Müssen Bewegungsfugen im Estrich in den Holzboden übernommen werden?
Es sieht nicht schön aus, wenn eine Parkettfläche unterbrochen wird, weil mitten durch den Raum eine Dehnungsfuge laufen soll: Bewegungsfugen im Estrich müssen im fertigen Fußboden übernommen werden, lautet ein Kernsatz im Fachbuch für Parkett- und Bodenleger. Doch daran hält sich nicht jeder - auf dem Sachverständigentag wurde das Für und Wider diskutiert.
Die DIN EN 13813 unterscheidet beim Estricheinbau zwischen einer Fuge, die über den gesamten oder einen Teil des Querschnitts dieses Bauteils reicht, einer Arbeitsfuge aufgrund von Arbeitsunterbrechung oder am Rand eines Feldes, einer Scheinfuge, die Schwindrissen vorbeugen soll und einer Randfuge zu angrenzenden Bauteilen. Auch in der DIN 18353 und der DIN 18560 wird die Funktion von Estrichfugen erklärt. Die vorgenannten Fugen bieten keinen Anlass zur Diskussion. Vielmehr stört Parkettleger, was sie aufgrund von Bewegungsfugen zwischen Bauteilen oder Estrichfeldern tun müssten.
"Eine DIN-Norm ist nur eine Empfehlung. Entscheidend ist die allgemeine Regel des Faches", sagt Parkettlegermeister Manfred Weber. Und diese Regel würde er gern neu formulieren. Denn er hält es nicht für notwendig, Bewegungsfugen im Estrich zwingend in ein geklebtes Mehrschichtparkett übernehmen zu müssen. Der Sachverständigen-Obmann weiß aber auch: "Weil es in der DIN-Norm steht, wird oft auf einen Mangel entschieden, wenn bei einem Schaden keine Dehnungsfuge im Parkett vorhanden ist. Dabei sind die Ursachen für den Schaden meist ganz andere."
Grundsätzlich gilt: eine Bewegungsfuge im Estrich muss bleiben. Sie darf keinesfalls verharzt oder anderweitig aufgefüllt und geschlossen werden. Aber bewegt sich ein Estrich nach völligem Aushärten noch so stark, dass ein darauf geklebtes Parkett auseinandergezogen wird?
Es kommt auf die Größe der Fläche an
Es sind versierte Parkettlegermeister, die bekennen, dass sie im privaten Auftrag selten eine Estrichfuge in den Bodenbelag übernehmen. Das funktioniert, weil der Parkettklebstoff in der Regel elastisch genug ist, um eine mögliche Bewegung im Estrich abzufedern. Auf der sicheren Seite ist der Parkettleger aber nur, wenn er die Sache schriftlich mit seinem Auftraggeber abgestimmt hat.
Anders ist es, wenn es im Objekt um große Räume geht. Dort können stärkere Kräfte walten und es empfiehlt sich, die Estrichfugen zu berücksichtigen. Eine andere Vorgehensweise sollte bei solchen Projekten unbedingt mit dem Planer oder Architekten geklärt werden. Auch bei Blockparkett ohne Nut & Feder Verbindung sei es ein Muss, die Bewegungsfuge in den Oberbelag einzubeziehen, sagt Manfred Weber. Werden Mosaikparkett oder Hochkantlamellen verlegt, solle der Handwerker seinen Klebstoffhersteller fragen. Ob Korkstreifen in einer Bewegungsfuge ihren Zweck überhaupt erfüllen, wird indes infrage gestellt. Kork habe nur eine Dehnfähigkeit von etwa 20 %, was bei einem 10 mm breiten Korkstreifen eine Elastizität von nur 2 mm bedeuten würde.
Fugen können zusätzlich auch dem Schallschutz dienen, indem sie Bauteile voneinander entkoppeln. Sachverständige berichten von Fällen, wo der Gehschall in angrenzenden Räumen zu Beschwerden geführt und der nachträgliche Einbau von Fugen im Parkett das Problem gelöst hätte. Zwischen den Türen, so die Ansicht, sollte man ohnehin eine kleine Fuge zur Entkoppelung vorsehen. Das gelte übrigens auch bei Fußbodenheizung, damit unterschiedliche Heizkreise nicht von einer nahtlos geschlossenen Parkettfläche überdeckt würden.
Bundesinnungsmeister Peter Fendt beschäftigt die Haftungsfrage: "Wir Parkettleger kennen nicht den Ausdehnungskoeffizienten eines Estrichs. Wenn wir über die Bewegungsfuge hinweg legen, bleibt es immer unser Problem. Sagt mir der Estrichleger, er brauche eine Bewegungsfuge, dann halte ich mich daran oder ich nehme den Estrichleger mit ins Boot."
Norm und Wirklichkeit klaffen auseinander
Tatsache ist, dass Mehrschichtparkett im privaten Wohnungsbau häufig ohne Beachtung einer Estrich-Bewegungsfuge verlegt wird. Daraus resultierende Schäden sind so gut wie keine bekannt - und das seit Jahrzehnten. Dennoch steht in Normen, Fachbüchern und einer Vielzahl von Verlegehinweisen: "Über Bewegungsfugen im Untergrund müssen immer auch solche im Estrich und im Oberbelag ausgebildet werden. Sie müssen die gleiche Funktion wie die Fugen im Untergrund haben. Andere Bewegungsfugen, wie z. B. bei Heizestrichen sind nur im Estrich und Belag herzustellen."
Wenn ein Handwerker sich über diese Aussagen hinwegsetzt, läuft er Gefahr, in einem Schadensfall damit konfrontiert zu werden. Dann muss er nachweisen, dass der Schaden nicht aufgrund seiner fehlenden Übernahme der Bewegungsfuge in den Oberbelag entstanden ist. Eine Alternative mag letztlich ein Entkoppelungsvlies sein.
Henrik Stoldt
aus
Parkett Magazin 06/17
(Handwerk)