Gute Akustik wird zum Verkaufsargument


In den Wohnungen verschwinden Teppichboden, Gardinen und Vorhänge, im Objekt dominieren glatte Flächen aus Glas und Beton. Beides mag gut aussehen, hat aber negative Auswirkungen auf die Raumakustik. Daheim klappern die Absätze übers Laminat, im Büro die Computertastaturen. Und die Konzentration auf die Arbeit fällt angesichts des lauten Druckers oder der Gespräche von Kollegen im Großraumbüro schwer. Abhilfe schaffen kann hier der Raumausstatter - und muss dazu nicht einmal ein Experte für Akustik sein. Denn mit (Möbel-)Stoffen, Sonnenschutz, Bodenbelägen (nicht nur textilen), Wand- und Deckenpaneelen bekommt man den Schall in den Griff. Es gibt sogar Konzepte, die auch noch bei der flexiblen Einteilung des Raums helfen.

Der Weg zu allem Großen geht durch die Stille", mahnte schon der Philologe Friedrich Wilhelm Nietzsche. Doch ob Büro, Gesundheits- oder Bildungseinrichtung - das Thema Akustik im Gebäude spielt sowohl bei Neubau als auch Sanierung nach wie vor keine allzu große Rolle. Allerdings bahnt sich bei Planern und Bauherrn ganz langsam ein Umdenken an. Sie erkennen zunehmend die Notwendigkeit, störenden Schall im Raum zu reduzieren. Schließlich fördert eine angenehme Akustik nicht nur die Gesundheit, sondern steigert auch die geistige Aufnahme- und Leistungsfähigkeit. Die Normungskommission Akustik arbeitet an Verbesserungen im Rahmen einer Novellierung der Akustiknorm DIN 184/ Hörsamkeit in kleinen und mittleren Räumen. Planer sind gehalten, diese allgemein anerkannten Regeln zu berücksichtigen.

Rainer Machner ist Mitglied im DIN-Ausschuss für Raumakustik. Er betont, dass Architekten in Zukunft mit strengeren Regeln für die Bauplanung rechnen müssen. Geradezu überlebensnotwendig ist eine Überarbeitung der Norm in Kliniken, insbesondere Operationssälen. Es dürfe nicht sein, dass Fehler im Operationssaal auf Mängel in der Kommunikation zurückzuführen seien. Auch für Alten- und Pflegeheime würden akustische Verbesserungen erarbeitet, um die -Lebensqualität der oft schwerhörigen Bewohner zu erhöhen. Gestoppt werden müsse die Schallausbreitung ebenfalls in Büroräumen. "Die Sensibilität für das Thema ist in den vergangenen Jahren gestiegen", meint Machner.

Der Diplom-Ingenieur hat sich insbesondere dem Thema Büroakustik verschrieben. Für diesen Bereich ist er Konzeptentwickler beim Akustikdecken- und Wandabsorberhersteller Ecophon. Zusammen mit dem Büromöbelproduzenten Haworth und dem Beleuchtungsspezialisten Philips erläutert Machner bei einer Roadshow durch Deutschland unter dem Titel "Was Raum macht", dass die Arbeit der Zukunft situationsspezifische und flexible Umgebungen benötigt. Möblierung, Farben, Licht und Akustik dürften nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, sondern seien Bestandteile eines großen Ganzen.

Wie die Experten bei der Roadshow deutlich machen, gehört das separate kleine Büro der Vergangenheit an. "Die Firmen sind bestrebt, ein bestmögliches Arbeitsumfeld für den Wissenarbeiter zu schaffen, um ihn im Unternehmen zu halten", stellt Bernd Fels vom Beratungs- und Planungsunternehmen für neue Arbeitswelten IF5 fest. Der Trend gehe hin zu weitläufigen Open Spaces mit Kommunikationslounges. In diesen großzügigen, offen gestalteten Büroräumen müssten Mitarbeiter verschiedenen Aktivitäten gleichzeitig und im steten Wechsel nachgehen können.

Die dynamischen Abläufe innerhalb der offenen Büroareale bringen akustische Herausforderungen mit sich. Hier müsse man ansetzen, meint Rainer Machner und verweist auf eine Untersuchung der Berkeley University, nach der in Texten rund 50 % weniger logische Fehler gemacht werden, wenn die Lautstärke von 55 bis 70 dB auf 35 dB gesenkt wird. Damit wird deutlich, welche positiven Auswirkungen eine geringere Lärmentwicklung auf das effektive Arbeiten hat.

Noch sind die gesetzlichen Vorgaben beim Thema Akustik eher vage. So heißt es in der Bildschirmarbeitsverordnung: "Umgebungslärm darf weder die Kommunikation noch die Konzentration bei der Arbeit beeinträchtigen." Was immer das bedeuten mag. Auch die Arbeitsstättenverordnung wird nicht konkreter: "In Arbeitsstätten ist der Schalldruckpegel so niedrig zu halten, wie es nach der Art des Betriebs möglich ist." Damit gibt es für Lärm im Büro zwar keine gesetzlich verbindlichen Grenzwerte, sondern nur Schutzziele. Aber im Interesse guter Arbeitsergebnisse sollte der Lärm gering gehalten werden. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft setzt sich für den Maximalwert von 55 dB ein. Diese Messlatte wird schon durch die normalen Geräusche des Büroalltags gerissen, wie die Piktogramme auf Seite 29 zeigen.

Lärm in Arbeitsräumen lässt sich durch verschiedene Maßnahmen verringern. So sollte ausreichend Platz zwischen den Arbeitsplätzen vorhanden sein. Zudem steht eine Reihe lärmdämpfender Produkte für Boden, Wand und Decke zur Verfügung. Textilien haben per se einen positiven Effekt auf die Raumakustik, sowohl als Möbel- wie auch als Dekostoff/Gardine. Für die Schallabsorbierung auf großer Fläche eignen sich besonders Akustikdecken, in deren Unterdeckensystemen Gipskartonplatten eingefügt werden können. Sie lassen sich auch mit Akustikputz beschichten.

Akustiklösungen vom Boden bis zum Fenster


Wenn eine vollständige Deckenverkleidung nicht möglich ist, bieten sich Baffeldecken an, deren Akustikelemente von der Decke abgehängt werden. Diese Baffeln oder Lamellen bestehen aus Materialien wie Akustikschaum und Mineralfaser. Erhältlich sind sie in verschiedenen Höhen, Dicken und Farben. Als nachträgliche Maßnahme dienen vor allem Deckensegel aus textilen Materialien, Gipskartonplatten und Folien.

Aber nicht nur an der Decke lässt sich Schall abschirmen, sondern auch an der Wand. Diese Wandverkleidungen bestehen häufig aus Holzpaneelen, auf deren Rückseite dämmende Materialien wirken. Inzwischen steht auch eine Vielzahl dekorativer Akustikelemente zur Verfügung.

Als sehr flexibel erweisen sich raumhohe Trennwände, mit denen sich Büroräume aufteilen lassen. Auch auch Stellwände oder spezielle Sitzmöbel mit schallabsorbierender Auflage erfüllen ihren akustikwirksamen Zweck.

Ideal für große Fensterfronten sind Lamellenstores mit ihrer Doppelfunktion. Sie dienen nicht nur als Blendschutz, sondern sorgen gleichzeitig für angenehme Akustik. Auf die Lamellen sind schalldämpfende Gewebe aufgebracht.

Angesichts der großen Fläche eignen sich Bodenbeläge besonders gut für eine hohe Schallabsorption. Hier haben Teppichböden aufgrund ihrer Oberflächenbeschaffenheit wesentlich stärkere Effekte als glatte und harte Beläge. Durch spezielle Rückenkonstruktionen bauen gerade die hochwertigen Hersteller hier ihren Vorsprung weiter aus, so dass beispielsweise der Trittschall um bis zu 40 dB verringert werden kann.

Einige Hersteller gehen in Sachen Akustik aber noch einen Schritt weiter und kooperieren mit Akustikspezialisten und -dienstleistern. Beispielsweise Object Carpet mit Ydol (siehe Titelgeschichte auf Seite 64), die die Kunden ganzheitlich beraten und zusätzlich zum Teppichboden alle anderen Produkte im Portfolio haben, die helfen, Akustik effizient zu verbessern. Carpet Concept bietet neben dem eigenen Akustikrechner zur Berechnung der Nachhallzeit gleich ein ganzes textiles Architekturkonzept aus Teppichböden, Wand- und Deckenabsorbern mit Textilbespannung, Raumteilern und einem kompletten, modularen Raumsystem mit Glaselementen und Türen an.

Die vier Dimensionen von Akustik


1. Schallabsorption
Die Schallabsorption bezeichnet den Lärm und den Halleffekt in einem bestimmten Bereich und wird durch den -Wert (w) ausgedrückt. Ein w von 0,00 bedeutet, dass das Material fast keine schalldämpfende Wirkung hat. Der Wert 1 weist auf eine fast vollständige Schalldämmung hin. Die Schallabsorption hat sowohl auf die Lautstärke als auch auf die Dauer des Lärms positive Auswirkungen.

2. Signal-Rausch-Verhältnis
Das Signal-Rausch-Verhältnis (SRV) beschreibt die Verständlichkeit verbaler Informationen durch Vergleich der Lautstärke der Stimme (Signal) mit dem Hintergrundgeräuschpegel (Rausch). Experten kommen zu dem Ergebnis, dass ein SRV zwischen +12 dB und +15 dB beispielsweise im gesamten Klassenzimmer ein akustisches Umfeld schafft, das es allen Schülern ermöglicht, mündliche Informationen vollständig zu verstehen.

3. Trittschalldämmung
Schalldämmung bezieht sich auf die akustischen Auswirkungen von Geräuschen wie beispielsweise Schritten in einem angrenzenden oder einem darunter gelegenen Raum. Der ∆Lw-Wert wird in Dezibel (dB) gemessen; hierbei handelt es sich um die tatsächliche Anzahl an Dezibel, die durch den Bodenbelag reduziert wird. So können etwa Teppichböden mit speziellem Rücken 40 dB schlucken.

4. Nachhall
Nachhall wird als Fortdauer von Schall in einem Raum definiert, nachdem die Schallquelle verstummt ist. Er ist allgemein auch als Echo bekannt. Die Zeitspanne, die vergeht, bis der Nachhall verstummt, wird Nachhallzeit genannt. Um das ursprüngliche Signal zu verstärken, wird ein gewisser Nachhall benötigt. Ein zu großer Nachhall beeinträchtigt jedoch die Verständlichkeit von Sprache, da er die Unterscheidung zwischen verschiedenen Worten erschwert.
aus BTH Heimtex 06/15 (Deko, Gardinen, Sonnenschutz)