Junge Meister – Katalin Reichert, Parkettlegermeisterin

Der Meisterbrief ist Mehrwert


Selbständigkeit um jeden Preis - dafür brach Katalin Reichert ihre Lehre zur Parkettlegerin ab und startete 2003 als Einzelunternehmen ihren Betrieb "Bodenreich". Nach zehn Berufsjahren kam das Umdenken und sie krönte nun ihr Können mit dem Meistertitel. Ein Vorzug, den sie nicht mehr missen will.

Mit Freiheitsdrang und zu selbständiger Arbeit motiviert, brach Katalin Reichert ihre Lehre als Parkettlegerin nach einem Jahr ab. Die Regierung hatte den Meisterzwang zur Betriebsführung abgeschafft und die Chance eröffnet, sich selbständig zu machen. Das war der Startschuss für "Bodenreich", ursprünglich Boden Reichert. "Die Kunden zogen die beiden Worte meist zusammen und so entstand Bodenreich", erklärt die junge Meisterin. Als Dienstleistung bot sie Parkettschleifen sowie Verlegen von Fertigparkett und Laminat an. In München gab es genügend Arbeit, und zufriedene Kunden hatten die junge Parkettlegerin gerne weiterempfohlen. Das Geld, das sie verdiente, investierte sie sofort in Ausrüstung und Maschinen. Keine Bank, sondern ihre eigene Arbeitskraft war ihr Kapitalgeber. Darauf ist sie besonders stolz: Alles was sie hat, hat sie sich selbst geschaffen.

Warum nach zehn Jahren der Sinneswandel ?

Sie wollte sich von Wettbewerbern abheben, gibt sie zu. Inzwischen sind viele Handwerker und Hausmeisterservice-Unternehmen in dieser Sparte tätig. Außerdem hatte sie inzwischen das Kapital, sich den Meisterkurs leisten zu können. Als in Bamberg dann ein Meisterkurs in Teilzeit am Wochenende angeboten wurde, startete Katalin Reichert mit einer Ausnahmegenehmigung. Durch ihre langjährige Berufstätigkeit als Parkettlegerin und die Feststellungsprüfung hatte sie die fachlichen Kenntnisse zur Teilnahme am Meisterkurs nachgewiesen. Teil Drei und Vier konnte sie in München absolvieren. Für die Teile Eins und Zwei fuhr sie jedoch im Herbst und Winter jedes zweite Wochenende nach Bamberg. Trotz der Strapazen, Familie, Beruf und Kurs unter einen Hut zu bringen, möchte sie die fachlichen und menschlichen Erfahrungen nicht mehr missen. "Wir waren eine tolle Truppe. Die Jungs liehen mir sogar ihre Säge als meine bei der Meisterprüfung kaputt ging," erzählt die junge Meisterin mit Begeisterung.

Was hat sich mit dem Meistertitel verändert ?

Das Selbstbewusstsein: Heute rede sie mit Kollegen auf Augenhöhe, ist Lieferanten im Wissen voraus oder stellt anspruchsvollere Fragen zu Produkten und Verfahren. Mit Pallmann hat sie nun auch einen zuverlässigen Lieferanten, der sich kümmert und zurückruft, lobt sie. Das hätte sie bei ihren früheren Lieferanten leider anders erlebt. Zusätzliches Wissen und Netzwerke sind ihr wichtig, daher ist sie der Innung München beigetreten. Auch bei der Pallmann-Marketingoffensive "Parkettprofi" ist sie jetzt Mitglied. Allerdings kann sie sich zu Seminaren nur kurzfristig anmelden, denn die Arbeit geht weiter vor. Das Wichtigste: Sie ist sich bei Aufträgen sicherer. Vermutlich erhalte sie deshalb jetzt auch interessantere Anfragen, wie die Verlegung eines Rautenmusters in einer Hotellobby. Der Einbau eines Flechtmusters in einer Privatwohnung war eine Herausforderung, die sie vorher nicht gewagt hätte.

Als Meister- und Innungsfachbetrieb firmiert sie nun unter Bodenreich-Reichert und hofft auf mehr solcher Aufträge, bei denen sie ihr zusätzliches Wissen einsetzen kann. An größeren Projekten arbeitet sie auch mal zusammen mit ihrem Mann Robert, ebenfalls selbständiger Parkettlegermeister. Objekte oder eine Tätigkeit als Subunternehmer lehnt sie jedoch aus Prinzip weiter ab. Meist erledigt sie Renovierungen für Wohnungsbauvereine und Privatkunden in München und Umgebung, wo sie den Unterboden selbst verlegen kann. Dabei genügt ein Helfer für die schweren Lasten. Für die Zukunft würde sie sich einen Betrieb mit fünf Mitarbeitern wünschen, sodass sie nicht permanent selbst auf der Baustelle sein muss und die Gelegenheit zur Fortbildung als Restauratorin oder Betriebswirtin im Handwerk wahrnehmen könnte.

Das Gefühl von Freiheit ist verlockend

In ihrer Freizeit, die allerdings sehr knapp ist, trainiert Katalin Reichert Kickboxen oder genießt den frischen Wind beim Wakeboarden* und Kiteboarden*. Seit einiger Zeit hat sie auch ihr Faible fürs Tauchen entdeckt. "Auf 30 Metern Tiefe ist man ganz auf sich gestellt", sagt sie. Das Gefühl, selbständig und frei zu sein, verleitete sie auch zu ihrem Berufsweg. Mit dem Abi in der Tasche suchte sie nach einem Beruf ohne Studium und außerhalb eines Büros, bei dem man sich rasch ohne Finanzmittel selbständig machen kann. Mit einer Liebe zum Werkstoff Holz und guten Kenntnissen im Parkettlegerhandwerk, die sie sich bei ihrem Vater erworben hatte, startete sie nach alter Handwerksordnung notgedrungen erst als Lehrling. Als sie sich mit Wegfall des Meisterzwangs ohne Abschluss selbständig machte, war ihr Fachlehrer in der Berufsschule Neustadt/Aisch etwas geschockt. German Kirschbaum riet ihr dringend, die Lehre zu beenden, doch damals war ihr das egal. Der Wunsch nach Selbstständigkeit und Freiheit war größer. Im Nachhinein erkennt sie, wie viel mehr man mit einer klassischen Ausbildung erreichen kann.

*Wakeboarden und Kiteboarden sind Wassersportarten, bei denen der Sportler auf einem Board steht und über die Wasserfläche gezogen wird. Bei Wakeboardern zieht ein Motorboot. Kiteborder lassen sich von einem Lenkdrachen ziehen.
aus Parkett Magazin 01/16 (Handwerk)