auf die 5 bis 20 cm breite Überlappung des Versiegelungsmaterials zurückging. Angrenzend im Bereich der etwa 20 cm breiten matten streifenförmigen Flächenbereiche war deutlich weniger Versiegelungsauftrag vorhanden. Es konnte eindeutig festgestellt werden, dass in diesen hochglänzenden streifenartigen Bereichen deutlich mehr Versiegelungsmaterial auf der Oberfläche des Gussasphalts als angrenzend vorlag.

Die mikroskopischen Prüfmaßnahmen zeigten auch, dass dort, wo mit dem wasserverdünnbaren PUR-Versiegelungsmaterial die Poren/Lunker des Gussasphaltestrichs verfüllt waren, weiße Aufhellungen vorlagen. Grund waren Aushärtungs- und Abbindungsstörungen. Auch diese Flächen wurden optisch als störend eingestuft.


Ursache - Ungleichmäßiger Auftrag der Versiegelung

Auf Grundlage der Anforderungen der Leistungsverzeichnisse ist der Sachverständige zu dem Schluss gekommen, dass die Bodenoberfläche nicht den geltenden Normen und Richtlinien und auch nicht den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Die Prüfmaßnahmen ergaben, dass die nicht gewünschte auffällige Streifigkeit des Fußbodens in handwerklichen Fehlleistungen begründet ist. Sie resultierte aus unterschiedlichen Schichtdicken der auf der Oberfläche des terrazzoähnlich geschliffenen Gussasphalts aufgebrachten transparenten Versiegelung. Die Versiegelung hätte eigentlich die Oberfläche vor Staub und Schmutz schützen und die Reinigungsfähigkeit verbessern sollen und nicht negative optische Oberflächenveränderungen hervorrufen.

Die gewählte Applizierungsmethode im Spritzverfahren hat nicht zu der gleichmäßigen deckenden dünnen Versiegelungsschicht geführt, wie sie in dem als Regel des Fachs zu bezeichnenden BEB-Arbeitsblatt KH2 "Industrieböden aus Reaktionsharz-Versiegelung" beschrieben wird. Das bahnenförmige Auftragen hat stattdessen zu einem dickeren Auftrag durch Überlappungen geführt.

Es wäre grundsätzlich erforderlich gewesen, in einem zweiten Arbeitsgang mit einer geeigneten Versiegelungswalze noch vor dem Erhärtungsbeginn die Versiegelung gleichmäßig zu verteilen.

Im Gutachten hat der Sachverständige - auch wenn bauseits nicht beanstandet - darauf hingewiesen, dass mit dem letzten Schliff des Gussasphalts vorausgehend ein Porenschluss empfehlenswert gewesen wäre, um die vielfach in größeren Lunkern auffällig erkennbaren milchig weißen Aufhellungen zu vermeiden.

Verantwortlichkeit - Verarbeiter muss neu versiegeln

Die vertragsgemäß gewünschte optische Beschaffenheit des Fußbodens entspricht nicht den optischen Anforderungen einer repräsentativen Ausstellungshalle. Die Versiegelungsarbeiten entsprechen auch nicht den Regeln des Fachs, da die Versiegelung kein gleichmäßiges Oberflächenerscheinungsbild erzielte, wie es in den BEB-Merkblättern für Beschichtungsarbeiten beschrieben wird. Der Auftragnehmer für die Versiegelungsarbeiten hat wahrscheinlich aus kalkulatorischer Überlegung im Schnelldurchgang die Versiegelung maschinell aufgespritzt, ohne die erforderliche gleichmäßige Verteilung des flüssigen Versiegelungsmaterials zu berücksichtigen. Die diesbezüglich eingesparte Arbeitszeit hat der Verarbeiter durch eine nochmals vollflächige Überarbeitung der Gesamtfläche nunmehr teuer bezahlt: Die Fußbodenfläche musste komplett abgeschliffen und neu versiegelt werden. Neben diesem enormen Arbeitsaufwand kommen auf den Auftragnehmer noch erhebliche Kosten für Reinigungsmaßnahmen der bereits weiß lackierten Wände, Einrichtungsgegenstände und weitere Regalkonstruktionen zu, da selbst beim Schleifen mit Geräten mit Staubabsaugung in gewissem Ausmaße Staubansammlungen nicht zu vermeiden sind. Vor der Neuversiegelung hatte der Bauherr den sinnvollen Porenverschluss bestellt und diese Kosten auch übernommen.


Der Autor


Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.

Professor-Lübeck-Straße 8
36088 Hünfeld
Tel.: 06652/2309
Fax: 06652/748778
Internet: www.gutachter-becker.de
aus FussbodenTechnik 04/14 (Handwerk)