Privates Tapetenmuseum lädt zur Zeitreise ein
"Wandliebe" nennt sich das private Tapetenmuseum von Marianne Stumpf. Es befindet sich unter einem Dach mit dem gleichnamigen Tapetenladen in der Celler Altstadt.
Tapete ist nicht nur schnöde Wandbekleidung. Im Gegenteil, sie kann echte Kunst sein. Zahlreiche namhafte Künstler, aber auch Designer und Architekten haben sie bereits entworfen. Wie sich die Tapete im Lauf der Zeit entwickelt hat, zeigt ein kürzlich eröffnetes privates Museum für Tapetenkunst. Es nennt sich "Wandliebe" - wie der Tapetenladen, mit dem es sich ein Fachwerkgebäude in der Celler Altstadt direkt an der historischen Stadtmauer teilt. Geführt wird das liebevoll eingerichtete Museum von Marianne Stumpf, die gemeinsam mit ihrem Mann Heiner das Fachgeschäft für kreative Wohngestaltung betreibt.
Klein, aber fein ist die Sammlung von Tapeten, Tapetenbüchern und Fachliteratur, die die Museumsleiterin über Jahrzehnte hinweg zusammengetragen hat. Sie legt Wert darauf, keine Konkurrenz für das Tapetenmuseum in Kassel zu sein, das vorübergehend geschlossen ist. Dieses sei doch deutlich größer. Dennoch geben die Exponate, die die Cellerin bei Antiquitätenhändlern und Auktionen erstanden oder von Privatleuten bekommen hat, einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Tapete.
Deutsche Tapetengeschichte beginnt 1515
Diese begann in Deutschland 1515 mit einer dem Maler Albrecht Dürer zugeschriebenen Holzschnittform. Das Satyrmotiv wurde auf handgeschöpftem Papier gedruckt und stückweise zusammengesetzt. Eine Replik davon hängt eingerahmt im Museum Wandliebe. Original ist dagegen ein Stück vergoldete Ledertapete mit Blumenmuster aus dem 18. Jahrhundert, Marianne Stumpfs ganzer Stolz. Ein echtes Highlight ist auch ein gravierter Holzblock, den die 1797 gegründete Tapetenfabrik Zuber für die Herstellung ihrer bis zu 30 m langen Panoramaszenerien verwendete. Die Holzmodeln von Zuber stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert.
Liebevoll zeigt Marianne Stumpf beim Rundgang durch die Ausstellung auf eine Tapete aus der ersten, 1928 erschienenen Bauhaus-Kollektion mit 14 Mustern in drei Farbnuancen. Später kamen Effekte, Streifen, Farben und Strukturen dazu. Wer mehr darüber wissen will, darf gerne in dem wertvollen Band "Das Staatliche Bauhaus in Weimar 1919 bis 1923" blättern.
Selbst die schrillen, bunten Pop-Art-Entwürfe von Künstlern wie Niki de Saint Phalle und ihrem Lebensgeführten Jean Tinguely sowie Otmar Alt und Werner Berges aus den 1970er Jahren sind in dem kleinen Museum mit einer Ausstellungsfläche von rund 130 m
2 über zwei Ebenen zu sehen. Darauf tummeln sich Nana-Figuren, Autos, Schwimmbrillen und Blumen.
Weniger ausgefallen, aber sehr elegant gibt sich die Kollektion des Modeschöpfers Karl Lagerfeld, die er 1993 für A.S. Création entworfen hat. Später beschäftigten sich Designer und Architekten wie Ulf Moritz, Hadi Teherani, Luigi Colani, Pierro Fornassetti und Zaha Hadid mit dem Wandbelag. Eine neue Kollektion der kürzlich verstorbenen iranischen Architektin bringt die Marburger Tapetenfabrik zur Heimtextil im kommenden Jahr auf den Markt.
Aber nicht nur bekannte Tapeten, die Geschichte geschrieben haben, stellt Marianne Stumpf aus. Die Inneneinrichterin präsentiert auch Schätze aus der näheren Umgebung, darunter ein handbemaltes Exemplar aus Jute. Es war vor einer Renovierung bereits in einem Mülleimer gelandet. Der Besitzer entdeckte die Tapete aber noch rechtzeitig und brachte sie als Exponat ins Museum.
Spannende Geschichten rund um Wandbeläge
Es sind nicht nur die Zeugnisse der Vergangenheit, die den Besuch der Ausstellung zu einem Erlebnis machen. Dazu trägt vor allem die Sachkenntnis der Museumsleiterin bei, die zu jedem Exponat eine spannende Geschichte zu erzählen weiß. Mit großer Leidenschaft nimmt sie die Besucher bei kostenfreiem Eintritt mit auf eine kurzweilige Zeitreise, in der sie alles Wissenswerte über die Tapete erzählt. Die endet im zweiten Stock des Museums, in dem unter anderem Tapeten-Collagen ihres Ehemannes Heiner die Wände zieren. Inspiriert wurde er von Pablo Picasso, der alte Tapeten auf Leinwand geklebt hatte. Abgerundet wird die Ausstellung mit Puppen und Marionetten der 2005 verstorbenen Künstlerin Kea Tute und außergewöhnlichen Stühlen, die das Ehepaar Stumpf ebenfalls sammelt.
"Mit dem Museum will ich das Interesse an der Tapete wecken", beschreibt die Leiterin ihr Ziel und verspricht, ihrer Sammelleidenschaft auch weiterhin nachzugehen. Nebenbei zeigen sie und ihr Mann im Fachgeschäft "Wandliebe - Der Tapetenladen" in geschmackvollem Ambiente die Vielfalt der modernen Tapete. Das Unternehmen war vor 81 Jahren von Heiner Stumpfs Eltern gegründet worden. Heute ist es eine Galerie für Tapeten, Bilder, Bücher und Skulpturen, in der die Wandbeläge in hochwertiger Umgebung präsentiert werden.
cornelia.kuesel@snfachpresse.de
aus
BTH Heimtex 10/16
(Tapeten, Wandbeschichtungen)