Gesprächsrunde zum Thema Meisterbrief

"Wir haben es im Handwerk bisher leider versäumt, aus dem Meisterbrief ein Qualitätssiegel zu machen."


Die CDU/CSU hat die Wiedereinführung der Meisterpflicht in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Ernstzunehmendes Signal - oder nur Wahlpropaganda? Sinkende Lehrlingszahlen und der Rückgang der Meisterbetriebe fordern zum Handeln auf. Der ZVPF hat die Initiative "Das ist Bodenhandwerk" ins Leben gerufen. Klaus Stolzenberger diskutierte das Thema Meisterbrief mit namhaften Experten.

Welchen Vorteil bietet der Meisterbrief ?

Gerhard Gerhäuserv: Neben qualitativer Ausbildung bringt die Meisterpflicht auch Imagevorteile für das Handwerk. Das ist gesellschaftspolitisch wichtig, wenn wir mehr Schüler für eine Ausbildung im Handwerk gewinnen wollen. Gerade für Jugendliche mit praktischen Stärken ist der Weg über die Ausbildung im Handwerk oft vorteilhafter. Mit dem Meisterbrief kann man immer noch ein Hochschulstudium anschließen. Die Meisterqualifikation ist mit dem Bachelor-Abschluss gleichgestellt. Eine Gleichstellung mit dem Master wie in Österreich im Gespräch, halte ich allerdings für nicht angebracht.

Udo Herrmann: Der Meistertitel ist ein Qualifikationsnachweis und damit auch gut für den Verbraucherschutz. Wir haben es im Handwerk bisher leider versäumt, aus dem Meisterbrief ein Qualitätssiegel zu machen. Das muss sich ändern. Allerdings sollten in den Meisterschulen auch Lehrinhalte wie Marketing, Mitarbeiterführung und Verkauf unterrichtet werden.

Die Politik hat sich leider zu wenig um das Handwerk gekümmert. So hat sich die Gesetzeslage in den letzten Jahren stark zu Ungunsten des Handwerkers entwickelt. Wir müssen uns verstärkt um unsere Kunden kümmern, wollen wir nicht das Feld Generalisten überlassen, die ganzheitliche Konzepte bieten.

Manfred Weber: Es gibt natürlich Unterschiede in den einzelnen Handwerkskammern und Meisterschulen. Wir in Köln haben als erste ein triales Studium angeboten. Das heißt ein Parkettlegermeister besucht parallel die Fachhochschule. Neu in Deutschland ist auch die Ausbildung zum Berufsschullehrer bei Prof. Dr. Andreas Rapp in Hannover. Hier sind neben regulären Studierenden auch Parkettleger mit Gesellenbrief zugelassen. Ihre Praxiserfahrungen zeichnen sie nach kurzer Zeit im Studium aus.

Aus Sicht des ZVPF fühlen wir uns bei der Wiedereinführung des Meisterzwangs vom Dachverband des Handwerks (ZDH) nicht unterstützt. Wir müssen daher unabhängig vom ZDH gewerkeübergreifend Wege suchen und die Themen angehen.

Ein Problem der Meisterausbildung ist, dass wir gute Absolventen oft an die Industrie verlieren. Eine Gleichstellung mit anderen Ausbildungsabschlüssen wie dem Master sehe ich nicht als entscheidendes Ziel. Wichtiger ist, möglichst viele gute Meister für das Handwerk auszubilden.

Welche Chancen bietet die Politik für unsere Branche ?

Herrmann: Leider sehe ich diese Aufnahme ins Wahlkampfprogramm nur als Strategie. Der Punkt wird bei Koalitionsverhandlungen schnell wieder gestrichen. Die Betriebe, die den Meistertitel haben, sollten ihn aber auf jeden Fall als Marketinginstrument nutzen und als Qualitätssiegel ausbauen.

Gerhäuser: Wir dürfen nicht vergessen, dass die Politik die Rahmenbedingungen schafft. Wir müssen auf die Politik einwirken und zusammenarbeiten. Nur mit Lobbyarbeit können wir dort etwas bewegen.

Weber: Nicht die Politik bewegt in Deutschland viel, sondern die Industrielobby. Problem ist, dass sich das Handwerk Lobbyarbeit nicht leisten kann. Damit bleibt die Macht ungleichmäßig verteilt. Ich hoffe dennoch, dass die politischen Parteien bei der Stange bleiben und aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben.
Über den Bestandsschutz bleiben die Betriebe ohne Meister erhalten. Als Sachverständiger plädiere ich unabhängig vom Meisterzwang für mehr Wissen im Handwerk. Wichtiger wäre mir, dass zur Selbstständigkeit überhaupt eine Ausbildung gefordert wird. Da genügt schon der Gesellenbrief.

Teilnehmer der Podiumsdiskussion:
Manfred Weber, stellvertretender ZVPF-Bundesinnungsmeister, selbstständiger Parkettlegermeister, Sachverständiger, Leiter des Meisterkurses Köln/Bonn, Udo Herrmann, selbstständiger Schreinermeister, Ausbilder, Referent und Buchautor, Gerhard Gerhäuser, Bauunternehmer, Mauermeister, Kreishandwerksmeister in Bad Windsheim, politisch engagiert.
aus Parkett Magazin 03/17 (Handwerk)