Podiumsdiskussion im Rahmen der Würzburger Holztage
Die Flüchtlingswelle und ihre Chancen für das Handwerk
Flüchtlingsthemen sind brandaktuell, Nachwuchssorgen im Handwerk ebenso. Wie gut die Chancen stehen, aus der Flüchtlingswelle Auszubildende fürs Handwerk zu rekrutieren, diskutierte Klaus Stolzenberger deshalb mit vier Gesprächspartnern auf dem Podium - und 120 Handwerkern im Plenum. Da viele Teilnehmer bereit wären, Flüchtlinge auszubilden, wurde interessiert diskutiert.
Die Podiumsdiskussion bestritten Bodo Ziegler, Inhaber von Floor-Concept in Höchberg, Mohammad Haidari Jome (22), 2013 aus dem Iran geflohen, seit September 2015 in Ausbildung zum Parkettleger bei Floor-Conzept, Gerold Stühler-Lenhard, Koordinator für Flüchtlingsfragen und Geschäftsführer der Handwerkskammer Service GmbH/Würzburg und Ralf Wollenberg, Vorstandsmitglied im Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik und Sprecher der Ausbildungsinitiative "Das ist Bodenhandwerk".
Wie kam es zu dem Ausbildungsverhältnis?Bodo Ziegler kennt einen Deutschlehrer für Flüchtlinge, der ihn nach Praktikumsplätzen fragte und den Kontakt mit HWK Service herstellte. Mohammad Haidari Jome war einer von drei Praktikanten, zwei befinden sich jetzt bei Floor-Concept in der Ausbildung. Mit 13 Jahren hat der Iraner in seiner Heimat bereits Fliesen gelegt und brachte damit Geschick und Vorkenntnisse mit. Für ihn ist es selbstverständlich, wenn er in ein Land kommt, die Sprache zu lernen. In Würzburg hatte er jeden zweiten Tag Deutsch-Unterricht und beherrscht die Sprache nach dreieinhalb Jahren so gut, dass er bereits für andere Flüchtlinge bei Arztbesuchen oder Behördengängen dolmetscht. Ihm standen damit auch mehrere Lehrstellen zur Auswahl.
Was gefällt ihm am Beruf des Parkettlegers?"Wenn wir kommen, liegt ein alter Boden. Wir räumen damit auf - und wenn wir fertig sind, liegt ein neuer, schöner Boden. Das gefällt den Kunden - und mir auch." Sein Ziel ist die Meisterprüfung. Dass er dies auch erreichen kann, bescheinigt ihm sein Ausbilder schon jetzt.
Wie ist die rechtliche Situation?Die rechtliche Unsicherheit ist aktuell ein Problem. Sobald das Herkunftsland als sicher erklärt wird, ergibt sich eine neue Rechtssituation für die Flüchtlinge und es droht ihnen die Abschiebung, noch bevor das Ausbildungsverhältnis beendet ist. Es gibt Zusicherungen und Absichtserklärungen, doch eine rechtsverbindliche Grundlage fehle, erläuterte Gerold Stühler-Lenhard. In Würzburg gäbe es jedoch eine klare Regelung seitens der Sozialverbände. Wer eine Ausbildung beginnt, fällt unter die sogenannte "3 plus 2"-Regelung. Das bedeutet: keine Abschiebung während der dreijährigen Ausbildung und den zwei folgenden Jahren des Beschäftigungsverhältnisses. Diese Regelung wird unter anderem von den Handwerkskammern und dem ZVPF auf politischer Ebene forciert.
Welche Voraussetzungen muss ein Flüchtling mitbringen, damit die Ausbildung Erfolg hat?1. Bildungsniveau: Aus Erfahrung der HWK-Service liegt ein Bildungsniveau meist vor.
2. Sprachniveau: Zum Erfolg sollte das Sprachniveau B1 vorhanden sein. Das bedeutet, die Alltagssprache im Kern sprechen und den Sinn erfassen zu können - bei Standardsprache, also keinem Dialekt.
3. Rahmenbedingungen: Es sollte die Möglichkeit bestehen, ungestört lernen zu können. Das ist in Massenunterkünften schwierig. Zudem sollte der Weg zur Berufsschule mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erledigen sein. Entlegene Regionen, die zudem stark dialektbehaftet sind, können weniger geeignet sein.
Stichwort: SprachkenntnisseDie Flüchtlinge kommen meist hoch motiviert ins Land und wollen lernen und arbeiten, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Mit zunehmender Verweildauer sinkt erfahrungsgemäß die Motivation. Daher ist eine schnelle Integration wichtig. Stühler-Lenhard erklärt, dass Bayern großen Wert auf die Erfüllung der Berufsschulpflicht lege. Junge Menschen würden deshalb in Berufsschulklassen integriert und dort in Deutsch unterrichtet. Bis Mitte 2016 soll es 1.200 Berufsschul-Integrationsklassen geben. Im ersten Jahr lernen die jungen Asylsuchenden die deutsche Sprache und verschiedene Ausbildungsberufe kennen. Im zweiten Jahr werden sie neben dem Deutschunterricht mit einem Kooperationspartner wie HWK-Service in ein betriebliches Praktikum vermittelt.
Wer vermittelt verfügbare Ausbildungslätze?Der Beauftragte für Flüchtlingsfragen empfahl, sich direkt an die Berufsschulen zu wenden. Sie kennen meist ausgewählte Flüchtlinge, bei denen nach zwei Jahren Schulzeit davon auszugehen ist, dass sie die wesentlichen Voraussetzungen wie Ausbildungsreife und Sprachniveau erreicht haben. Alternativ könne auch die HWK weiterhelfen.
aus
Parkett Magazin 03/16
(Handwerk)