Studie: Azubi-Recruiting Trends 2015

So denken Azubis über Ausbildung und Ausbildungsbetriebe

Hätten Sie’s gedacht: Die Eltern spielen bei der Auswahl von Beruf und Ausbildungsplatz nicht unbedingt die bestimmende Rolle. Viele Azubis würden schon in der Ausbildung gerne Zusatzqualifikationen erwerben. Und die meisten von ihnen wollen später im Beruf nicht primär Geld verdienen, sondern suchen in der Arbeit nach Erfüllung. Solche Erkenntnisse vermittelt die Studie "Azubi-Recruiting Trends 2015". Sie können Ihnen dabei helfen, Ihr Unternehmen für Schulabgänger interessant zu machen und so einen Nachwuchsmangel gar nicht erst entstehen zu lassen.

Die Situation um die Ausbildung in Deutschland ändert sich gerade. Konnte sich manch ein Betrieb in der Vergangenheit vor Bewerbungen kaum retten und durfte die Besten der Besten herauspicken, gibt es inzwischen mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. Regional und in einzelnen Berufen kann der Bedarf an Azubis schon nicht mehr gedeckt werden. Damit fehlt vielen Unternehmen dringend benötigter Nachwuchs. In letzter Konsequenz sind so selbst wirtschaftlich gesunde Firmen gefährdet, weil nicht mehr genügend Fachpersonal vorhanden ist, um die Arbeit zu erledigen.

Wenn Betriebe um gute Auszubildende kämpfen müssen, sollten sie wissen, welche Erwartungen die Schulabgänger an ihre Ausbildung, an ihren Ausbildungsbetrieb und späteren Arbeitgeber haben oder wie ihre Entscheidungsprozesse ablaufen. Einen Eindruck davon vermittelt die Studie "Azubi-Recruiting Trends 2015" von u-form Testsysteme. Sie stellt im Untertitel die Frage, ob Ausbilder und Azubis die gleiche Sprache sprechen. Um das herauszufinden, wurden 1.428 Auszubildende und Bewerber sowie 799 Ausbildungsverantwortliche befragt. Das Spektrum der Branchen ist breit und reicht von der Industrie über Handel und Handwerk bis zu diversen Dienstleistungssegmenten und dem öffentlichen Dienst.

Arbeit ist mehr als Geldverdienen


Arbeit ist für die jungen Menschen heute offenbar mehr als bloßes Geldverdienen. 90 % würden wohl auch dann einen Ausbildung machen, wenn sie es aus wirtschaftlichen Gründen (Lottogewinn, Erbschaft) gar nicht müssten. Lediglich 21 % betrachten Arbeit als ein Mittel, um die Voraussetzung für die Erfüllung privater Bedürfnisse zu haben. Selbstverwirklichung findet für diese Minderheit im Privaten statt, nicht im Beruf.

Das sehen 57 % ganz anders: Sie suchen nach Erfüllung im Beruf und legen daher auch Wert darauf, dass ihnen ihre Arbeit Spaß macht. 22 % stellen hingegen Geld und Einfluss in den Vordergrund und hoffen, beides durch ihre berufliche Tätigkeit zu erreichen.

19 % der befragten Azubis sah auf dem Weg dahin keine Alternative zu einer Ausbildung. Für 65 % wäre aber auch ein Studium denkbar. Immerhin 9 % haben den Einstieg ins Arbeitsleben ohne berufsqualifizierenden Abschluss in Erwägung gezogen.

Bereitschaft zum Umzug ist hoch


Ausbildung kostet Zeit und Geld. Beides wenden die Unternehmen vor allem auf, um ihren Bedarf an Fach- und Führungskräften zu decken (62 %). Aber die Verantwortlichen sehen das Ausbilden auch als Imagefaktor (50 %). Gut ein Drittel (35 %) ist die Arbeitskraft der Azubis wichtig und fast genau so viele (31 %) meinen, dass die jungen Leute auch frischen Wind in den Betrieb bringen.

Aber was tun, wenn nicht mehr genügend Schulabgänger für die eigene Firma gewonnen werden können? 65 % der Befragten würden dann Berufsanfänger einstellen wollen, die bei anderen Unternehmen ausgebildet wurden. Ein Ausweichen auf erfahrene Fachkräfte/Akademiker (58 %), Absolventen eines Studiums (49 %) oder die längere Beschäftigung älterer Fachkräfte (46 %) spielen eine geringere Rolle. Beachtliche 11 % können sich vorstellen, Arbeitskräfte ohne Berufsausbildung einzustellen, was natürlich auch von der jeweiligen Tätigkeit abhängig ist.

Eine andere Möglichkeit wäre es, den geografischen Rahmen weiter zu stecken, in dem Auszubildende rekrutiert werden. Denn bislang ist dies vor allem eine lokale Angelegenheit: 41 % der befragten Firmen suchen lediglich in der näheren Umgebung, weitere 31 % in einem Radius von unter 100 km. Deutschlandweit waren 18 % aktiv und 11 % sogar international.

Erfolg verspricht das aber nur, wenn umgekehrt auch die Auszubildenden dazu bereit sind zu pendeln oder sogar umzuziehen. Für 7 % kommt das überhaupt nicht in Frage. 30 % möchten sich auf die regionale Umgebung beschränken. 35 % würden eine längere Fahrzeit in Kauf nehmen. Aber stolze 28 % wären bereit, den Wohnort für eine Ausbildung zu wechseln. In ihrer Mobilität ist die junge Generation offenbar weiter als die Ausbildungsfirmen annehmen.

Mehr als "nur" eine Ausbildung bieten


In der Regel spielen geografische Aspekte bei der Wahl eines Berufes und eines Ausbildungsplatzes aber eine untergeordnete Rolle. Und auch die der Eltern ist kleiner als gedacht: Nur gut die Hälfte (51 %) der Befragten spricht von einem "starken" oder "sehr starken" Einfluss bei der Berufswahl. Bei der Wahl des Ausbildungsbetriebes sind es sogar nur 41 %. Die Ausbildungsverantwortlichen hatten das mit jeweils weit über 60 % ganz anders eingeschätzt. Sie sollten daher ihre Bemühungen um Nachwuchskräfte hinterfragen, denn wenn die Jugendlichen zu großen Teilen selbst die Entscheidungen fällen, muss man sie anders und gezielt ansprechen.

Das kann u.a. mit Angeboten geschehen, die über eine normale Ausbildung hinaus gehen. Als besonders interessant empfanden die befragten Azubis und Bewerber Möglichkeiten zum Erwerb von Zusatzqualifikationen, die Chance auf eine Verkürzung der Ausbildung bei guter Leistung, Auslandsaufenthalte während der Ausbildung sowie besondere Anreize wie etwa einen Dienstwagen.

Und auch zwischen der Unterschrift auf dem Ausbildungsvertrag und dem Beginn der Ausbildung kann man etwas dafür tun, dass sich der angehende Azubi auf seine bevorstehenden Aufgaben freut und dem Unternehmen positiv gegenüber steht. 87 % finden Veranstaltungen für die neuen Auszubildenden gut, etwa Kennenlerntreffen oder eine Anprobe der Arbeitskleidung. 67 % freuten sich über die Einladung zu einem Betriebsfest oder einen Tag der offenen Tür. Und Geburtstags- und Weihnachtsgrüße oder die Zusendung der Mitarbeiterzeitschrift würden bei 41 % dafür sorgen, dass sie sich schon vorab als der Firma zugehörig fühlen. thomas.pfnorr@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 07/15 (Handwerk)