Was macht aus Handwerkern zufriedene Kunden?


Die Studie "Der Vertrieb im Fachhandwerk 2020+" geht der Frage nach, was Handwerker von ihren Lieferanten aus Großhandel und Industrie erwarten - und wie diese darauf reagieren sollten. Wir fassen die Ergebnisse zusammen.

Insgesamt 500 Fachhandwerker - darunter Bodenleger, Maler, Tapezierer und Stuckateure - hat die Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner gefragt: Welche Veränderungen nehmen Sie in Ihrem Umfeld wahr? Welche gegenwärtigen und zukünftigen Bedürfnisse leiten sich daraus ab? Wie kann die Industrie diese Bedürfnisse gezielt ansprechen? Die Auswertung der Antworten ist in der Studie "Der Vertrieb im Fachhandwerk 2020+. Gestaltungsfelder für die Bauzulieferindustrie" nachzulesen. Für unsere Branche lassen sich die Handlungsvorschläge auch auf den Großhandel anwenden. Wer die Probleme und Wünsche seiner Kunden kennt, kann sie heute und in Zukunft bedienen.

Veränderungen in vier Bereichen

Veränderungen nehmen die Befragten in vier separaten Feldern wahr: bei den Produkten, den Handelsstrukturen, den Auftraggebern/Endkunden sowie im Umfeld des Handwerks selbst.

1. Produkte: Die werden nach Einschätzung des Handwerks nicht nur zahlreicher, sondern auch komplexer, u.a. weil sie inzwischen vielfach in Systeme eingebunden sind. Die damit verbundene Herausforderung für die Verarbeiter erhöhe sich noch durch die Tatsache, dass gleichzeitig die Qualifikation des Personals abnimmt. Wer sich im Sortiment seiner Lieferanten nicht auskennt, kann seine Kunden nur unvollständig beraten. Er wird eher ihm bereits bekannte und einfache Produkte empfehlen, weil er deren Verarbeitung beherrscht, stellt die Studie fest.

2. Handelsstrukturen: Den fortgesetzten Konzentrationsprozess im Großhandel registrieren auch dessen Kunden aus dem Handwerk. Gleichzeitig gehen sie davon aus, dass zukünftig Online-Lösungen an Bedeutung gewinnen werden und sich durch die Digitalisierung die Vertriebsprozesse stark verändern dürften. Der klassische dreistufige Vertrieb über den Großhandel wird dadurch teilweise infrage gestellt.

3. Auftraggeber/Endkunde: Die Kunden der Handwerker sind heute nicht zuletzt durch das Internet besser informiert als früher. Das gilt für Produkte und deren Eigenschaften, woraus sich schon im Vorfeld sehr konkrete Vorstellungen für die Umsetzung des jeweiligen Auftrags ergeben. Das gilt aber auch für den Preis, den ein Produkt oder eine Leistung kosten darf. Gleichzeitig steige die Erwartungshaltung hinsichtlich Beratung und Ausführung, meinen die Befragten.

4. Umfeld des Handwerks: Fehlender Nachwuchs und mangelnde Qualifikation (siehe oben) beklagten 80 % in der Umfrage in unterschiedlicher Ausprägung. Zudem wurde festgestellt, dass die aktive Selbstvermarktung und die Differenzierung zur Konkurrenz an Bedeutung gewonnen haben. Das fällt umso schwieriger, je weniger komplex die Tätigkeiten sind, die das jeweilige Gewerk ausführt. Die Abgrenzung gegenüber anderen Gewerken scheint in der Wahrnehmung der Befragten noch vergleichsweise gut zu funktionieren, auch weil die jeweiligen Anforderungen steigen.

Bedürfnisse erfüllen als Pflicht und als Kür

Aus den Veränderungen entstehen Bedürfnisse, welche die Handwerker an die Industrie/den Großhandel haben. Von ihren Lieferanten erhoffen sie sich Hilfe bei der Bewältigung der Probleme und Herausforderungen, die sich aus den veränderten Gegebenheiten entwickeln. Die Studie differenziert hier nach Faktoren, welche die grundlegenden Anforderungen an eine Geschäftsbeziehung mit dem Fachhandwerker erfüllen (Pflicht-Faktoren, in der Studie Hygienefaktoren genannt), und solchen, die darüber hinaus gehen, mit denen sich ein Lieferant differenzieren und den Handwerker an sich binden kann (Kür-Faktoren, in der Studie als Begeisterungsfaktoren bezeichnet).

Die Pflicht besteht aus:
-kompetenten Mitarbeitern im Außendienst,
-dem Angebot produktbezogener Schulungen,
-technischer Hilfestellung per Telefon/Hotline,
-effizienter Bereitstellung von Produkt- und Systeminformationen.

Was selbstverständlich klingt, ist es in der Wahrnehmung der befragten Handwerker keineswegs. Sie beklagen etwa, dass bei einem Drittel ihrer Lieferanten die technische Hilfestellung via Hotline und die anwendungstechnische Unterstützung verbesserungswürdig seien - egal, ob es sich um schlechte Erreichbarkeit oder die mangelhafte Qualität der Auskünfte handelt. Die größte Bedeutung kommt dabei den Ansprechpartnern zu, am Telefon, in der Großhandelsfiliale, im Außendienst. Auch hier erfüllen die Lieferanten die Erwartungen hinsichtlich der Kompetenz nur zu zwei Dritteln.

Beim Thema Logistik sind die Werte noch schlechter. Bei baustellengerechter Kommissionierung von Lieferungen sowie der kurzfristigen Warenversorgung auf der Baustelle ist noch Luft nach oben. Die Autoren weisen in diesem Zusammenhang auf die steigende Zahl der werkstattlosen Handwerker/mobilen Generalisten hin. Weil die über kein eigenes Lager mehr verfügen, seien hier neue Konzepte vonnöten.

Als Kür-Faktoren benennt die Studie:
-Aufbau einer Beziehung zwischen Hersteller und Fachhandwerker - echte Partnerschaft,
-Unterstützung bei der Bewältigung der Anforderungen aus dem Umfeld,
-Differenzierung durch echte Mehrwertleistungen für den Fachhandwerker,
-intelligente Abbildung der Digitalisierung,
-Lösungen für das Problem der abnehmenden Qualifikation auf der Baustelle.

Wobei Digitalisierung auf der Baustelle schnell von der Kür zur Pflicht werden könnte. Ein Stichwort hierzu lautet Building Information Modeling, kurz: BIM. Gemeint ist die Digitalisierung des gesamten Planungs- und Bauprozesses. In Großbritannien ist BIM seit Anfang 2016 Teil der Ausschreibungen öffentlicher Aufträge. In Deutschland soll es 2020 zumindest bei infrastrukturbezogenen Hochbauprojekten der öffentlichen Hand soweit sein. Wer dort zum Zuge kommen möchte, muss sich vorbereiten. Und das geht eben nur, wenn alle Beteiligten vom Hersteller bis zum Handwerker zusammenarbeiten.

Bis es soweit ist, können sich die Lieferanten auch heute schon etwa über Apps, Online-Schulungen oder die Möglichkeit zur Konfiguration von Produkten und deren Bestellung über das Internet bei ihren Handwerkerkunden profilieren. "Gerade vor dem Hintergrund des vielzitierten Generationenwechsels im Handwerk wird sich die Einstellung und Erwartungshaltung in diesem Themenfeld weiter dynamisch entwickeln und die Nachfrage nach digitalen Lösungen zunehmen", so die Überzeugung der Unternehmensberater.

Von traditionell bis innovativ

Welcher Handwerker welche Bedürfnisse hat, hängt auch damit zusammen, was für ein Typ er ist. Die Studie unterscheidet dabei in den konservativen Traditionshandwerker, den flexiblen Kleinunternehmer und die innovativen Jungen. Ihnen werden jeweils unterschiedliche Charakteristika zugewiesen, woraus sich spezifische Pflicht- und Kürfaktoren ableiten lassen (siehe Tabelle unten). Neben der Unterscheidung nach Gewerken sieht man bei Dr. Wieselhuber & Partner hier das wesentliche Kriterium für die Ausarbeitung gezielter Unterstützung für den jeweiligen Kunden.

Was und in welchem Umfang man dem einzelnen Handwerksbetrieb schließlich an Unterstützung anbietet, kann vom kompetenten Ansprechpartner (Pflicht) bis zur Bildung von Netzwerken oder dem Angebot eines Kundenclubs (Kür) reichen. Aber Achtung: Nur was dem Handwerker einen erkennbaren Nutzen verspricht, also seine Bedürfnisse adressiert, ist dauerhaft effektiv und effizient im Vertrieb zu realisieren. Und weil das Handwerk zwar eine wichtige, aber in der Regel nicht die einzige Zielgruppe ist, gilt es außerdem, deren Betreuung mit der anderer Zielgruppen zu verknüpfen.
thomas.pfnorr@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 09/16 (Handel)