Kleiner Fehler – Großer Schaden
Wackelig: Fertigteilestrich nicht vor Feuchtigkeit geschützt
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um eine
instabile Fertigteilestrichkonstruktion.Ein Estrichleger erhielt den Auftrag, in einem Altbau teilweise einen konventionellen Nassestrich und teilweise einen Fertigteilestrich aus zementgebundenen Elementen einzubauen. Die Installation der Fertigteilestrichkonstruktion auf einer dünnen Mineralfaserdämmlage erfolgte im Hochsommer in zwei Räumen und im Flur. Aus nicht bekannten Gründen wurde der schwimmende zementäre Estrich in den angrenzenden Räumen erst Anfang Oktober eingebaut.
Nachdem der Fertigteilestrich verlegt worden war, zeigten sich beim Begehen in den Rand- und Übergangsbereichen zu den anderen Räumen geringfügige Nachgiebigkeiten. Hinzu kamen Schüsselungen, die besonders kurz nach Beendigung der Verlegung des Zementestrichs auftraten.
Die zuständige Bauleitung rügte die Fertigteilestrichkonstruktion, die in keiner Weise durch Folien oder eine Feuchteschutzgrundierung geschützt worden war. Neben deutlichen Schüsselungen und Nachgiebigkeiten wies der Fertigteilestrich auch Fehlstellen der Kantenverklebung sowie Aus- und Abbrüche in den Kantenbereichen auf. Der Sachverständige erhielt den Auftrag, die Fußbodenkonstruktion zu bewerten.
Schaden - Fertigteilestrich aufgeschüsselt
Beim Gutachtertermin war der Fertigteilestrich erheblich verschmutzt. Noch viel schlimmer wog, dass die Elemente in den Übergangen zu den Räumen mit dem Zementestrich höher standen und sich bei Bewegung absenkten. Dies war beim Begehen in Rand- und Eckbereichen des Flures und der zwei Räume deutlich festzustellen. Durch Auflegen eines Richtscheits konnte in allen Rand- und Eckbereichen sowie zu den Räumen mit Zementestrich hin ein deutliches Aufschüsseln der Fertigteilestrichkonstruktion festgestellt werden. Die Höhen erreichten über 5 mm, teilweise bis 10 mm.
In drei bis vier Zonen zeigten sich fehlerhafte Stoßbereiche der Elemente. Sie waren zwar im Bereich der beidseitigen Nuten mit Flachdübeln und Polyurethanklebstoff verbunden, wiesen aber an der Oberfläche Spalte bis 3 mm Breite auf. Hier lag eine nicht ausreichende Klebung vor. Der Kleber hätte nach Herstellervorgabe austreten müssen. In fünf bis sechs Flächenbereichen gab es wahrscheinlich im Zuge der Verlegung verursachte Ausbrüche der Kanten, insbesondere in Eckbereichen. Sie erreichten eine Länge von maximal 5 cm.
Mithilfe einer Fußbodenöffnung konnte sich der Sachverständige davon überzeugen, dass die 22 mm dicken Fertigteilestrichplatten auf einer systembezogenen Trittschalldämmplatte mit hoher Druckfestigkeit eingebaut waren und zusätzlich auf der alten Betongeschossdecke eine Polyethylenfolie platziert war. Festzustellen war auch ein ordnungsgemäß umlaufender Randdämmstreifen. An den Türlaibungen lag jeweils eine mit Mineralfaserstreifen ausgebildete Fuge vor.
Gravimetrische Feuchtigkeitsbestimmungen an Proben des zementären Fertigteilstrichs zeigten, dass diese zum Zeitpunkt der gutachterlichen Überprüfungen trocken waren.
Ursache - Fehlender Feuchteschutz
Die auffälligen Aufschüsselungen des Fertigteilestrichs sind eindeutig auf eine deutliche Feuchtigkeitsbelastung und die anschließende Rücktrocknung nach der Verlegung zurückzuführen. Estrichleger und Bauleiter sind beim Einbau des Fertigteilestrichs mehrere Fehler unterlaufen: Bei Fertigteilstrichen - auch Trockenestriche genannt - muss kurz nach dem Einbau auch die Belagsverlegung erfolgen. Ist dies nicht möglich, muss die Fertigteilestrichkonstruktion vor Feuchteeinwirkung und Verschmutzung geschützt werden. Dies geht aus den einschlägigen Merkblättern wie dem BEB-Merkblatt "Fertigteilestrich auf Calciumsulfat- und Zementbasis" hervor. Andere Quellen sind die Verarbeitungsrichtlinien der Hersteller und die allgemein anerkannte Regel des Fachs. In dem vorliegenden Fall schrieb der Hersteller vor, die Fertigteilestrichelemente unmittelbar nach der Verlegung zu grundieren. Neben der Haftverbesserung dient dies auch dem Schutz gegen Feuchtigkeitseinflüsse.
Derartige Leistungen werden in der Regel besonders vergütet, d.h. der Verleger des Fertigteilestrichs, der absehen konnte, dass die Belagsverlegung zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt wird, hätte Bedenken anmelden müssen. Er hätte verlangen müssen, dass die Konstruktion geschützt wird. Nach sachverständiger Überzeugung reicht aufgrund der langen Zeitspanne eine Dispersionsgrundierung nicht aus. Die Fertigteilestrichplatten hätten einen dauerhaften Feuchtigkeitsschutz wie Folie plus Abdeckplatten oder eine Grundierung aus zweikomponentigem Reaktionsharz erhalten müssen.
Der Fertigteilestrich war extremen Baustellenbedingungen ausgesetzt. Dazu zählten erhebliche Putz- und Malerarbeiten mit einer starken Feuchteeinwirkung. Als im gleichen Geschoss in weiteren Räumen drei Monate später eine schwimmende zementäre Estrichkonstruktion eingebaut wurde, die erheblich Feuchtigkeit an die Raumluft abgab, kam es zwangsläufig zu einer erheblichen Auffeuchtung. Das führte zu einer Volumenvergrößerung der Fertigteilestrichplatten. Die mit Beginn der Beheizung des Gebäudes einsetzende Rücktrocknung der Platten verursachte konkave Verformungen, sprich deutliche Schüsselungen.
Der Sachverständige ergänzte, dass in den Übergangsbereichen zu der neu eingebauten Estrichkonstruktion eine verstärkte Auflage der Fertigteilestrichplatten notwendig gewesen wäre, eventuell in Verbindung mit der zusätzlichen Anordnung eines Profils. Da bei den Schüsselungen des Fertigteilestrichs keine Neutralisation zu erwarten ist, hat der Sachverständige eine vollständige Neuverlegung empfohlen. Die Fehlstellen an den Kanten hätten sonst mit Reaktionsharzmaterial ausgebessert werden müssen.
Verantwortlichkeit - Verarbeiter und Bauleitung haften
Für die im Bauvorhaben entstandenen Schäden ist in erster Linie der Verarbeiter verantwortlich. Er hätte die Fertigteilestrichplatten grundieren müssen, so wie es die Verlegeanleitung vorschrieb. Er hätte auch erkennen müssen, dass die Oberfläche längerfristig ungeschützt blieb. Hier war ebenso die Bauleitung in der Pflicht, weitergehende Maßnahmen vorzuschreiben, da ihr die Zeitabläufe bekannt waren. Sie hätte bei der Auftragsvergabe eine gesonderte Position für den erforderlichen Schutz der Fertigteilestrichkonstruktion vorgeben müssen.
Was kann man aus dem Schadensfall lernen? Als Handwerker sollte man beim Einbau eines Fertigteilestrichs vorsichtig sein und sich exakt an den Verarbeitungsrichtlinien des Herstellers orientieren. Gute Anhaltspunkte bieten die genannten Merkblätter und der gesunde Menschenverstand: Das auch Trockenestrich genannte Bauteil heißt nicht zufällig so - es darf nach der Verlegung keiner zusätzlichen Feuchtigkeit ausgesetzt werden.
Der Autor
Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.
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aus
FussbodenTechnik 01/15
(Handwerk)