Ein Leserbrief: Fritz Langauer (Oritop) zu den Knüpflöhnen in Afghanistan


Im Mai dieses Jahres war ich wieder einmal in Afghanistan, eine Woche in Kabul, Mazar-e-Sharif und Aqceh. Um unsere Bestellungen und Einkäufer zu kontrollieren, um Freundschaften und Kontakte aufzufrischen und um die aktuelle Lage in Afghanistan ein wenig besser zu verstehen.

Seit der Präsidentschaft von Karsai hat sich sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Lage verschlechtert. Die Taliban werden immer stärker, Anschläge häufen sich, und ausländische Investitionen fehlen. Die Zahl der Arbeitslosen nimmt unglaubliche Ausmaße an. Junge Leute sind bar jeder Perspektive.

Ein Teppichknüpfer verdient selbst für die dortigen Lebensverhältnisse viel zu wenig, nämlich nur 1,50 bis 2,00 USD pro Tag. Dies sollte uns zum Denken veranlassen.

In meinem Herzen, und auch Teppichhändler sollen so etwas manchmal haben, fühle ich Scham und Traurigkeit. Der Unterschied zwischen unserer und deren Welt ist zu groß. Handgeknüpfte Teppiche sind für uns im wohlhabenden Westen einfach zu billig. Aber was können wir für diese Menschen tun?

Den Knüpflohn zu erhöhen wäre das Einfachste, denn die Knüpfer werden meist nach Knoten bezahlt. Bei einer Lohnerhöhung von zehn Prozent würde ein Teppich um rund fünf Prozent mehr kosten, sowohl für Einzelhändler als auch für Konsumenten sicherlich leistbar.

Wäre doch wunderbar!
Nur funktioniert es leider nicht. Warum?

Nie und nimmer würde eine solche Mehrzahlung beim Knüpfer ankommen, denn zu viele Stationen sind bis zum Knüpfer involviert. Kontrollierte Workshops gibt es in dieser Region nicht, geknüpft wird nach wie vor im Hausfleiß.

Der zweite Grund ist für uns beschämend. Im Großhandel zählt beim Preis jeder noch so kleine Prozentsatz. Großabnehmer, und heute liegt der Einzellhandel zumeist in deren Händen, sind kühle Rechner. Für Sentimentalitäten ist hier kein Platz.

Somit bleibt nur unser Bemühen, den Menschen in den Dörfern Arbeit zu geben. Dies ist immer noch die beste Wirtschaftshilfe, auch bei diesen für uns geradezu lächerlichen Löhnen vor Ort. Mit diesen Zeilen möchte ich keineswegs belehren, sondern in manchen Köpfen einen Denkprozess anregen.•
aus Carpet Magazin 03/17 (Teppiche)