Eine kleine Orient-Warenkunde
Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?
Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?" mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserem Ratespiel in auf der linken Seite möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln: Die ausführliche Auflösung der Fragen folgt gleich in der nächsten Ausgabe. Sie finden daher jetzt auch die Auflösung der Fragen aus der letzen Ausgabe.
Beni Ouarain - Marokkanische Teppichprovenienz
Im Teppichhandel sind unter den marokkanischen Teppichen besonders die unifarbenen - meist wollweißen - "Berberteppiche" bekannt. Diese werden vor allem in den Manufakturen von Rabat, Sale oder Kenitra und nach den Vorgaben westlicher Großabnehmer gefertigt. Marokko bringt aber auch Teppiche hervor, die noch heute in althergebrachter Stammestradition geknüpft werden. Jeder, der schon mal einen Urlaub oder eine Einkaufsreise nach Marrakesch unternommen hat, weiß, dass die "echten" Berberteppiche nicht viel mit den verbreiteten Manufakturteppichen gemeinsam haben. Sie sind meist farbenfroh mit einem Hang zu Orange.
Es gibt aber auch weniger bunte Ausnahmen. Beni Ouarain ist die bekannteste marokkanische Provenienz, die zweifarbige, dezent-geometrische Muster mit einem wohnlich-zotteligen Flor verbindet. Kaum eine andere Teppichprovenienz passt mit ihren ursprünglichen nomadischen Designs besser in einen minimalistischen modernen Wohnstil. Die Teppiche sind fast immer weißgrundig und zeichnen sich durch schwarze Zickzack- Gitter- oder Rautenmuster aus. Das gibt dem Teppich eine gewisse Spannung, ohne ihn überladen wirken zu lassen. Vor allem Innenarchitekten und Stylisten von Interieurmagazinen scheint diese Kombination sehr zu gefallen. Gefühlt sind 90% aller in der Publikumspresse abgebildeten Knüpfteppiche solche Beni Ouarain. Auch Jan Kath hat sich unlängst dieser Provenienz angenommen. Seine Kollektion "Le Maroc blanc" greift das Thema vorbildlich auf und steht in deutlichem Widerspruch zu seinen sonst eher extravaganten Kreationen.
Der Stammesverbund der Beni Ouarain hat seine Heimat im Osten des Mittleren Atlas-Gebirges. Sie leben sowohl von der Schafzucht als auch vom Ackerbau. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts waren viele Beni Ouarain Halbnomaden. Wie viele andere langflorige Nomadenteppiche wurden die Beni-Ouarain-Knüpfungen nicht als schmückender Bodenbelag gefertigt, sondern als wärmende Unterlage zum Schlafen.
Saronim - Persisches Teppichformat
Wer selbst schon einmal im Iran auf Einkaufsreise war oder einen alteingesessenen persischen Großhändler als Lieferanten hat, weiß, dass persische Teppiche ihre eigenen Formatbezeichnungen haben. Das bekannteste Format neben Poschti und Dosar ist der Saronim. Ganz korrekt sind alle diese Formate übrigens keine Teppichformate, da man erst ab sechs Quadratmetern von einem Teppich spricht. Solche kleineren Formate bezeichnet man als Brücke.
In den Begriffen Saronim und Dosar versteckt sich die im Iran gebräuchliche Maßeinheit Sar. Das Sar ist grob mit dem Meter zu vergleichen. Je nach Region variiert es in der Länge: von 104 cm in der Hauptstadt Teheran bis 112 cm in Kirman. Die iranischen Formatbezeichnungen geben die Länge der Teppiche an, die Breite ergibt sich. Ein Saronim ist gut anderthalb Meter lang; nämlich ein Sar und ein halbes Sar. Das Wort "nim" bedeutet im Deutschen soviel wie "halb". Entsprechend ist ein Dosar - "do" ist persisch für zwei - etwas größer: etwa 130 x 200 cm.
Frisee-Garn - Gekräuseltes Florgarn
Maschinengewebte Teppiche verkaufen sich seit einigen Jahren sehr gut. Der äußerst günstige Preis, gepaart mit einer ordentlichen Qualität, lässt viele Konsumenten darüber hinwegsehen, dass es sich um ein standardisiertes Massenprodukt handelt und nicht um ein handgefertigtes Unikat. Ganz besonders für den Erfolg dieser Produktgruppe verantwortlich ist der Shaggy. Dieser Langflorteppich, wird - meist unifarben - vor allem in Belgien und der Türkei gewebt.
Mittlerweile haben die Verkaufszahlen des Shaggys ihren Zenit überschritten. Sein Nachfolger auf den Bestsellerlisten ist weniger lang im Flor, aber immer noch flauschig: der Frisee. Seinen Namen hat der Teppich von dem Frisee-Garn, aus dem sein Flor gewebt ist. Ebenso wie der Shaggy wird der Frisee aus Polypropylen gefertigt. Damit das synthetische Garn einen angenehmeren Griff bekommt, wird es vor dem Weben mit dem Heat-Set-Verfahren veredelt. Diese thermische Fixierung sorgt auch für mehr Volumen. Typisch für Frisee-Garne ist die sehr starke Kräuselung. Sie lässt das Garn so wirken, als sei es beim Spinnen überdreht worden. Daraus resultiert eine lebendige Oberflächenstruktur. Im Gegensatz zu den langflorigeren Shaggies lassen sich bei Frisee-Teppichen auch detaillierte Muster gut umsetzen. Besonders hoch im Kurs stehen derzeit nomadisch inspirierte Muster, wie beispielsweise Gabbeh- und Loribaft-Dessins.
Mafrasch -Nomadisches Transportbehältnis
Die gewebten, kofferartigen Transporttaschen der Nomaden werden im Iran als Mafrasch bezeichnet. Besonders bekannt sind die Mafrasch der Schasavan-Nomaden aus dem Nordwesten des Landes. Das Format liegt typischerweise bei einer Länge von 80 -120 cm und einer Höhe und Breite von 40 - 60 cm. Als Mafrasch bezeichnen die Turkmenen darüber hinaus ihre kleinen Taschen. Außer dem Namen gibt es aber keine Gemeinsamkeiten der beiden Mafrasch-Typen.
Die Nomaden des Iran nutzen den Mafrasch wie eine textile Truhe. Zum Beispiel als Behältnis für Bettzeug und Schlafutensilien, die tagsüber ordentlich verstaut werden. Man legt dafür die einzelnen Gegenstände nacheinander in den Mafrasch und schnürt ihn oben fest zusammen. Die fertiggepackten Mafrasch lassen sich so auch links und rechts an den Seiten eines Kamels zum Transport befestigen.
Hergestellt wird der Mafrash aus einzeln gewebten Paneelen. Die sichtbaren Flächen, also die Fronten und Seiten, sind häufig besonders aufwändig und liebevoll gearbeitet. Überhaupt geben sich die Nomaden sehr viel Mühe beim Weben und Knüpfen ihrer Taschen. Sie sind nicht nur ein reiner Nutzgegenstand, sondern gleichzeitig auch die Dekoration im Zelt.
In den Handel kommen Mafrasch nur sehr selten komplett. Dafür lässt sich diese textile Truhe in unseren westlichen Haushalten zu schlecht nutzen. Meistens werden die Mafrasch aufgetrennt und in ihre Einzelteile zerlegt. Die quadratischen Fronten und die länglichen Seiten werden einzeln verkauft. Antike Mafrasch-Paneele sind bei Sammlern äußerst beliebt und erzielen auf Auktionen zum Teil sehr hohe Preise. Aber auch neuere Stücke haben eine ganz besondere Ausstrahlung und machen sich gut als Accessoire, wie einem Kissenbezug.
aus
Carpet Magazin 03/15
(Teppiche)