Allnatura: Der Öko-Fachhändler wächst online und auch stationär
Heubach. Vor gut einem Jahr ist das Familienunternehmen Allnatura im schwäbischen Heubach in einen beeindruckenden Neubau gezogen. Der Online-Fachhändler hat dort auch ein stationäres Geschäft eröffnet, das erfolgreich angelaufen ist. Die Spezialisierung auf Naturprodukte gehört zur DNA des Öko-Versandes, der 1984 von Alexandra und Reinhard Olle gegründet wurde. Zum Jahresende übernimmt Sohn Felix die Gesamtverantwortung.
Wenn Felix Olle vom Schreibtisch aufschaut oder aus seinem Büro auf die Terrasse tritt, blickt er auf die grüne, hügelige Landschaft der Ostalb. Auf der anderen Seite liegt der Sportplatz, wo die Belegschaft einmal die Woche zusammen Fußball spielt. Hinter dem Haus stehen vier Bienenstöcke auf der Wiese, die 100 Kilo Honig-Ertrag einbringen. Eine kleine, bodenständige Idylle. Weit weg vom Großstadtrummel findet Allnatura hier den passenden Rahmen für sein Geschäft: den Verkauf von Naturprodukten für den gesunden Schlaf.
Vor einem Jahr wurde der 5 Millionen Euro teure Neubau des Unternehmens in Heubach bezogen. Felix Olle, Sohn der Firmengründer, hat sehr viel Herzblut in die Entwicklung des Gebäudes gesteckt, es ist sein Baby. Eine Investition, die man stemmen können muss, aber eine ohne Alternative: "Uns blieb nichts anderes übrig, denn am alten Standort waren die Kapazitäten erschöpft. Wir brauchen den Platz für unsere weitere Entwicklung", so Olle. Ein klassisches Industrie- oder Gewerbegebiet war nicht das Ziel, daher ist der Juniorchef dankbar für die positiven Gespräche mit der Kommune und das gefundene Grundstück: "Wir haben jetzt einen Glasfaseranschluss und eine eigene Trafostation - besser geht es nicht." Eine Option auf das Nachbargrundstück kommt hinzu, für den Fall, dass Allnatura weiteren Flächenbedarf entwickelt.
"Wir können auf über 30 Jahre Erfahrung im Bereich natürlich schlafen und wohnen zurückgreifen", sagt Felix Olle. "So verstehen wir uns als ökologischer Online-Fachhändler und sind damit Marktführer in Deutschland im Öko-Handel Schlafen." Dass der Matratzenmarkt in den letzten Jahren durch die Internet-Konkurrenz rauer geworden ist, weiß man natürlich in Heubach, sieht das aber gelassen: "Klar hat sich die Zahl der Anbieter in den vergangenen Jahren vervielfacht", weiß Olle, aber seine Zielgruppe sei eine andere: "Wir konzentrieren uns auf jene Kunden, denen Ökologie und Gesundheit wichtig sind, vor allem rund ums Schlafzimmer."
Früher waren das primär Menschen ab 45 Jahren aufwärts, heute beginnt die Allnatura-Zielgruppe bei den 30-Jährigen. "Das sind ökologisch konsequente Kunden. Etwa der Ingenieur im gehobenen Alter, der Wert auf Qualität made in Germany legt und das Öko-Thema dann noch mitnimmt", so Olle. "Oder die Einsteiger, zum Beispiel junge Eltern, die viel Wert auf gesunde Produkte legen." Und dann gibt es natürlich die Kunden mit orthopädischen Problemen oder einer Allergie. "Die machen uns den größten Spaß, weil wir hier Problemlöser sein können."
Denn auch wenn der primäre Vertriebskanal das Netz ist, versteht sich Allnatura nicht als einfacher Onlineshop, sondern als Fachhändler. "Wir bilden unsere Kompetenz auch online ab", betont Olle. Alle Verkaufsmitarbeiter wurden in Nagold zum Bettenfachberater qualifiziert. Wer im Unternehmen anruft, landet nicht im typischen Callcenter, sondern bei einem Fachberater. Auf der Website kann der Verbraucher bei Bedarf schon im Vorfeld detaillierte Fragen beantworten, die der Fachberater individuell auswertet, um dem Kunden eine Kaufempfehlung zu geben. Die Auslieferung erfolgt direkt ins Schlafzimmer, "der Kunde kann dann in seinem persönlichen Umfeld probeschlafen", so Olle.
30 Tage Wiederruf sind bei Allnatura möglich. "Der Körper braucht mindestens zehn Tage, bis er sich an eine neue Matratze gewöhnt hat", erklärt Felix Olle. Die Reklamationsquote liege bei drei bis fünf Prozent. "Unsere Beratung im Vorfeld muss Sicherheit geben: für den Endkunden, aber auch für das Unternehmen." Denn natürlich müssen die Kosten im Blick behalten werden. Auswahlsendungen, bei denen ein Kunde sich beispielsweise vier Kissen bestellt, um dann eines zu behalten, gibt es bei Allnatura nicht.
Der Versand läuft über Dropshipping, das heißt: Bei Allnatura liegt nichts auf Lager, die Lieferanten senden die Ware direkt an den Endkunden. "Wir sehen die Ware nie, das ist die höchste Kunst des Versandhandels. Und dafür braucht man hochwertige Partner." 90 Prozent der Produkte werden in Deutschland und Österreich gefertigt, der Rest mehrheitlich in Europa. Produkte aus Asien bilden die Ausnahme. "Unser Ziel ist es, eine dauerhafte Harmonie zwischen Mensch und Natur zu schaffen", betont der Geschäftsführer. "Aus diesem Grund setzen wir hohe Ansprüche an Qualität und Herkunft sowie eine regelmäßige und strenge Schadstoff-Prüfung unserer Naturwaren. Dies können wir unseren Kunden auch anhand konkreter Schadstoff-Analysen mit Hilfe unseres umfangreichen Schadstoff-Lexikons offenlegen", so Olle.
Dieser Anspruch liegt in der DNA des Unternehmens, das Alexandra und Reinhard Olle gegründet haben. Sie sind seit 1984 im Öko-Versand zuhause und verkauften zunächst stationär Naturmatratzen und Schlafartikel in Deutschland. Die Idee für ein ökologisches Sortiment entstand nach vielen Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit im Umwelt- und Naturschutz. Umfangreiche Kataloge, stationäre Läden - die Familie probierte in der Unternehmensgeschichte vieles aus. Seit 2001 läuft alles unter dem Namen Allnatura. Als die Marke an den Start ging, gab es weder Smartphones noch Social Media. "Erfahrung bringen wir reichlich mit", erklärt Senior Reinhard Olle, "nicht nur, was den Absatzkanal Internet angeht. Wir sind seit den frühern 1980er-Jahren im Bettenfachhandel zu Hause. Wir kennen unsere Produkte, wir kennen unsere Kunden. Und wir weichen keinen Millimeter von unserer nachhaltig-ökologischen Philosophie ab."
Dem fühlt sich auch der Sohn verpflichtet, der das Lebenswerk des Vaters nun weiterentwickelt. Seit 2010 ist er offiziell im Unternehmen dabei, sein BWL-Studium hat Felix Olle mit den Schwerpunkten Personal und Marketing absolviert. Er duzt alle Mitarbeiter und hat eine andere Führungskultur als die Eltern, doch das familiäre Betriebsklima schufen schon sie. "Ich schätze die gute Streitkultur mit meinem Vater", sagt Felix Olle, denn natürlich kann ein Generationswechsel nicht völlig reibungslos geschehen. Getroffene Entscheidungen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich werden aber akzeptiert, auch wenn die Meinungen mal auseinandergehen. Das Vertauen der Eltern in den Sohn ist gegeben: "Sie sind mittlerweile in einer Art Altersteilzeit und eher als Consultants unterwegs." Zum Jahresende soll dann der Wechsel vollzogen sein.
Dann liegt es am Junior, die Zukunft des Unternehmens zu gestalten. Auch wenn die Märkte im nichtdeutschsprachigen Ausland interessant sind, ist Expansion nicht alles: "Es geht darum, das Wachstum nachhaltig zu untermauern und im Anschluss auch zu organisieren", erklärt Felix Olle. Rund 60 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, und in einem Land wie Baden-Württemberg muss sich auch Allnatura anstrengen, um die Besten zu bekommen. "Wir haben keinen Fachkräftemangel", sagt Olle, "aber zum Beispiel 40 individuelle Arbeitszeitmodelle." Ein Yoga-Raum, eine Grill-Terrasse, der Kicker oder der mobile Masseur, der ins Haus kommt - auch in der Provinz muss man sich anstrengen, die Mitarbeiter zu halten. Felix Olle pendelt jeden Tag zwischen seinem Wohnort Stuttgart und der Firma in Heubach. "Das neue Gebäude haben wir nicht zuletzt für unsere Mitarbeiter gebaut."
Ein wesentlicher Bestandteil des nach modernsten ökologischen Baustandards errichteten Hauses ist der Flagship-Store mit 800 Quadratmetern Verkaufsfläche. "In unserem Bettenfachgeschäft präsentieren wir Deutschlands größte Auswahl an ökologischen Matratzen und Bettdecken. Wir möchten damit ein Zeichen für mehr Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein setzen", erklärt Olle. Das kommt an: Die Kunden kommen nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Deutschland, etwa im Rahmen eines verlängerten Wochenendes.
"Wir bieten unseren Kunden mit rund 1.200 Produkten eine umfangreiche Auswahl für die Bereiche Gesund Schlafen, Natürlich Wohnen, Kind & Jugend sowie Wohntextilien", so Olle. Das Geschäft zeigt natürlich nur einen Ausschnitt aus dem gesamten Sortiment, das sich die Kunden aber an eigenen PCs im Laden selbst erschließen können. Die obere Etage ist der Auswahl an Massivholz-Betten, und Matratzen in Naturlatex, Kaltschaum oder Naturfaser gewidmet. Gezeigt werden auch die unterschiedlichen Bettdecken aus 13 verschiedenen Rohstoffen und in fünf Wärmeklassen. Kissen mit Füllmaterialien wie Natur-/Tierfasern, Körnern oder Naturlatex gehören ebenso ins Angebot wie Bettwäsche oder Wohndecken. "Unsere Bettwaren werden in Manufakturqualität Made in Germany gefertigt, für qualitativ hochwertige und ökologisch unbedenkliche Produkte", betont Olle.
"Der Flagship-Store soll den Kunden die Möglichkeit geben, auch vor Ort mit uns in Kontakt zu treten und unsere Produkte auch sehen, fühlen und riechen zu können." Er sei die ideale Ergänzung zum Onlinegeschäft, betont der Junior-Geschäftsführer. Auch wenn das Geschäft nur an zweieinhalb Tagen in der Woche öffnet, erzielt Allnatura nach einem Jahr damit bereits zehn Prozent seines Gesamtumsatzes. Das könnte dazu verleiten, das stationäre Angebot auszubauen, doch da bleibt Felix Olle zurückhaltend: "Vorstellbar ist das auf jeden Fall. Aber wir sind derzeit mit anderen Projekten ausgelastet. Eine zweite Filiale besitzt nicht die oberste Priorität."
aus
Haustex 06/18
(Handel)