Barrierefreies Bauen

5 Fakten zum barrierefreien Bauen und Wohnen


Barrierefreie Wohnungen - angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung und einem gestiegenen Bewusstsein für die Bedürfnisse behinderter Menschen hat das Thema in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Der Bedarf steigt, dennoch wird bislang noch zu wenig in den (Um-)Bau barrierefreier Wohnungen investiert. Das ist verwunderlich, zumal es auch Zuschüsse und Darlehen gibt, über die Sie Ihre Kunden informieren sollten.

Fakt 1 - DIN Norm legt fest, was barrierefrei bedeutet
Unter welchen technischen Voraussetzungen eine Wohnung barrierefrei ist, regelt für Neubauten die DIN 18040-2 (Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 2: Wohnungen). Dabei wird unterschieden zwischen barrierefrei nutzbaren Wohnungen einerseits und barrierefrei und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbaren Wohnungen andererseits. Berücksichtigt werden die Bedürfnisse von Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung oder motorischen Einschränkungen sowie von Personen, die Mobilitätshilfen und Rollstühle benutzen. Auch für andere Personengruppen, wie zum Beispiel groß- und kleinwüchsige Personen, solche mit kognitiven Einschränkungen, ältere Menschen oder Kinder führen einige Anforderungen dieser Norm zu einer Nutzungserleichterung. Auf die Einbeziehung Betroffener und die Umsetzung ihrer Erfahrungen in bauliche Anforderungen wurde besonderer Wert gelegt. (Quelle: Beuth Verlag)

Fakt 2 - Der Bedarf ist gewaltig
Das Kuratorium Deutsche Altenhilfe (KDA) hat versucht, die Zahl der weitgehend barrierefreien Wohnungen in Deutschland sowie den aktuellen Bedarf zu quantifizieren. "Weitgehend" bedeutet: Nicht mehr als drei Stufen zum Eingang (ohne technische Hilfen zur Überwindung der Barrieren), keine Stufen innerhalb der Wohnung (ebenfalls keine technischen Hilfen), ausreichende Bewegungsflächen und Türbreiten im Sanitärbereich sowie das Vorhandensein einer bodengleichen Dusche.

Gemäß dieser Definition kommt das KDA auf Basis von Zahlenmaterial aus den Jahren 2011 und 2012 auf gut 1,4 Mio. Wohneinheiten, die als weitgehend barrierefrei bezeichnet werden können. Demgegenüber liege der Bedarf bei rund 2,5 Mio. - allein für ältere Menschen. Daraus ergibt sich eine Versorgungslücke von etwa 1,1 Mio. Wohnung. Und diese dürfte sogar noch größer sein, denn nicht in jeder barrierefreien Wohnung wohnen ältere Menschen. (KDA, Wohnatlas 2014)

Schon jetzt kann der Bedarf nicht gedeckt werden, aber in Zukunft wird er noch steigen. Zwar geht das Statistische Bundesamt derzeit von einem Rückgang der Bevölkerungszahl in Deutschland bis 2060 von aktuell rund 81 Mio. auf etwa 67 bis 73 Mio. Einwohner aus (Destatis, Bevölkerungsvorausberechnung 2015). Aber gleichzeitig könnte der Anteil der über 65-Jährigen deutlich steigen, von einem Fünftel der Bevölkerung im Jahr 2013 auf etwa ein Drittel im Jahr 2060. Bei konservativer Rechnung sind das 24 Mio. - statt der aktuell 21 Mio.. Bei den über 80-Jährigen halten die Statistiker sogar eine Verdoppelung auf 9 Mio. für möglich.

Fakt 3 - Barrierefreies Bauen kommt nicht recht voran
Angesichts einer alternden Bevölkerung sollte man denken, dass Barrierefreiheit ein großes Thema in der Baubranche ist. Weit gefehlt, wie eine Umfrage des Marktforschungsinstitutes Bau Info Consult unter Architekten, Bauunternehmern und SHK-Installateuren (Sanitär, Heizung, Klima) belegt. Im Schnitt aller Befragten sind es 18 % des Auftragsvolumens, bei dem es um entsprechende (Um-)Baumaßnahmen geht. Gegenüber den Vorbefragungen 2010 und 2013 sei der Anteil der Projekte, bei denen Barrierefreiheit eine Rolle spielt, sogar geringfügig zurückgegangen.

2010 habe mit Blick auf derartige Baumaßnahmen noch Aufbruchsstimmung geherrscht, so Bau Info Consult. Damals gingen Planer und Ausführende davon aus, dass barrierefreies Bauen bis 2015 einen Anteil von 34 % haben würde. Die tatsächlichen 18 % haben eine ernüchternde Wirkung: Noch einmal nach einer Prognose für die nächsten fünf Jahre gefragt, ergab sich lediglich eine Erwartung von 25 %.

Im Neubau spiele Barrierefreiheit häufig keine Rolle. Jeweils um die 50 % der befragten Gruppen stellen fest, dass jüngere Bauherren diesem Aspekt überhaupt keine Beachtung schenken.

Dennoch sind bei Planern und Bauunternehmern zwei Drittel der barrierefreien Aufträge Neubauprojekte, bei den SHK-Installateuren immerhin 41 %. Dass im Bestand vergleichsweise wenig barrierefrei umgebaut werde, ist in sofern überraschend, als bislang nur ein geringer Teil der Wohnungen in Deutschland den Anforderungen an Barrierefreiheit entspricht.

Fakt 4 - Finanzielle Unterstützung kommt vom Staat und den Krankenkassen
Bei Neubauten auf Barrierefreiheit zu achten ist vergleichsweise einfach und preisgünstig. Problematisch und oft auch teuer wird es bei Umbauten bestehender Wohnungen. Die finanzielle Belastung lässt sich aber mit Zuschüssen und Darlehen reduzieren.

Private Eigentümer, die Wohnraum barrierereduziert umbauen oder umgebauten Wohnraum kaufen, unterstütz die KfW-Bank (www.kfw.de) mit bis zu 5.000 EUR je Wohneinheit über ihren "Investitionszuschuss - Altersgerecht Umbauen". Außerdem bietet sie Kredite bis zu 50.000 EUR für den gleichen Zweck an. Ähnliche Programme gibt es von den Bundesländern. So vergibt die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (www.isb.rlp.de) für entsprechende Umbauten Darlehen mit bis zu 60.000 EUR, bei der Investitionsbank Sachsen-Anhalt (www.ib-sachsen-anhalt.de) sind es maximal 50.000 EUR.

Liegt eine Pflegebedürftigkeit vor, bezuschussen die Pflegekassen notwendige Umbauten. Auch die gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungen stellen finanzielle Mittel zur Verfügung. Nach einem Arbeitsunfall kann es Geld von der Berufsgenossenschaft bzw. dem Unfallversicherer geben. Und sowohl Arbeitsagenturen als auch die Sozialämter verfügen über Mittel zur Förderung.

Außerdem lässt sich der barrierefreie Umbau von der Steuer absetzen - bei Selbstnutzern mit bis zu 100 %.

Fakt 5 - Haftung: Barrierefrei bedeutet schwellenfrei
Barrierefreiheit wird häufig mit Schwellenfreiheit gleichgesetzt: Weder Stufen noch Kanten erschweren Rollstuhlfahrern und gehbehinderten Menschen den Zugang zur Wohnung und ihren Räume oder machen ihn gar unmöglich. In der entsprechenden Norm heißt es dazu: "Untere Türanschläge und Schwellen sind unzulässig. Sind sie technisch unabdingbar, dürfen sie nicht höher als 2 cm sein." In der Praxis wurde die Einschränkung der technischen Unabdingbarkeit gerne genutzt, um entsprechende Schwellen zu rechtfertigen.

Die Firma Alumat-Frey, ein Hersteller von Lösungen für Türübergänge ganz ohne Schwellen, weißt in diesem Zusammenhang auf eine Stellungnahme vom zuständigen Arbeitsausschuss der DIN 18040 im Deutschen Institut für Normung hin: "Nur eine niveaugleiche, schwellenlose Ausbildung bei Außentüren, das heißt mit einer Schwellenhöhe von 0 cm ist barrierefrei" (siehe Fachzeitschrift "behinderte menschen", Ausgabe 4/5/2013). Der Bau von bis zu 2 cm hohen Türschwellen sei laut dieser Klarstellung nur ein Ausnahmefall, der sogar eine Begutachtung von einem Sachverständigen vor Ort erfordere.

Um den Bauverantwortlichen vor möglichen Schadensersatzansprüchen aufgrund einer Missachtung dieser Vorschriften zu bewahren, sollten Sie Ihre Kunden auf das Risiko hinweisen.

thomas.pfnorr@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 12/15 (Handwerk)