Jochen Michalik: Arten, Ursachen und Bewertung von Rissen im Holz – Wann gelten Risse im Holz als Fehler?


Wie entstehen Risse im Holz? Wie wirken sie sich auf die Verlegung von Parkett aus? Wann sind sie kein Grund zur Reklamation? Antworten auf diese Fragen gibt Jochen Michalik, Parkettlegermeister, Sachverständiger und Restaurator im Parkettlegerhandwerk.

Ein Riss beschreibt eine Stelle in einem Material, an der etwas gerissen, zerrisssen oder eingerissen ist. Risse in Holz verlaufen in der Regel in Faserrichtung, wobei Lage, Tiefe und Art der Risse unterschiedlich sind.

Ursachen von Rissen

Sie entstehen durch Spannungen im Holz, die wiederum ganz verschiedene Ursachen haben können: am Baum durch Wind, Schneedruck, Frost, Hangneigung oder einseitige Krone. Beim Ernten durch das Fällen, den Transport, die Trocknung oder durch eine Belastung des Schnittholzes. Beim Schnittholz können Risse an den Kanten, Seiten, Oberflächen oder am Brettende auftreten. Beim Parkett bzw. Holzboden durch nicht eingehaltene Werte der Holzfeuchte beim Transport vom Werk zum Verleger oder zum Handel. Nach der Verlegung durch die Veränderung von raumklimatischen Verhältnissen. Oder durch technische Fehler, die zu großen Spannungen im Holz führen, die jedoch nicht sofort, sondern erst im Laufe der Zeit auftreten.

Kategorisierung von Rissen

Sachverständige beurteilen Risse nach ihrer Länge, ihrem Verlauf zur Längsrichtung des Holzes sowie ihrer Lage und Tiefe. Rissmerkmale sind aber auch in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) sowie verschiedenen Normen definiert.

Grundsätzlich gilt immer die zum Zeitpunkt der Verlegung gültige Norm. Für Parkett und Holzböden sind mehrere gültig, die wir in einem Info-Kasten aufführen. In den Normen finden sich Sortierregeln für die verschiedenen Holzarten, in denen dezidiert die einzelnen Merkmale und ihre Ausprägung beschrieben und in den beiden Handelsklassen "Kreis" und "Dreieck" sowie der freien Klasse "Quadrat " als "zulässig" oder "unzulässig" klassifiziert werden.

Als ein Beispiel sei die DIN 13489, Holzfußböden, Mehrschichtparkettelemente, Holzart Eiche genannt. Danach sind seichte Risse in der Klasse "Kreis" unzulässig, in der Klasse "Dreieck" sind sie dagegen zulässig bis 20 mm Länge je Stab. Blitzrisse sind in beiden Klassen unzulässig. Wichtig für den Parkettleger: In der freien Klasse "Quadrat" heißt es: "Alle Merkmale ohne Einschränkung hinsichtlich Größe oder Menge sind zulässig, sofern sie die Festigkeit oder Haltbarkeit des Parkettbodens nicht beeinträchtigen."

Was bedeutet das für den Parkettleger? In der freien Klasse "Quadrat" können auch individuelle Merkmale vertraglich vereinbart werden, wenn sie den gültigen Holzfußböden-Normen entsprechen. Ist bei Vertragsabschluss nichts schriftlich fixiert worden, gilt automatisch die Klasse "Kreis", also keine Risse zulässig.

Besprechen, bemustern, Sortierungsmerkmale schriftlich festhalten

Die Optik eines fertigen Parkettbodens führt häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Auftraggeber bzw. Kunden und Auftragnehmer bzw. Handwerker. Wer die Beweispflicht hat, ist vor Gericht im Nachteil, wenn er keine Beweise vorlegen kann.

Jochen Michalik empfiehlt daher jedem Parkettleger folgende Vorgehensweise: Zunächst die Details mit dem Kunden besprechen, die Ware bemustern und unbedingt deren Sortierungsmerkmale schriftlich festhalten und sie auf einem gesonderten Blatt dem Auftrag beifügen. "Ein kleines Holzmuster allein ist meist wenig aussagekräftig oder manchmal auch im Streitfall als Beweisstück nicht mehr vorhanden oder nicht eindeutig zuzuordnen", warnt Michalik. Zudem macht er darauf aufmerksam, dass ein Sachverständiger keine Aussage treffen kann, wenn ein Vertragsgegenstand nicht klar festgelegt ist. Und nicht zuletzt müsse der Parkettleger im Auge behalten, dass er grundsätzlich die Pflicht hat, die gelieferte Ware vor Verarbeitung hinsichtlich der vereinbarten Merkmale zu prüfen und damit für das Material verantwortlich ist.

Wie bewertet ein Sachverständiger Risse?

Risse in einem Parkettboden können aus ganz verschiedenen Ursachen resultieren. Ein Sachverständiger nimmt sie vor Ort in Augenschein und bewertet sie anhand folgender Kriterien:
-Art des Risses
-Breite, Tiefe und Länge
-Statischer oder sich bewegende Riss
-Anzahl der Risse in der Fläche
-Alter des Risses, d.h. ist er neu oder war er schon bei der Verlegung des Parkettbodens vorhanden?
-Anhang B Sortierregeln der gültigen Norm
-Entsprechen die Risse der gültigen Norm oder der vertraglichen Vereinbarung?
-Sind die Risse durch eine nicht fachgerechte Klimatisierung beim Bewohnen extreme Raumluftzustände entstanden?

Darüber hinaus prüft der Experte Vertrag und Angebot oder Rechnung sowie die Musterbeschreibung des Holzbodens. Auf Basis dieser Unterlagen sowie dem Ergebnis der Ortsbesichtigung (Klimatische Bedingungen, Messungen der Risse, Art der Risse) erstellt er dann sein Gutachten. Michalik: "Eine fachgerechte Beurteilung von Rissen, bzw. was erlaubt ist, erfordert eine für den Sachverständigen genaue Zusammenstellung von Fakten. Werden diese zusammengeführt, ergibt sich eine klare Aussage wie in den Normen mit zulässig oder nicht zulässig beschrieben."

Silvia Mändle



Welche Rissarten gibt es und wie verlaufen sie?

Kernrisse sind radial gerichtet. Sie verlaufen vom Kern in Richtung Splintholz und mit großer Ausdehnung in Längsrichtung des Holzes. Sie bilden sich bereits während des Wachstums. Manchmal werden sie auch als Strahlen-, Radial-, Herz- oder Markrisse bezeichnet.

Frostrisse dringen umgekehrt vom Splint in Richtung Kernholz vor. Sie entstehen bei plötzlich auftretenden Frostperioden vor allem bei Hartlaubhölzern wie Eiche, Ulme, Esche oder Ahorn, weniger bei Nadel- und Weichlaubhölzern.

Blitzrisse werden durch Blitzschlag am stehenden Baum verursacht, sind radial gerichtet und in der Regel an dem angrenzend verkohlten Holz zu erkennen. Nach DIN 4074 - Teil 1 Sortierung von Kanthölzern sind Blitzrisse ebenso wie Ringschäle im Schnittholz nicht zulässig weil sie die Holzfestigkeit erheblich beeinträchtigen können und kommen somit in Handelsware nicht vor. Wichtig: Der Begriff "Blitzrisse" taucht auch in anderer Bedeutung in Kommentaren zu Bodenbelagsarbeiten auf: Dabei bezeichnen Sachverständige Abrissfugen, Blockabrisse, Blockabrissfugen und Blitzfugen im Parkett als "Blitzriss".

Trockenrisse treten am gefällten Stamm auf und verlaufen in radialer Richtung von Brettern und Bohlen.

Oberflächenrisse, auch als Haarrisse bezeichnet, sind Schwindrisse, die durch unterschiedliches Quell- und Schwindverhalten im gesägten Holz entstehen. Sie reichen bis 1/10 Schnittstärke des Holzes.

Seichte Risse reichen bis maximal 1/10 der Holzstärke.

Tiefe Risse gehen tiefer als Oberflächenrisse.

Durchgehende Risse sind an zwei Seiten oder an den Enden des Holzes sichtbar.

Schilferrisse sind schuppige Ablösungen flächiger Holzschichten, die in der Mitte der Herzbretter schräg zum Faserverlauf vorkommen. Sie haben einen unregelmäßigen Verlauf und können mehrere Bretter eines Stamms schädigen.

Ringrisse treten im gefällten Kernholz auf. Sie folgen den Jahresringen und sind an ihrer großen Ausdehnung in der Längsrichtung des Holzes zu erkennen. Tiefergehende werden als Ringschäle bezeichnet.

Seitenrisse sind an den Seiten (Breitflächen), aber auch am Hirnholz zu finden.

Kantenflächenrisse sind Risse an den Kanten-, bzw. Schmalflächen, die auch am Hirnholz auftreten können.

Endrisse befinden sich an den Enden des Holzes.

Trocknungsrisse, auch Schwund- oder Schwindrisse genannt, entstehen als Trocknungsfolgen, weil Holz tangential stärker schwindet als radial.
aus Parkett Magazin 06/17 (Holz)