Rückgaberecht bei Onlinematratzen: Keine saubere Sache
Karlsruhe: Kann ein Verbraucher eine im Internet gekaufte Matratze auch dann zurückgeben, wenn er nach Erhalt der Ware eine Schutzfolie entfernt hat? Dieser Fall des Widerrufrechts liegt aktuell beim Bundesgerichtshof. Der Kläger wollte eine gelieferte Matratze zurückschicken, der Onlineshop verweigerte dies mit Verweis auf den Hygieneschutz.
Der Kläger hatte 2014 über die Internetseite eines Onlinehändlers eine Matratze der Marke Dormiente gekauft. Sie war bei Auslieferung an den Kläger mit einer Schutzfolie versehen, die dieser nach Erhalt entfernte. So weit, so normal - auf einer verpackten Matratze wollte der Mann aus Mainz schließlich nicht schlafen.
Doch das Produkt, das der Kunde zum Preis vom 1.094,52 Euro erworben hatte, gefiel ihm nicht. Und so teilte der Mann dem Onlinehändler per E-Mail mit, dass er die Matratze zurücksenden wolle und der Händler den Rücktransport durch eine Spedition veranlassen solle. Als in der Folgezeit nichts geschah, beauftragte der Kläger selbst eine Speditionsfirma.
Der Rücktransport schlug mit 95,59 Euro zu Buche, die der Mann zunächst erfolgreich durch zwei Instanzen einklagte. Nach Auffassung des Landgerichtes Mainz habe der Kläger wirksam von seinem Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB Gebrauch gemacht. Das hatte der Onlinehändler bestritten: Es bestehe kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Das Argument des Händlers: Er könne die Matratze nun nicht mehr weiterverkaufen.
Wiederverkauf nach
Reinigung möglich
Damit aber konnte sich der Händler nicht durchsetzen. Trotz des missverständlichen Wortlauts dieser Vorschrift sei nicht entscheidend, ob hygienische Gründe die Rückgabe ausschlössen, so das Gericht, sondern ob diese Gründe einer Wiederveräußerung der Ware durch den Unternehmer entgegenstünden. Eine Matratze aber könne der Verkäufer, wenn auch mit einigem Aufwand, reinigen und in einen hygienisch einwandfreien Zustand versetzen lassen, so dass die Entfernung einer Schutzfolie durch den Käufer dessen Widerrufsrecht nicht entfallen lasse, argumentierten die Richter.
Der Fall ging schließlich bis zum Bundesgerichtshof, der sein Urteil am 8. November verkünden will. Die Karlsruher Richter müssen nun klären, ob eine Matratze in Schutzfolie ein versiegelter Hygieneartikel ist. Das Urteil ist für die Branche nicht ganz unbedeutend: Die Rückgabegarantie ist ein Pfund, mit dem insbesondere Anbieter von "One-Fits-All"-Matratzen wuchern. 100 Tage Probeschlafen - das zieht beim Kunden nur, wenn die Rückgabe rechtlich einwandfrei geregelt ist. Doch auch alle anderen Online-Anbieter oder Fachhändler mit Webshop dürften sich für die Grundsatzentscheidung interessieren.
Bei Käufen in Online-Shops hat der Verbaucher grundsätzlich ein Widerrufsrecht: Ohne Begründung kann die bestellte Ware innerhalb von 14 Tagen zurückgeben werden. Allerdings wird dieses beim Kauf versiegelter Hygieneartikel eingeschränkt. Als Beispiele hierfür gelten Zahnbürsten, Kontaktlinsen oder Sexspielzeug. Hat der Kunde hier die Schutzfolie einmal entfernt, muss der Verkäufer die Waren nicht mehr zurücknehmen. Doch gilt das auch für verpackte Matratzen?
EU-Leitfaden vor
Gericht umstritten
Die BGB-Vorschrift basiert auf der EU-Richtlinie zu Verbraucherrechten. Die EU-Kommission hat dazu einen Leitfaden herausgegeben. Darin heißt es: "Damit Artikel (...) vom Widerrufsrecht ausgenommen werden können, müssen triftige Gesundheitsschutz- oder Hygienegründe für die Versiegelung vorliegen." Die Ausnahme vom Widerrufsrecht könnte demnach beispielsweise für "Auflegematratzen" gelten. Doch die Richter am Amts- und Landgericht Mainz hielten diesen EU-Leitfaden für unverbindlich. Sie stehen damit nicht allein: Auch die Verbraucherzentrale Brandenburg hat vor dem Landgericht Berlin ein ähnliches Urteil erstritten. Gut möglich also, dass die Angelegenheit sogar vor dem Europäischen Gerichtshof landet.
Eva Rohde vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel mahnt eine konkretere Definition für Hygieneartikel an: "Oder zumindest eine einheitliche Rechtsprechung." Denn bisher gebe es nur sehr wenige Einzelfallentscheidungen.
Wo fängt die Hygiene an, wo hört sie auf? "Alles was mit der Intimsphäre zu tun" hat könne nicht umgetauscht werden, nennt Daniel Schulz, E-Commerce-Experte beim Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz, als Ausschlusskriterium für die Rückkgabe. Zahnbürsten oder Nasenhaarschneider zum Beispiel. Kissen, Bettzeug oder ein Schlafsack können aus seiner Sicht jedoch zurückgegeben werden.
Eine Matratze teste man auch im Laden, eine Zahnbürste hingegen nicht, so sein Argument. Wobei die im Laden getestete Matratze in der Regel nicht die ist, die dem Kunden ausgeliefert wird, könnte man dem entgegenhalten. Als Abgrenzungskriterium dient Schulz die Frage, wo es für den Durchschnittsverbraucher ekelhaft werde. Doch da hat wohl jeder seine eigene Schmerzgrenze.
aus
Haustex 09/17
(Recht)