Bagherpur, Aschaffenburg
Aufruf zum Sinneswandel
Mit der Neueröffnung seines Geschäfts setzt Daniel Bagherpur konsequent auf die Präsentation des Teppichs als hochwertiges Trendprodukt und zeigt dabei, dass moderne und klassisch gemusterte Knüpfwerke ein Sortiment ideal ergänzen können. Der Spross einer Händlerfamilie mahnt die durch kurze Moden und schnelle Profite getriebene Branche zu einer Rückbesinnung auf Tradition und Qualität. Neben den Produzenten und dem Großhandel komme dabei auch dem Fachhandel eine besondere Verantwortung zu.
Der Begriff Fachgeschäft ist für Bagherpur Knüpfwerke in Aschaffenburg nur ein technischer Terminus. Denn wer die Räume zwischen Stadtschloss und Park Schöntal ansteuert, betritt wahrlich eine Galerie: Im Eingangsbereich empfängt ein Teppich von Jan Kath den Besucher, und in maßvollen Abständen schmücken weitere moderne Teppiche das freigelegte Mauerwerk aus der Gründerzeit. Die Stapel übersteigen die Kniehöhe nicht: Die Aufmerksamkeit der Kunden wird so bei dem ausgewählten Angebot nicht überfordert, sondern fokussiert. Doch dabei bleibt es nicht: Im Zentrum der rund 200 m
2 Fläche im Erdgeschoss liegt ein farbenfroher Gerus. Blickfang ist jedoch ein prachtvoller Mamluk an der Wand. Und sollten diese beiden Prunkstücke noch nicht genügend Leidenschaft und Fachkompetenz ausstrahlen, so findet sich schräg gegenüber noch eine Nachknüpfung des Pazyryks, dem ältesten bekannten Teppich der Welt. "Nur die Beinkleider der Reiter haben andere Farben als das Original", gibt Inhaber Daniel Bagherpur zu.
Das Geschäft vereinigt zwei Seiten der Teppichwelt, die anderswo strikt voneinander getrennt werden: den modernen und den klassisch gemusterten Knüpfteppich. Es gibt kein Entweder-Oder - die einzigen Kategorien sind Schönheit und Qualität. Ende Juni hat Daniel Bagherpur das Geschäft mit einer stilvollen Feier eröffnet. Zu Gast war unter anderem Jan Kath, dessen Kreationen zu den gefragtesten im Sortiment gehören. Der Umzug in die Räumlichkeiten eines ehemaligen Buchladens wurde punktgenau geplant war mit erheblichen Investitionen in Umbauten verbunden. Einher damit ging die Neugestaltung der gesamten Corporate Identity mit einem hellen Grün als Signalfarbe und modernen Lettern. "Mir war es wichtig, mich auch optisch klar vom teils verstaubten Image des Teppichs abzusetzen", erklärt Daniel Bagherpur, der vor knapp zehn Jahren das 1971 gegründete Geschäft von seinem Vater übernommen hat. Der Filius gesteht, dass er angesichts der heutigen Gesamtsituation der Branche zwischenzeitlich auch mal ans Aufhören gedacht hat. Immerhin: Anleihen an frühere Zeiten nimmt der Ausstellungsraum im Untergeschoss, der für hochwertige antike Teppiche reserviert ist. Hier werden Sammlerstücke gehandelt.
Doch dem Eigentümer ging es bei der Neuausrichtung um weit mehr als nur Äußerlichkeiten. Denn hinter dem ganzen Aufwand steht eine Philosophie, die zu den Wurzeln des Teppichs und dem traditionellen Selbstverständnis der Branche zurückführt. "Produzenten und Händler müssen den Teppich wieder als Kulturgut betrachten und weg von schnellen Moden und kurzfristigem Profitdenken", fordert Bagherpur. "Und das muss selbstverständlich auch eine Würdigung der Personen beinhalten, ohne die die gesamte Wertschöpfungskette nie hätte entstehen können: den Knüpferinnen und Knüpfern. Sie müssen letztlich auch besser bezahlt werden." Dass einige Hersteller mittlerweile in persönlichen Details darüber Auskunft geben, wer den Teppich geknüpft hat, sei ein guter Anfang und komme beim Endkunden sehr gut an. Aber auch dem Handel komme eine Schlüsselrolle zu. "Salopp gesprochen, müssen wir wie Juweliere sein", sagt Bagerpur. "Denn der Teppich ist ein zeitgemäßes und gleichzeitig nachhaltiges Produkt: Er ist eine anspruchsvolle Handwerksform, schafft Arbeitsplätze in ländlichen Regionen und wird aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt." Händler, die den Teppich als austauschbares Konsumgut verramschen und bei Dienstleistungen wie Wäsche und Reparatur Wucherpreise aufrufen, hätten der gesamten Branche schwer geschadet. Sie gelte es zurückzudrängen.
Sinnbildlich für die Agenda von Bagherpur steht ein Teil des Sortiments, der sich ebenfalls erfolgreich verkauft: Miri-Teppiche. Sie entstammen der Produktion der persischen Familie Miri, die sich seit 1988 zur Aufgabe gemacht hat, dem Prozess der schnell wechselnden Vorlieben des Marktes entgegenzuwirken. Miri-Teppiche wollen Traditionen pflegen, uralte Kunsthandwerksformen - wie etwa das Färben nach überlieferten Methoden - wiederbeleben und die Symbolsprache der verschiedenen Provenienzen erhalten. Schon daher sind Miri-Teppiche keine Massenprodukte, sondern bleiben immer limitiert. Wer diese Idee als elitär und die Preise eines solchen Produktes von einigen Tausend Euro als zu hoch empfindet, der solle letztere doch ins Verhältnis zu einem Urlaub setzen, findet Daniel Bagherpur. Der sei nach zwei Wochen vorbei - ein hochwertiger Teppich hingegen halte ein Leben lang. Der größte Teil der Verkäufe entfällt auf Maßanfertigungen. Bei diesen sind die Kunden gerne bereit, mehrere Monate zu warten. "Das ist ein gutes Zeichen", weiß Daniel Bagherpur. "Denn das tut heutzutage nur, wer ein Handwerk zu schätzen weiß."
aus
Carpet Magazin 04/14
(Handel)