Angela Neubert (24), Parkettlegermeisterin aus Pohlheim
Der Girls’Day gab den Anstoss
Der Girls’Day soll Einblicke in Berufsfelder vermitteln, die Mädchen nur selten in Betracht ziehen. Das galt auch für Angela Neubert, die an diesem Tag den väterlichen Parkett- und Bodenlegerbetrieb aus einer anderen Perspektive kennenlernen wollte. Spontan meldete sie sich zu Hause zum Praktikum an. Ausbildung - Familie - Meistertitel waren von da an nur noch eine Frage der Zeit.
Angela Neubert hatte sich mit dem Beruf ihres Vaters, Parkettlegermeister und Sachverständiger, bis zum Girls’Day nicht intensiv beschäftigt. Erst bei genauem Hinsehen wurde ihr klar, dass Parkettlegerin auch ihr Beruf sein könnte. Inzwischen liebt sie es, alte Böden wieder herzustellen und genießt die strahlenden Gesichter der Kunden, wenn das Werk vollendet ist. Dieses Gefühl hat sie auch über manche Mühsal im ersten Lehrjahr getragen, in dem ihr durchaus Zweifel an der Berufswahl kamen. Doch als die Aufgaben im dritten Lehrjahr mehr und interessanter wurden, überwog der Spaß an der Arbeit. Von da an war für sie auch klar, dass sie den Betrieb einmal übernehmen möchte.
Auch wenn die Meisterprüfung nicht mehr gefordert wird, sieht Angela Neubert in dem Mehrwissen eines Meisters die notwendige Grundlagen zur Betriebsführung und Lehrlingsausbildung. Nach der Gesellenprüfung startete sie mit den theoretischen Teilen III und IV in Teilzeit bei der Handwerkskammer Gießen. So konnte sie parallel Praxiserfahrung im Betrieb sammeln.
Kaum war diese Hürde geschafft, meldete sich Söhnchen Louis an. Damit war erst mal Pause. Als der kleine Bursche ein halbes Jahr alt war, begann im BTZ Weiterstadt nach 10 Jahren wieder ein Meisterkurs mit den Praxisteilen I und II. Den wollte sie nicht versäumen und pendelte sechs Monate von Donnerstag bis Samstag, immer zwei Wochen hintereinander, dann zwei Wochen Pause. Parallel mit einem Kleinkind war das eine gewaltige Leistung. Doch ihre Mutter und ihr Mann hielten ihr den Rücken zu Hause frei.
"Die Kollegen im Kurs waren echte Kumpels", erzählt sie, "manchmal war es als Frau aber auch besser, wegzuhören". Mit einigen bildete sie eine Lerngruppe. Noch heute sind sie in einer Whatsapp Gruppe verbunden, zu der auch zwei Dozenten gehören. Hat einer ein Problem oder möchte er eine zweite Meinung hören, tickt er die anderen an und erhält Antwort.
Vor der Prüfung setzte sie sich selber unter Druck. Die Platte, ein vorgegebenes Muster mit weit über hundert Gehrungsschnitten, hatte sie zu Hause so oft geübt, "bis das Parkettlager des Vaters leer war". Allerdings hätte sie die Prüfung ohne den Einsatz einer Schieblehre nie so exakt und schnell geschafft, sagt sie im Nachhinein. "Kein Vergleich zum Arbeiten mit dem Meterstab. Einmal eingestellt, bleibt die Länge für alle Schnitte fixiert." Dieses Messwerkzeug hatte den Meisterschülern ihr Dozent Kay Hansen, Parkettlegermeister und Schreiner, nahe gebracht. Von ihm erhielten sie auch mit CAD absolut präzise geschnittene Aluwinkel zum Arbeiten.
Im Februar 2015 war dann alles geschafft. Die zwölf Kursteilnehmer erhielten auf der Versammlung der hessischen Landesinnung ihre Urkunden. Zur Übergabe sollten alle im T-Shirt mit individuellem Aufdruck auf der Bühne stehen. Bei ihr stand allerdings "Angela Neubert - Parkettlegermeister" ohne -in, was zusätzlich zu guter Stimmung beitrug. An eine weibliche Person denkt in diesem Beruf eben niemand. Der Übergabe des Schmuckbriefes mit offizieller Meisterfeier im November in der Pauluskirche in Frankfurt/M. sieht sie schon jetzt mit Freude und Spannung entgegen.
Die ersten Schritte allein
Meist sind Vater und Tochter gemeinsam bei den Baubesprechungen. "Beim ersten Mal allein war mir mulmig zumute. Ich stand in der vollen Verantwortung, und da wollte ich auch nichts Falsches sagen", beschreibt sie ihren ersten Soloauftritt. Als der Auftrag dann erteilt wurde und problemlos abgewickelt wurde - "empfand ich ein unbeschreibliches Glücksgefühl".
Inzwischen konnte sie ihre Meisterfähigkeiten bei einem anspruchsvollen Auftrag unter Beweis stellen. In einer Frankfurter Villa war auf 200 m
2 ein 22 mm Eiche-Stabparkett im Fischgrätverband mit doppeltem Fries zu verlegen. Ein offener Kamin und Rundungen im Bestand gestalteten sich zu einer echten Herausforderung, die sie gern öfter hätte.
Der Vinyl-Trend ist auch bei Parkett Wolf angekommen, doch mit der eigenen Begeisterung und guter Beratung gelingt es den beiden Parkettprofis, Kunden für die natürliche Schönheit eines echten Holzbelages zu gewinnen. Parkett Wolf verlegt im Umkreis von rund 100 Kilometern Bodenbeläge jeder Art, außer Fliesen.
Generationswechsel geplant
Die Nachfolgeregelung ist geklärt. Ihr Vater ist zwar erst 50, möchte sich aber in den nächsten 10 Jahren sukzessive aus dem Betrieb zurückziehen. Daher führt er seine Tochter bei den Auftraggebern als Nachfolgerin ein. Mancher Kunde ist überrascht, es nun mit einer Meisterin zu tun zu haben, "aber das ist kein Problem", berichtet Angela Neubert. Ihr jüngerer Bruder, der ebenfalls Parkettleger gelernt hat, will die Nachfolge nicht antreten. Er wird seinen Meister machen, ist aber in einem anderen Betrieb tätig.
Parkett Wolf wurde vor 11 Jahren gegründet, nachdem der Vater bereits 10 Jahre als Bauleiter tätig war. Mit seiner Sachverständigentätigkeit hat er sich zudem ein zweites Standbein aufgebaut, das er später ausweiten will. Ihr Vater Andreas Wolf ist ihr Vorbild, unterstreicht die junge Meisterin. Sie selbst kann sich vorstellen, zusätzlich noch Betriebswirt im Handwerk zu werden oder vielleicht die Ausbildung zum Restaurator aufzunehmen. Doch in der nächsten Zeit wird das wohl nichts, da sie mit ihrem Mann Andre Neubert ein Haus gekauft hat, das erstmal zu renovieren ist.
Wolf Parkett in Kürze
Parkett WolfLicher Str. 6
35415 Pohlheim
Telefon: 06404-697314
E-Mail: parkettwolf@aol.com
Internet:
www.parkettwolf.deInhaber: Andreas Wolf
Gründung: 2004
Profil: Meisterbetrieb mit 5 Personen, Ausbildungsbetrieb
Leistungsspektrum: Verlegung von Parkett und Bodenbelägen aller Art, bis 3.000 m
2Auftraggeber: 60 % Privat und 40% Objekt,
Einzugsgebiet Umkreis von 100 Km
Innung: Parkettlegerhandwerk und Fußbodentechnik Hessen
Girls’Day - Mädchen-Zukunftstag
Der GirlsDay ist eine Aktion des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Seit 2002 findet der Mädchen-Zukunftstag einmal jährlich statt, am 28. April 2016 der nächste.
Unternehmen und Institutionen haben mit der Aktion die Chance, bei Mädchen der Schulklassen 5 bis 10 Interesse für Ihren Arbeitsbereich zu wecken und sich so vielfältige Personalressourcen für die Zukunft zu erschließen. Wer mitmachen will, trägt sein Angebot, mit Berufsbezeichnung und der Anzahl an Plätzen im Girls’Day-Radar auf der Website der bundesweiten Koordinierungsstelle des GirlsDay-Mädchen-Zukunftstags ein.
www.girls-day.deMädchen können sich an dem Tag in den teilnehmenden Betrieben über Berufsfelder informieren, in denen bisher wenige Frauen arbeiten oder eine Ausbildung machen. Sie suchen im Girls’Day Radar nach Angeboten in der Umgebung und melden sich an.
Das Pendant ist der Boys’Day - der nächste Jungen-Zukunftstag ist ebenfalls am 28. April 2016.
aus
Parkett Magazin 04/15
(Handwerk)