Deutscher Handelskongress in Berlin
Gefragt sind ungewöhnliche Strategien
Neben politischen Rahmenbedingungen und moderster Technik ist eines für die Zukunftschancen im Handel ausschlaggebend: durchdachte und ungewöhnliche Strategien. Besonders für kleinere Unternehmen interessant: das HDE-Forum "Innovativ Handeln!
Vor allem um große Politik und kleine Unternehmer ging es auf dem deutschen Handelskongress, der vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) und dem Management-Forum Bad Homburg organisiert wurde. Über 1.000 Gäste kamen nach Berlin: Einzelhändler, Branchenexperten und die wirtschaftlichen Sprecher der vier Bundestagsfraktionen. Letztere allerdings mit Verspätung; eine kurzfristig eingeschobene aktuelle Stunde des Bundestages rund ums Thema Ausbildungsplatzabgabe hatte sie aufgehalten. Als "kennzeichnend für die ganze Reformdebatte hier zu Lande" befand die Fachzeitschrift "Textilwirtschaft" diese Verspätung.
Dass die Mühlen der Bundesregierung ihm zu langsam mahlen, ließ auch HDE-Präsident Herman Franzen in seiner Auftaktrede anklingen. Seine Wünsche an die Politik:
- Vorziehen der Steuerreform, Umbau des Steuersystems, Abbau von Subventionen,
- Reform des Arbeitsmarktes, insbesondere Lockerung des Kündigungsschutzes,
- gesetzliche Verankerung von Tariföffnungsklauseln, die den Unternehmen größere Flexibilität in der Lohnpolitik geben.
Der BTE-Präsident Klaus Magnus fasste schließlich zusammen: "Die Politik hat so viele Baustellen aufgerissen. Es wird Zeit, endlich mal Richtfest zu feiern."
Metro-Vorstandschef Dr. Hans-Joachim Körber forderte eine einheitliche Vertretung des Einzelhandels bei der Politik: "Die Interessengegensätze im Handel sind letztlich sehr gering", meinte er. Dennoch gab es bisher zahlreiche Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) und dem Verband des innerstädtischen Einzelhandels BAG.
Fünf Erfolgsstrategien für den Handel
So viel zur Politik. Die bestimmt nämlich "bloß" die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Unternehmer agieren können. Und zwar nicht allein durch Kosten- und Prozessoptimierung oder den Einsatz neuster Technik - die ist ohnehin immer erforderlich. Die Zukunfschancen im Einzelhandel hängen vor allem von guten wie ungewöhnlichen Ideen ab. Dieser Meinung ist jedenfalls Adreas Bauer, Partner der Unernehmensberatung Roland Berger (München). Die fünf aus seiner Sicht wichtigsten Erfolgsfaktoren für den Einzelhandel:
1. Erfolgsfaktor Innovation:
Der Überraschungseffekt beim Kunden ist Gold wert. Insbesondere in Japan ist man in dieser Hinsicht besonders einfallsreich. Als Beispiele führte Bauer "Beams" an, einen Anbieter von Bekleidung und Einrichungsprodukten, der speziell junge, modische Leute als Zielgruppe ins Visier genommen hat. Ebenfalls aus Japan kommt die Idee zu "Book Off", einer Second-Hand-Buchladenkette.
2. Erfolgsfaktor Markentransfer:
Den Gedanken, erfolgreiche Marken auch auf branchenfremde Produktbereiche auszudehnen, praktiziert etwa der Modefilialist Zara mit der Eröffnung von Home-Stores.
3. Erfolgsfaktor Kundenbindung:
Die lässt sich u.a. durch Kundenkartenprogramme aufbauen. Paradebeispiel: die britische Supermarktkette Tesco. Rund 10 Mio. Briten besitzen inzwischen eine Tesco-Card und beziehen auch 80% ihrer Lebensmittel dort.
4.Erfolgsfaktor Efficiency:
Dass das Prinzip "Kleine Preise durch geringe Kosten" zum Durchbruch führen kann, demonstrieren die Discounter Aldi und Lidl.
5.Erfolgs faktor Emotion:
Unser Alltag ist schon sachlich genug; wer die Kunden auf der Gefühlsebene anspricht, kommt weiter.
Nischenmärkte und Aufgabenteilung
Und welche Möglichkeiten haben die kleineren Händler? Viele, war das Fazit der Gesprächsrunde für mittelständische Unternehmen. Denn: Auf dem großen Markt gibt es zahlreiche Ecken und Nischen, die gerade kleinere, beweglichere Händler besser versorgen können als die behäbigen Branchenriesen.
Hilfreich kann auch das Prinzip der Aufgabenteilung sein. Der Einkaufsverband Katag, der sich an den unabhängigen Textilfachhandel wendet, bietet Händlern speziell auf ihr Geschäft abgestimmte Kollektionen an, sodass die sich ganz auf den Verkauf konzentrieren können.
Katag-Vorstandssprecher Dr. Daniel Terberger versteht den Einkaufsverband als Dienstleister, der dem selbstständigen Händler "Individualität auf der Fläche" ermöglicht.
Insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen stellt der HDE auch außerhalb des Handelskongresses die Innovationsplattform "Innovativ Handeln!" zur Verfügung. Jedes Jahr sollen dort neue Konzepte vorgestellt werden. Im Internet ist die Plattform unter www.innovativ-handeln.de zugänglich.
aus
BTH Heimtex 07/04
(Handel)