Wasser, ein ganz besonderer Stoff – auch für die Fußbodentechnik: Warum verkürzt sich die Verarbeitungszeit von Spachtelmassen im Sommer?
Gerade in der Sommerzeit häufen sich die Klagen von Verarbeitern über eine zu kurze Verarbeitungszeit der Spachtelmassen. Das Phänomen lässt sich dabei auf die einfache Formel bringen: Je höher die Temperatur einer angemischten Spachtelmasse, desto kürzer ist die zur Verarbeitung verfügbare Zeit.
Ein häufiger Rat an den Bodenleger im Sommer lautet: Um die Verarbeitungszeit von Spachtelmasse durch hohe Temperatur nicht unnötig zu verkürzen, sollte er die Säcke auf der Baustelle nicht im Auto, sondern möglichst kühl lagern. Dies soll das Aufheizen des Pulvers verhindern und so die Temperatur der angemachten Masse möglichst gering halten. Dahinter steht die Annahme, dass durch das hohe Gewicht des Sackinhalts - immerhin 25 kg - das Spachtelmassenpulver maßgeblich für die Temperatur des Gemischs sei und die 5 bis 6 Liter hinzugefügten Wassers eher zweitrangig für die Temperatur des späteren Gemischs sind. Sicher ist die Temperatur des Pulvers wichtig, jedoch wird dabei häufig die Rolle des Wassers unterschätzt.
Wasser:
Ein außergewöhnlicher Stoff
Wasser hat mit H2O eine simple chemische Formel und ist die einfachste Verbindung von Sauerstoff mit Wasserstoff. Im Gegensatz dazu stehen die außergewöhnlichen Eigenschaften, die es besitzt. Diese haben auch direkten Einfluss auf die Arbeit des Bodenlegers.
Ganz intuitiv könnte man annehmen: Werden zwei Stoffe in gleichen Teilen aber mit unterschiedlichen Temperaturen miteinander gemischt, liegt die Mischtemperatur etwa in der Mitte der beiden Ausgangsstoffe. Tatsächlich ist dies jedoch nur selten der Fall, wie der Mischversuch zeigt.
Bei einer intern durchgeführten Versuchsreihe sollte der Einfluss der Wassertemperatur auf die Mischtemperatur ermittelt werden. Hierzu wurde ein Sack Spachtelmasse auf etwa 40 °C erhitzt und anschließend mit der empfohlenen Menge 13 °C warmen Wassers angerührt.
Das Ergebnis: Obwohl die zugefügte Wassermenge nur etwa ein Fünftel der Masse an Spachtelmasse entsprach, lag die Mischtemperatur fast genau in der Mitte zwischen den Temperaturen der beiden Ausgangsstoffe (siehe Tabelle 1). Dass die Temperatur zweier Stoffe zu gleichen Teilen aber mit unterschiedlichen Temperaturen gemischt in der Mitte der beiden liegt, ist also als allgemeine Regel unzutreffend.
Wasser und die Fähigkeit, Wärme zu speichern
Ausschlaggebend hierfür ist die spezifische Wärmekapazität der unterschiedlichen Stoffe - also der stoffspezifischen Fähigkeit eines Materials Wärme aufzunehmen. Diese liegt bei Wasser fast genau fünfmal höher als bei Spachtelmassenpulver (siehe Tabelle 2). Bei Wasser treten ungewöhnlich starke zwischenmolekulare Kräfte auf. Darum muss einerseits viel Energie aufgewendet werden, um Wasser zu erhitzen. Andererseits speichert es die Wärme aber auch sehr gut. Wasser hat übrigens die höchste spezifische Wärmekapazität von allen Flüssigkeiten.
Tipps für die Fußbodentechnik
Hohe Temperaturen im Sommer können zu unerwünschten kurzen Verarbeitungszeiten bei Spachtelmassen führen. Um diesen unerwünschten Effekt zu minimieren, sollte Folgendes beachtet werden: Wasser hat aufgrund seiner hohen spezifischen Wärmekapazität einen ähnlich hohen Einfluss auf die Temperatur des Gemischs, wie das Pulver. Daher sollte auch verstärkt auf die Temperatur des Wassers geachtet werden.
Folgende Tipps haben sich in der Praxis bewährt:
1.Spachtelmassensäcke sollten an möglichst kühlen Stellen und auch nicht über längere Zeiten im Fahrzeuginnern gelagert werden.
2.Möglichst kühles Wasser einsetzen. Im Zweifelsfall sollte ein Vorlauf aus dem Wasserhahn von 1 bis 2 Minuten abgewartet werden, bevor das Anmachwasser abgemessen wird.
Hintergrund
Wasser als chemische Verbindung
Wasser ist, wie bereits erwähnt, die einfachste Verbindung von Sauerstoff mit Wasserstoff. Oftmals lassen sich die Eigenschaften chemischer Verbindungen aus der Position der jeweiligen Elemente im Periodensystem der Elemente durch Analogschlüsse ableiten. Die den Sauerstoff umgebenden Elemente im Periodensystem bilden Wasserstoffverbindungen mit im Vergleich zu Wasser sehr niedrigen Schmelz- und Siedepunkten. Die Schmelzpunkte dieser Verbindungen liegen zwischen -78 und -134 °C, der von Wasser jedoch bei 0 °C. Auch sind alle Nachbarverbindungen des Wassers bei Raumtemperatur Gase, während Wasser bekanntermaßen erst bei 100 °C siedet, d. h. in den gasförmigen Zustand übergeht.
Eigentlich sollte Wasser somit bei Raumtemperatur ein leichtflüchtiges Gas sein und nicht die uns allen bekannte Flüssigkeit. Was ist der Grund dafür und welche Auswirkungen hat dies auf die Fußbodentechnik?
Chemische Grundlagen
Die Eigenschaften einer chemischen Verbindung zwischen zwei Elementen werden maßgeblich durch die Art der chemischen Bindungen zwischen diesen bestimmt. Ein wichtiger Faktor dafür ist der Unterschied in der Elektronegativität (EN). Bei Nichtmetallen gilt grob gesagt: Je größer der EN-Unterschied, desto polarer die Verbindung. Je polarer die Verbindung, desto größer tendenziell die Anziehungskräfte zwischen den Teilchen.
Bei Wasser ist der EN-Unterschied im Vergleich zu seinen Nachbarelementen der zweithöchste, nur bei Fluor ist er noch höher. Zusammen mit seiner besonderen Elektronenkonfiguration führt dies dazu, dass im Wasser ausgeprägte sogenannten Wasserstoffbrückenbindungen zusätzlich anziehend zwischen den Teilchen wirken. Nur Fluorwasserstoff (HF) zeigt aufgrund des noch größeren EN-Unterschieds eine ähnlich ausgeprägte Tendenz zu Wasserstoffbrückenbindungen (Siedepunkt von 19,5 °C). Da ihm allerdings die besondere Elektronenkonfiguration fehlt, ist diese deutlich schwächer als Wasser.
Eine praktische Folge der ausgeprägten Wasserstoffbrückenbindungen sind die relativ hohen Siedepunkte der jeweiligen Verbindungen (Siedepunkt HF = 19,5 °C, H2O = 100 °C) wobei Wasser darüber hinaus die höchste spezifische Wärmekapazität aller Flüssigkeiten aufweist.
aus
FussbodenTechnik 05/17
(Handwerk)