Leserbrief von Urlich Zintl zu "Risssanierung, aber richtig" aus FussbodenTechnik 6 /2014
Auf das richtige Harz kommt es an
Harze und Kunststoffe sind aus der modernen Fußbodentechnik und -verlegung nicht mehr wegzudenken. Viele Herausforderungen lassen sich durch den Einsatz innovativer Reaktionsharzprodukte problemlos meistern, angefangen bei der -Verfestigung labiler Estriche über die Feuchtigkeitsabsperrung nicht genügend trockener Untergründe bis hin zu -mechanisch und chemisch hochbelastbaren Reaktionsharzbeschichtungen in Produktions- und Lagerstätten.Anlässlich der Untersuchung des Instituts für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) im Auftrag des Industrieverbandes Werkmörtel (IWM), Artikel "Risssanierung, aber richtig" in FussbodenTechnik 6/2014, möchte ich das Augenmerk nochmals auf die Risssanierung mit niedrigviskosen Reaktionsharzen legen. Niedrigviskose Reaktionsharze sind besonders fließfähig, doch nicht alle niedrigviskosen Harze sind gleichermaßen alltags- und baustellentauglich. Im Wesentlichen können Reaktionsharze in zwei Reaktionstypen eingeteilt werden:
1. Polymerisation
Das Reaktionsprinzip ist bei allen Polymerisationsarten immer dasselbe: Bei der Polymerisation entstehen aus Molekülen, die Doppelbindungen enthalten, in einer Kettenreaktion ohne erkennbare Stufen lange Polymerketten. Schematisch kann man sich eine Polymerisation ungefähr folgendermaßen vorstellen: Bei der Polymerisation wird lediglich ein Katalysator bzw. Starter benötigt, um die Reaktion in Gang zu setzen. Sie läuft in der Regel vollständig ab und kann durch die Zugabemenge des Starters in der Reaktionszeit reguliert werden. Die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe sind Methylmethacrylat (MMA) sowie ungesättigte Polyesterharze (UP).
MethylmethacrylatMethylmethacrylat (MMA) wird als Ausgangssubstanz für verschiedene Harze und Kunststoffe verwendet, entweder als Monomer oder als Polymer (Polymethylmethacrylat). Die Bandbreite der Anwendungen von auf MMA basierten Produkten ist groß und beinhaltet Medizinprodukte, Möbel, Bauteile im Fahrzeug- und Flugzeugbau sowie Baumaterialien. Aufgrund der einfachen Verarbeitbarkeit, auch bei niedrigen Temperaturen, wurde MMA als Gießharz zum Füllen von Estrichfugen und -rissen in der Fußbodentechnik eingesetzt.
PolyesterharzPolyesterharze sind Kondensationsprodukte aus zwei- oder mehrwertigen Alkoholen (z.B. Glycolen oder Glycerin) und Dicarbonsäuren. UP ist die Abkürzung für ungesättigte Polyesterharze, die zur Herstellung faserverstärkter Kunststoffe, Spachtelmassen oder Gießharzen eingesetzt werden. Klassisch werden diese für den Bootsbau oder als Autospachtel verwendet. Aufgrund des relativ umständlichen Anmischens auf der Baustelle und des stechenden Geruchs werden Polyesterharze immer mehr aus der Fußbodentechnik verdrängt.
2. Polyaddition
Die Polyaddition verläuft in Stufen, d.h. die einzelnen Moleküle (Monomere) können an beiden Enden reagieren, und so entstehen zunächst kurze Molekülketten (Oligomere), die miteinander oder auch mit längeren Ketten reagieren können. Hierbei werden keine Nebenprodukte abgespalten. Schematisch kann man sich das so vorstellen (s. Darstellung 2):
Eine Polyaddition läuft nur vollständig ab, wenn beide Reaktionspartner, Stamm- und Härterkomponente, im richtigen Mischungsverhältnis angerührt werden. Durch unsachgemäßes Mischen oder ein falsches Mischungsverhältnis bleibt Material ohne Reaktionspartner. Die Kettenbildung verläuft unvollständig und das Endprodukt erlangt nicht die gewünschte Endfestigkeit. Das Harz bleibt weich und klebrig. Die bekanntesten Harze aus dieser Gruppe sind die Epoxidharze (EP) und Polyurethanharze (PUR).
EpoxidharzeEpoxidharze sind ebenfalls Polymere. Jedoch polymerisieren sie je nach Zusammensetzung so langsam, dass man sie als zähe Flüssigkeiten verarbeitet und dann aushärten lässt. Das Ergebnis ist ein stabiler und chemikalienbeständiger Kunststoff. Ein wichtiger Anwendungsbereich ist deshalb auch die Verwendung als Klebstoff. Dieser wird flüssig aufgetragen und verbindet nach dem Aushärten andere Kunststoffteile miteinander, aber auch Metall und Beton.
Aus der Fußbodentechnik sind Epoxidharze nicht wegzudenken. Feuchtigkeitsabsperrung, Verfestigung labiler Untergründe sowie der Einsatz als Beschichtung sind die wichtigsten Einsatzbereiche. Entscheidend für eine Reaktion ist eine Mindestreaktionstemperatur von 10 °C.
PolyurethaneMengenmäßig sind Polyurethanschaumstoffe als Weich- oder Hartschaum am wichtigsten. Polyurethane werden jedoch auch als Formmassen zum Formpressen, als Gießharze und als (textile) elastische Faserstoffe verwendet.
Polyurethanlacke und Polyurethanklebstoffe werden in der Fußbodentechnik hauptsächlich verwendet.
Silikatharz (Organomineralharz)Ein relativ neues Injektionsmittel zum kraftschlüssigen Füllen von Estrichfugen und -rissen stellt das im Bergbau sowie im Bereich der Sanierung unterirdischer Infrastruktur bereits seit einigen Jahren eingesetzte Silikatharz dar, das aus der Reaktion von anorganischem Alkalisilikat und organischem Isocyanat entsteht. Zur Herstellung des Harzes werden die beiden Komponenten im vorkonfektionierten Volumenverhältnis gemischt. Ein zusätzliches Umtopfen des angemischten Materials entfällt. Das entstehende Endprodukt weist sehr hohe Zugfestigkeiten auf. Das flüssige, geruchlose Reaktionsgemisch entmischt oder verdünnt sich nicht unter Wasser, d.h. eine Aushärtung findet auch unter Wasser statt. Die mechanischen Merkmale und Klebeeigenschaften des Silikatharzes sind vergleichbar mit denen des Polyurethans.
Silikatharze überzeugen durch schnelle Belastbarkeit, selbst bei niedrigen Temperaturen unter 10 °C, und weisen im Gegensatz zu anderen Bauharzen nur eine geringe Feuchte- und Alkaliempfindlichkeit auf. Silikatharze eignen sich daher speziell für die besonderen Anforderungen der Baustellenpraxis und können zügig mit zementären Nivelliermassen überarbeitet werden, wodurch ein schneller Baufortschritt gewährleistet wird. Bei der Rissverfüllung ermöglicht die hohe Kapillaraktivität eine sehr gute Benetzung der Rissflanken und sichert somit auch ohne Einsatz von Wellenverbindern eine hervorragende Verbindung von einzelnen Estrichschollen. Aufgrund der hohen Zugfestigkeiten, auch bedingt durch das niedrige Schrumpfverhalten, bilden sachgemäß sanierte Estrichrisse und -fugen nicht mehr die Schwachstelle in der Estrichebene.
Oft werden die Silikatharze von den bauchemischen Herstellern in transparenten Kunststoffflaschen ausgeliefert, wodurch sich auch bei der Verarbeitung Vorteile gegenüber den Produkten in klassischen Gebinden ergibt. Ein Anmischen von Teilmengen ist um ein Wesentliches einfacher als in Blechgebinden. Zum korrekten Anmischen werden einfach die erforderlichen Teilmengen in einer Kunststoffflasche vereint und kräftig geschüttelt. Das Material kann anschließend mithilfe der aufgeschraubten Stufentülle problemlos appliziert werden.
Durch eine sehr geringe Geruchsbelästigung und eine lösemittelfreie Rezeptur können gesundheitliche Beeinträchtigungen für den Verarbeiter auf der Baustelle und für die Nutzer der Räumlichkeiten stark vermindert werden.
Ulrich Zintl
Anwendungstechnik Botafloor
aus
FussbodenTechnik 02/15
(Handwerk)