Kleiner Fehler – Großer Schaden

Zu kurzes Belegreifheizen – Kautschukbelag zeigte Beulen und Blasen

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um den Kautschukbelag in einer Schule, der Beulen und Blasen aufwies. Und um aufgewölbtes Parkett.

Ein Estrichleger erhielt den Auftrag, in einer Schule während der Sommerferien eine neue zementäre Estrichkonstruktion mit Fußbodenheizung einzubauen. Aufgrund der kurzen zur Verfügung stehenden Ausführungszeit einigte er sich mit dem Architekten auf den Einsatz eines Estrichtrocknungsbeschleunigers. Auf diese Weise konnte das Belegreifheizen bereits drei Tage nach dem Estricheinbau erfolgen. Die maximale Vorlauftemperatur des Heizungssystems von 50 °C wurde fünf Tage lang beibehalten. Fünf Wochen nach den Estricharbeiten führte der Bodenleger CM-Messungen in einem Klassenraum und einem Flur durch. Dabei ermittelte er 2,5 und 2,7 CM-% bei einer relativ gleichmäßigen Estrichschichtdicke von ungefähr 60 mm. Die erhöhten Feuchtigkeitswerte teilte er dem Bauleiter mit, der ihm ein technisches Datenblatt des Trocknungsbeschleunigers entgegenhielt, das die Verlegung der Bodenbeläge bis zu einem Feuchtegehalt von maximal 2,7CM-% erlaubt. Daraufhin verlegte der Bodenleger den Kautschukbelag und das Parkett ohne weitere Bedenkenanmeldung.

Die Fußbodenflächen wurden mangelfrei ab- und in Nutzung genommen. Mit Beginn der Heizperiode zeigten sich zunächst kleine und später größere, teils längliche Beulen und Blasen im Kautschukbelag. Zu einem späteren Zeitpunkt kamen Aufwölbungen in der Stabparkettfläche hinzu, sodass der Sachverständige mit einer gutachterlichen Überprüfung beauftragt wurde.


Schaden - Hochstehendes Parkett, deutliche Beulen im Kautschuk

Der Sachverständige führte Anfang Dezember Prüfmaßnahmen in der Schule durch. Das Parkett wies wandangrenzend Aufwölbungen auf, hatte sich regelrecht vom Untergrund abgelöst und stand hoch. Der Kautschukbelag zeigte an mehreren Stellen Belagsablösungen in länglicher Form, genauso teils handgroße, teils sogar quadratmetergroße Beulen.

Beim Ablösen des Kautschukbelags erwies sich der verwendete Dispersionsklebstoff als weich. Er löste sich in den Prüfbereichen einschließlich der anhaftenden Spachtelmasse ab, wobei an deren Rückseite ein farbiger Vorstrich erkennbar war. Im Ergebnis lag ein glatter Adhäsionsbruch zur zementären Estrichoberfläche vor.

Der Sachverständige führte vor Ort CM-Messungen durch und ermittelte Feuchtigkeitsgehalte von 2,4 und 2,5 CM-%, die deutlich über dem normativ maximal zulässigen Restfeuchtegehalt von 1,8 CM-% lagen, allerdings unterhalb des vom Hersteller des Trocknungsbeschleunigers genannten Wertes von 2,7 CM-%. An einer vor Ort entnommenen größeren Estrichprobe führte der Sachverständige Darrprüfungen durch, die bei Restfeuchtegehalten von 3,6 bis 3,9 Gew.-% das bereits im Rahmen der CM-Messung ermittelte erhöhte Restfeuchtigkeitspotenzial bestätigten.

An einem weiteren Teilstück erfolgte in Zusammenarbeit mit einem externen Prüfinstitut die Ermittlung der Ausgleichsfeuchte nach DIN 50014-23/50-2, wobei ein CM-Restfeuchtegehalt von 2,6CM-% ermittelt wurde. Nach dem Erreichen der Ausgleichsfeuchte zeigte sich ein CM-Feuchtegehalt von 1,1 CM-%, der der Ausgleichsfeuchte einer konventionell üblichen Estrichkonstruktion entsprach. Bestätigt wurden diese Messergebnisse durch weitere gravimetrische Feuchtigkeitsbestimmungen und der im Rahmen dieser Messungen ermittelten Ausgleichsfeuchte von 2,4 Gew.-%.


Ursache und Verantwortlichkeit - Zu hohe Restfeuchtigkeit, mehrere Schuldige

Die Ursache der im Bauvorhaben entstandenen Fußbodenschäden war die zu hohe Restfeuchtigkeit des Estrichs. Diese hat den Dispersionskleber beschädigt und die Grundierung aufgequollen. Die Folgen waren Belagsablösungen infolge der Frequentierung und thermische Längenänderungen des Kautschukbelags.

Für die Beantwortung der Frage nach der technischen Verantwortlichkeit zog der Sachverständige die Vorgaben von DIN 18365 Bodenbelagarbeiten, die Parkettnorm und die Estrichnorm heran. Danach hätte die Belagsverlegung bei einem Restfeuchtegehalt von 2,4 und 2,5 CM-% nicht erfolgen dürfen. Der Bodenleger hätte Bedenken anmelden müssen, was gemäß den Vorgaben von DIN 1961 VOB Teil B bzw. DIN 18365 in schriftlicher Form erforderlich ist.

Die technische Verantwortlichkeit sieht der Sachverständige jedoch weit gefächert: Der gelieferte Estrichbeschleuniger hat nicht der zugesicherten Eigenschaft des Herstellers entsprochen. Die Prüfmaßnahmen ergaben, dass der Estrich nach Verlegung im Vergleich zu einem üblichen konventionellen Estrich anstatt maximal etwa 1 CM-% nahezu 1,7 CM-% überschüssige Feuchtigkeit nach oben abgeben konnte. Dies führt zwangsläufig zu Schäden, da den Regeln des Fachs entsprechend die Bodenbelagskonstruktion beim Erreichen der normativen Belegreifwerte in der Lage ist, überschüssige Feuchtigkeit bis zu rund 1 CM-% schadensfrei zu kompensieren. Im Gutachten wurde zum Ausdruck gebracht, dass der Trocknungsbeschleuniger nicht funktioniert hat.

Weiter hat der Sachverständige erklärt, dass es problematisch ist, einen 60 mm dicken Zementestrich, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an einzelnen Stellen 70 und 75 mm dick ist, durch Beheizen bei maximaler Vorlauftemperatur von rund fünf Tagen ausreichend trocken zu heizen. Diese nicht ausreichende Zeitdauer wurde ebenfalls vom Hersteller des Estrichbeschleunigers genannt.

Außerdem hätte vor dem Belegreif- ein Funktionsheizen erfolgen müssen, was nicht geschah. In der Schnittstellenkoordination heißt es, dass bei zementären Estrichen die Beheizung bei maximaler Vorlauftemperatur in der Regel zehn Tage lang durchzuführen ist, eventuell unter Berücksichtigung von Feuchtigkeitszwischenprüfungen auch länger.

Für den Fall, dass zwischen der Belagsverlegung und dem Belegreifheizen mehr als sieben Tage liegen, muss ein weiteres Beheizen bei maximaler Vorlauftemperatur über mindestens zwei Tage erfolgen. Hintergrund ist die erneute und unvermeidbare Feuchtigkeitsaufnahme des Estrichs. Diese Vorschrift aus der Schnittstellenkoordination wurde ebenfalls missachtet und fällt in den Verantwortungsbereich der Bauleitung.

Der entscheidende Faktor ist jedoch die unmittelbar vor Verlegung durchzuführende CM-Feuchtigkeitsmessung durch den Bodenleger. Er hätte schriftlich Bedenken anmelden müssen. Da sein Vertragspartner allein der Bauherr oder der bevollmächtigte Architekt oder Bauleiter ist, hätte er eine Freistellungserklärung schriftlich anfordern müssen. Nur so hätte er die Verlegung bei zu hoher Restfeuchte durchführen dürfen.

Im Bauvorhaben wurden in der Folge Neuverlegungen sowohl des Parketts als auch des Kautschukbelags erforderlich. Das erneute Belegreifheizen erfolgte so lange, bis der Restfeuchtegehalt des Estrichs von 1,8 CM-% erreicht war.

Fazit:

In einem solchen Fall von überhöhter Estrichrestfeuchte führt an einer Bedenkenanmeldung für Parkett- und Bodenleger kein Weg vorbei. Es ist grundsätzlich nicht ausreichend, sich auf mündliche Aussagen von Bauleitern oder Produktdatenblättern zu verlassen. Das Vertragsverhältnis besteht in der Regel einzig und allein zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, also zwischen Bauherr und Bodenleger.

Hat der Bauherr einen Estrich mit den zuvor beschriebenen zugesicherten Eigenschaften bestellt, so muss er dann, wenn vom Bodenleger eine Bedenkenanmeldung hinsichtlich erhöhter Feuchtigkeit eingeht, dem Bodenleger die Freigabe des Estrichs zur Verlegung bei höheren Feuchtigkeitswerten erteilen, was er jedoch nur dann kann, wenn ihm der Estrichleger eine Freistellungserklärung erteilt.

Mittlerweile gibt es, und dies ist empfehlenswert, Lieferanten von Trocknungsbeschleunigern, die diesbezüglich zumindest bei größeren Bauobjekten CM-Feuchtigkeitsmessungen vor Ort durchführen und eine verbindliche Freistellungserklärung formulieren. Diese gilt jedoch nur gegenüber dem Bauherrn und ist von diesem rechtsverbindlich an den Auftragnehmer weiterzugeben.

Ganz wichtig: Hat das Belegreifheizen länger als sieben Tage vor der Belagsverlegung stattgefunden, muss es nochmals zwei Tage lang bei maximaler Vorlauftemperatur wiederholt werden.


Helmut Becker der Autor
Fußboden-Gutachter Helmut Becker, öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge

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aus FussbodenTechnik 02/16 (Handwerk)