Aktuelle Trends am Point of Sale
Service, regionale Präsenz, Beratung und Kundennähe sind die Stärken des stationären Fachhandels. Mit emotionaler -Warenpräsentation und hochwertiger Ausstattung kann er auch in Zukunft bestehen, meint der Marketingexperte Prof. Dr. Michael Bernecker. Beobachtet man die aktuelle Diskussion in den Medien, so kommt man gelegentlich zu dem Eindruck, dass Kunden nur noch im Internet kaufen und der stationäre Handel gerade im Bereich Wohnen und Bauen nicht mehr existent ist. Doch die Realität sieht anders aus. Der stationäre Händler - und hier insbesondere die Fachhändler - ist noch immer der wesentliche und treibende Player im Einzelhandel. Innovationskraft, regionale Marktabdeckung und kontinuierliche Entwicklung von neuen Warensortimenten würden ohne den stationären Handel gar nicht funktionieren.
Der E-Commerce hat bisher in Deutschland mit seinen aktuell 11,7 % Marktanteil im Wesentlichen den Versandhandel verdrängt. Allerdings sind die Marktzuwächse weiterhin in einem so großen Maße zu beobachten, dass diese Herausforderung für den stationären Handel nicht zu ignorieren ist. Eine Besinnung auf die Stärken des stationären Point of Sale ist daher notwendig und zielführend.
Der PoS bietet viele Möglichkeiten
In den letzten Jahren konnten wir einige Trends beobachten, die - wenn sie sinnvoll und in Maßen genutzt wurden - zu einer Stärkung des stationären PoS im Einzelhandel geführt haben:
Social+Local+Mobile = SOLOMO - Auch wenn dieser Trend zunächst als Bedrohung verstanden wurde, so konnte man doch Vorteile für den stationären PoS generieren. Mit der gestiegenen Durchdringung der deutschen Bevölkerung mit Mobiltelefonen und dem rasanten Anstieg der Nutzung von Sozialen Netzwerken wie Facebook und Whatsapp hat auch die Nutzung im lokalen Umfeld zugenommen. Wenn Kunden sich über ein regionales Angebot informieren, dann haben sie immer häufiger ihr Smartphone im Einsatz und suchen Informationen wie Öffnungszeiten, Warenverfügbarkeiten und preislich attraktive Angebote. Dies kann der stationäre Handel mithilfe verschiedenster Ansätze nutzen und so eine Verknüpfung der Online-Welt mit der Offline-Welt sicherstellen.
QR Codes - War in den letzten Jahren noch der QR Code der angebliche Trend der Zukunft, um Smartphonenutzer auf das eigene Angebot zu führen, so muss man leider feststellen, dass er in Deutschland schon wieder zu Ende war, bevor er überhaupt angefangen hat. Die schlechten Nutzerergebnisse haben gezeigt, dass der Einsatz von QR Codes nicht zielführend ist - kurz gesagt: QR Codes kann man sich sparen.
360° Bilder - 360° Bilder sind im Gegensatz zu den QR Codes gerade in. Mithilfe moderner Kameras und dem Dienst von Google lassen sich interessante Bilder machen, die mittels Softwarelösungen verknüpft werden, sodass virtuelle Rundgänge entstehen. Damit wird der stationäre Einzelhandel für Online-User interessant gemacht. Der Kunde kann sich insbesondere beim Fachhändler schon einmal einen Überblick verschaffen, um Fragen zu klären wie: Wie groß ist der Fachhandel? Lohnt es sich, dorthin zu fahren? Welche Marken führt der Händler? 360° Bilder senken die Hemmschwelle, gerade wenn es darum geht, für Einrichtungsgegenstände zum Fachhändler zu kommen. Google Streetview für den Handel.
Trend- und Designorientierung - Langweilige Kissenstapel sind out. Im Wettbewerb mit den Onlineshops, die freigestellte Produktbilder zeigen und keinen Raum für Emotionen bieten, haben klassische stationäre Händler immer noch einen Wettbewerbsvorteil, den sie auch nutzen sollten. Sie können Trendware in Wohnsituationen darstellen, Lebensräume statt Kissenstapel zeigen. Mit ein wenig Händchen entstehen Wohlfühlzonen, die zum Kauf animieren und den direkten Vergleich mit einem Billigangebot auf Ebay oder Amazon in den Hintergrund rücken lassen.
Hochwertige Ausstattung - Bei der Neueinrichtung von Flächen steigt der durchschnittliche Quadratmeterpreis. Regale, Sitzmöbel und Beleuchtung werden hochwertiger. Designorientierung ist Standard und Materialien mit einer edlen Anmutung unterstützen die Entwicklung hin zum hochwertigen Verkaufen. Hölzerne Regale sorgen einfach für mehr Inspiration und fördern den Kauf von hochwertigen Produkten. Gleichzeitig investieren moderne Händler mittlerweile mehr in Beleuchtungskonzepte - es wird hell im Fachhandel.
Omnichannel lebt - Am Point of Sale werden immer häufiger digitale Lösungen wie Tabletts und Terminals eingesetzt. Gerade für Multichannel- und Omnichannel-Anbieter ist die Verknüpfung des Offline- mit dem Online-PoS ein wichtiger Schritt. Die Integration von Infosäulen, webbasierten Präsentationen, Displays und Infoterminals nimmt zu. Der Trend zum Hightouch spiegelt sich hier wider: High Tech + Emotional Touch am PoS. Nahezu jedes Gewerbe im Innenausbau setzt sich aktuell mit Raumkonfiguratoren auseinander. Schaffen Sie Raum für virtuelle Ausstellungen und Showrooms.
Personal Promotion - Promotions nehmen als Instrument des Trademarketings deutlich zu. Einige Zyniker behaupten sogar, dass der stationäre Handel in den letzten Jahren vergessen hätte, wie man verkauft. Deswegen würden Promotion-Teams der Industrie immer mehr zunehmen und über Flächenpartnerschaften und Incentivierung der Rausverkauf von bestimmten Produktsortimenten übernehmen. Aktives Verkaufen als Dienstleistung des Handels gewinnt wieder an Bedeutung. Denn "Herumschauen" kann der Kunde auch im Internet. Im Gegenteil: Er kommt häufig sehr gut vorinformiert an den PoS, möchte dort beraten werden, sich mit Fachpersonal austauschen, Kaufempfehlungen erhalten und Ware anfassen.
Empfehlungsmarketing - Empfehlungen sind in. Facebook, Google und Yelp sowie über 100 weitere Bewertungsportale laden dazu ein, Händler, Verkäufer und Produkte zu bewerten und zu empfehlen. Natürlich ist es nicht schön, wenn ein Kunde sich laut und öffentlich beschwert. Aber: Er macht dies in aller Regel nur, wenn er schlecht behandelt wurde. Seien wir ganz ehrlich, das würden wir auch so machen. Ein kompetenter Fachhändler, der Service und Kundenorientierung lebt, wird hier eine Möglichkeit haben, etwas für sich zu tun und Empfehlungen zu generieren. Wo würden Sie hingehen: Zu einem Händler, von dem man im Internet nichts findet, oder zu einem Händler, der 80 Sternebewertungen mit einem Durchschnitt von 4,8 hat?
Der Wettbewerb wird zunehmen
Der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Vertriebskanälen wird in den nächsten Jahren auch im Bereich Heimtextilien noch weiter zunehmen. Neben den Fachmärkten, Fachgeschäften, Sonderpostenmärkten und Warenhäusern werden Baumärkte sowie Lebensmittelhändler aufgrund der interessanten Margensituation die Warensortimente auch für Aktionsware oder Sonderaktionen weiter für sich entdecken. Ergänzt durch neue reine Pure Player im Online-Segment, die die entstehende Markttransparenz für sich nutzen und selbst in Asien Ware ordern können, wird in den großen Warengruppen der Verdrängungswettbewerb in den Einstiegspreislagen härter werden. Diese Frequenzbringer müssen mit differenzierenden Sortimenten ergänzt werden, um noch die notwendigen Flächenproduktivitäten zu erwirtschaften.
Gerade die Zielgruppe 50+ ist für den stationären PoS hier sehr interessant. Zum einen stiegt deren Ausgabenbereitschaft kontinuierlich an. Zum anderen ist die Nutzung des stationären PoS in dieser Zielgruppe noch stark verbreitet. Daher wird es hier essentiell wichtig, diese Konsumentengruppe durch Maßnahmen wie zum Beispiel Kundenkarten zu binden und regelmäßig zum PoS zurückzuführen. Wer in Zukunft Kundendaten zur Verfügung hat, wird gerade in der regionalen Verbreitung bestehen können.
Als Local Hero kann der regionale PoS mit seinen Kernwerten Service, regionaler Präsenz, Beratung und Kundennähe eine Differenzierung zum Basisversorger Internet werden. Wer die differenzierende Lösung und den Mehrwert nicht liefert, wird ums Überleben kämpfen und über kurz oder lang aus dem Markt gedrängt werden. Denn eines ist sicher: Weltweit gibt es immer einen oder mehrere Anbieter, die mit anderen Spielregeln und Voraussetzungen billig, gratis und umsonst anbieten können.
Professor Dr. Michael Bernecker
aus
BTH Heimtex 10/16
(Handel)