Decorative Surfaces Conference 2017 in Hamburg – Wandel im Dekormarkt ruft flexible Lösungen auf den Plan


177 Teilnehmer kamen zur diesjährigen Decorative Surfaces Conference nach Hamburg. In einem gelungenen Themenmix zu Marktentwicklungen, Designtrends und Herstellungstechnologien beherrschte erneut ein Thema die Agenda: Der Übergang des digitalen Dekordrucks von der Kleinserienfertigung zur industriellen Produktion.

Die Decorative Surfaces Conference hat einen festen Platz im Terminkalender der Oberflächenbeschichter. Vertreter aus der gesamten Wertschöpfungskette - aus der Chemie- und Maschinenbauindustrie ebenso wie Dekordrucker bis hin zu Bodenbelags- und Möbelproduzenten - treffen sich auf dem Event traditionell zum Netzwerken. In diesem Jahr hatte der österreichische Veranstalter Technical Converence Management (TCM) das Branchentreffen zum zweiten Mal nach Hamburg geholt. Von insgesamt 177 Teilnehmern kamen die meisten aus Deutschland und dem europäischen Ausland. Auf dem Programm standen an beiden Konferenztagen Themen rund um neue, digitale Herstellungstechnologien und Designtrends, mehrere Vorträge boten zudem Einblick in aktuelle Entwicklungen der Märkte.

MDF/HDF-Marktvolumen steigt
bis 2020 auf 128 Mio. m3

Tomi Hartikainen von Pöyry Management Consulting stellte einige beachtliche Zahlen aus einem aktuellen Report des international agierenden Beratungsunternehmens vor. Der Ende 2016 veröffentlichten Studie zufolge soll der weltweite Absatz an Spanplatten, MDF/HDF und Sperrholz bis zum Jahr 2020 ein Gesamtvolumen von rund 356 Mio. m3 erreichen. Angesichts des für 2015 erhobenen Weltmarktabsatzes von rund 306 Mio. m3 entspreche dies einem Plus von 16 %. Ebenso deutlich fällt das von den Marktforschern prognostizierte Marktwachstum für den reinen Teilbereich MDF/HDF aus: Ausgehend von 111 Mio. m3 im Jahr 2015 soll das Gesamtvolumen bis 2020 auf 128 Mio. m3 steigen. Auf die jeweiligen Märkte bezogen wird Asien seine führende Position in den kommenden Jahren laut Pöyry weiter ausbauen. Für Nordamerika und Osteuropa wird für die nächsten Jahre ebenfalls ein kontinuierliches Wachstum prognostiziert, und auch das zuletzt leicht rückläufige Westeuropa legt voraussichtlich wieder leicht zu.

Naci Güngör von dem türkischen Holzwerkstoff- und Laminatbodenhersteller Kastamonu Entegre, wartete mit Zahlen zur Laminatbodenproduktion auf. Er bezog sich dabei auf aktuelle Erhebungen von Papierhersteller Munksjö. Demnach wurden 2015 weltweit circa 960 Mio. m2 produziert. Die bedeutendsten Produzenten sind China (26 %) und Deutschland (25 %), gefolgt von der Türkei (10 %), den USA (9 %) und Russland (6 %). Danach folgen Belgien, Österreich und Polen (je 4 %). Laut Güngör würden in der Türkei aufgrund der von der Regierung verhängten Anti-Dumping-Zölle inzwischen keine Laminatböden aus chinesischer Produktion mehr eingeführt. Der zur Hayat Holding gehörende Branchenriese Kastamonu beansprucht für sich 6 % der weltweiten Produktion. In den insgesamt 16 Werken des Konzerns werden neben diversen anderen Holzwerkstoffprodukten wie MDF-Platten und Türen zurzeit jährlich rund 70 Mio. m2 Laminatboden produziert. Der Gesamtumsatz des Unternehmens wird auf 1 Mrd. EUR beziffert.

Dekordrucker forcieren
industrielle Inkjet-Produktion

Besonders stark vertreten waren dieses Jahr in Hamburg Vertreter führender Dekordrucker - und das sowohl im Auditorium als auch auf dem Podium. Der Grund für diese Präsenz dürfte in dem aktuellen Entwicklungsschub liegen, den eine neue Generation leistungsfähiger Single-Pass-Anlagen den Unternehmen zurzeit beschert: Während frühere Inkjet-Systeme über viele Jahre lediglich für Ausmusterungen und Kleinserien genutzt werden konnten, sprechen Anwender jetzt davon, an der Schwelle zur industriellen Digitaldruckproduktion angekommen zu sein. Zu verdanken ist dies vor allem dem Einsatz stabilerer und leistungsfähigerer Druckkopftechnologien, wasserbasierter Tinten sowie Papiersorten analog zum Tiefdruck. Hinzu kommt maschinenbauseitig die jetzt erstmals erreichte Produktion in voller Dekorbreite (2.250 mm).

Mit Dr. Andreas Dörfler von Impress und Robert Bierfreund von Interprint berichteten gleich zwei Geschäftsführer großer Branchenplayer von den jüngsten Fortschritten. Bei Interprint in Arnsberg ging bereits 2015 die weltweit erste KBA Rotajet mit einer Druckbreite von 1.680 mm und Leistungen bis zu 150 m/min in Betrieb. Inzwischen betreibt auch Impress im österreichischen St. Veit eine KBA Rotajet im Testbetrieb - allerdings mit der vollen Dekorbreite von 2.250 mm.

Dass mit diesen Installationen ein zuvor nicht gekanntes Produktionsniveau erreicht werden kann, verdeutlichte Dr. Andreas Dörfler: "Digitaldruck ist nichts neues, ich habe 25 Jahre Erfahrung damit - aber worüber wir hier sprechen ist industrieller Digitaldruck für den Dekormarkt." Die Vorzüge, die das Verfahren für flexible, individuelle Produktionen bietet, sind bekannt: Zeit- und Kosteneinsparungen durch den Wegfall von Zylindergravuren und Rüstzeiten, kurzfristige Designänderungen bzw. Produkteinführungen und wegfallende Rapport-Begrenzungen (Musterwiederholungen). Dörfler verwies aber auch auf den nicht zu unterschätzenden Aufwand bei der Umstellung aus das Produktionsverfahren: "Der digitale Dekordruck ist kein kostensparendes Projekt. Damit er sich amortisiert, gilt es Mehrwerte zu genieren." Außerdem markiere die Anschaffung einer Digitaldruckanlage lediglich den Startpunkt für die Ausrichtung des gesamten Betriebes auf die "digitale Denkweise".

Kleinvolumen sind eine
Service-Herausforderung

Mit der längeren Erfahrung des Erstanwenders in dieser Maschinenklasse bestätigte auch Robert Bierfreund die jüngsten Fortschritte: "Heute können wir wirklich Lösungen präsentieren." Bierfreund ging auf den Wandel im Markt ein, der geprägt ist von einer zunehmenden Dekorvielfalt und kürzere Lieferzyklen und daher möglichst flexible, schnelle Prozesse erfordert. Die möglichst rentable Produktion niedriger Volumen unterhalb 1 t gehöre in diesem Szenario zu den Service-Herausforderungen. "Ja, Digitaldruck ist die Lösung für die Anforderungen kleinvolumiger Märkte ", konstatierte Bierfreund, stellte aber auch klar, dass er "kein Ersatz für den Tiefdruck ist, sondern eine Ergänzung". Auch mit modernen Tiefdruckrotationen würden sich Dekorproduktionen immer effizienter betreiben lassen. Aus diesem Grund nimmt Interprint auch gerade eine neue Tiefdruckanlage von Rotodecor mit einer Jahreskapazität von 5.000 t in Betrieb - es ist immerhin die Achte im Heavy-Metall-Maschinenpark in Arnsberg.

Schließlich bezog in der Debatte um analog vs. digital ein Vertreter aus dem Maschinenbau eindeutige Position: "Die digitale Produktion ist wirtschaftlicher als die traditionelle. Wir glauben, dass Kosteneinsparungen von 5 bis 10 % pro m2 auf jeden Fall möglich sind", sagt Carsten Brinkmeyer, Head of Sales Digital Printing bei Hymmen. Dabei reichten die verschiedenen Vorteile, seien es Materialeinsparungen, Just-in-time-Belieferung oder eine erweiterte Produktpalette, von kleinen bis zu großen Volumina. Hymmens angestammtes Geschäft sind ursprünglich Maschinen für die Holzwerkstoffverarbeitung, seit 2008 werden aber auch Inkjet-Systeme entwickelt und gebaut. Eine Nische besetzt der Hersteller dabei mit seinem eigenen UV-Hybrid-Tintensystem (Hymmen Callisto). In der Holzwerkstoffindustrie können die Bielefelder auf mittlerweile 32 Single Pass-Installationen verweisen. Imke Laurinat
aus Parkett Magazin 04/17 (Bodenbeläge)