Risiko Restfeuchte: Absperren mit bauchemischen Sperrsystemen
Was tun bei feuchten Untergründen? Für eine einwandfreie Verlegung von Parkett sowie textilen und elastischen Bodenbelägen müssen die vorhandenen Untergründe belegereif vorliegen. Eine besondere Herausforderung für den Bodenleger ist der Umgang mit der Restfeuchte von Untergründen. Welche Möglichkeiten hat der Fachhandwerker, um für eine sichere und standhafte Verlegung zu sorgen? Dr. Matthias Hirsch, Technischer Geschäftsführer und Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei Kiesel Bauchemie, gibt Antworten auf diese Frage.
Trockene Untergründe sind eine Grundvoraussetzung für die optimale Verlegung von Bodenbelägen. Insbesondere ist vor Beginn der Verlegearbeiten die Belegereife des Estrichs festzustellen. Nur die vollständige Durchtrocknung des Estrichs garantiert die Vermeidung von Folgeschäden wie Ablösungen oder Aufquellungen des Belags. Aus diesem Grund ist der Fachhandwerker zu besonderer Sorgfalt bei der Feststellung der Restfeuchte verpflichtet.
Das Absperren von Restfeuchte:
Mögliche Sonderkonstruktionen
In manchen Fällen kommt es jedoch vor, dass der Bodenleger auf der Baustelle nicht ganz ausgetrocknete Untergründe antrifft, diese jedoch aufgrund von Baustellenabläufen und Terminvereinbarungen belegen muss. Dann muss er als Erstes feststellen, welche Art von Estrich vorliegt. Bei nichtfeuchtebeständigen Untergründen, etwa Calciumsulfatestrichen, hat er die vollständige Trocknung des Materials abzuwarten - eine andere Art der Feuchtesperrung kommt hier nicht in Betracht. Bei Zementestrichen nach EN 13813, die feuchtebeständig sind, kann der Bodenleger auf Sonderkonstruktionen zurückgreifen und spezielle bauchemische Produkte als Feuchtigkeitssperre nutzen. Unbedingt ist bei einem solchen Vorgehen auf die Empfehlungen und Herstellerangaben zu den verwendeten Produkten zu achten. Die Gewährleistung ist an den Hersteller gebunden.
Grundsätzlich kann der Bodenleger in dieser Situation auf vier unterschiedliche Systeme zurückgreifen:
-2K-Epoxidharz-Grundierungen
-1K-Polyurethan-Grundierungen, Basis Isocyanat-Prepolymere (MDI)
-Silanterminierte Systeme (Isocyanate als Zwischenprodukt)
-Dispersions-Sperr-Grundierungen
Während Epoxidharz- und Polyurethan-Grundierungen bereits seit längerer Zeit am Markt existieren, handelt es sich bei den anderen flüssigen Sperrgrundierungen um jüngere Entwicklungen. Sowohl technische Untersuchungen als auch die alltägliche Praxis auf der Baustelle zeigen, dass alle Systeme gleichermaßen in der Lage sind, durch Absperrung ein belegereifes Niveau der Untergründe herzustellen. Der Unterschied zwischen den dargestellten Systemen besteht vor allem im Ressourcen- und Energieverbrauch bei der Herstellung sowie in den Sicherheitsvorkehrungen bei der Anwendung. Dispersions-Sperr-Grundierungen erweisen sich im Vergleich als weniger energieintensiv. Sie sind zudem durch den Verzicht auf Lösemittel nicht als Gefahrstoffe klassifiziert.
Bestimmung der Sperrwirkung:
Ermittlung des Sd-Wertes
Üblicherweise wird die Absperrwirkung eines bauchemischen Produkts nach EN 7783 über den Sd-Wert bestimmt. Es handelt sich dabei um ein Maß für den Wasserdampfdiffusionswiderstand inklusive Schichtdicke des verwendeten Materials. Dies ist die sogenannte "Diffusionsäquivalente Luftschichtdicke", die in Metern gemessen wird. Als Randbedingung für die Bestimmung des Sd-Werts gilt die Absperrung der Restfeuchte eines gesättigten Materials (100 % relative Feuchte, rF genannt) auf 0 % rF nach EN 7783. Bei konventionellen 2K-Epoxidharz-Grundierungen liegt dieser Wert bei bis zu 200 m. Demgegenüber kommen Polyurethan-, Silan- und Dispersionssysteme auf deutlich geringere Absperrwirkungen.
Alternative Charakterisierung
der Sperrwirkung
Nach Maßgabe der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) im Industrieverband Klebstoffe liegt die Normalfeuchte für die Belegereife bei nicht beheizten Estrichkonstruktionen bei 75 bis 80 % rF bei Messung im unteren Estrichbereich. Diese wird über die Messung der korrespondierenden relativen Luftfeuchte (KRL-Methode) bestimmt. Das heißt in der Praxis müssen nur etwa 20 bis 25 % der relativen Feuchte gesperrt werden. Der Sd-Wert nach EN 7783 ist als Vergleichsmaßstab dafür nicht geeignet. Als Alternative zur Beurteilung der Sperrwirkung von Grundierungssystemen untersucht die Materialprüfungsanstalt (MPA) Stuttgart daher das Wassereindringverhalten mit der Messung von Wasserdampfstromdichten. Mittels des Karstens-Röhrchen-Tests wird geprüft, wie sich das Material gegenüber flüssigem Wasser verhält. Die Sperrschicht darf beim direkten Kontakt mit Wasser keinerlei Veränderung zeigen, d. h. sie darf nicht verseifen, aufquellen oder delaminieren. Darüber hinaus ist nach Angaben der MPA Stuttgart eine zuverlässige Reduktion der Wasserdampfstromdichte auf ca. 0,5 l/(m
2*d)1) notwendig, um die Restfeuchte des Untergrunds auf 75 % relative Feuchtigkeit abzusperren und so die Belegereife des Estrichs zu gewährleisten. Diese Werte werden von allen bauchemischen Sperrsystemen erreicht, inklusive Dispersions-Sperr-Grundierungen.
Dispersions-Sperr-Grundierungen:
Möglichkeiten und Grenzen
Die Testergebnisse der MPA Stuttgart bestätigen, dass sich Dispersions-Sperr-Grundierungen als Feuchtigkeitssperren auf nicht beheizten Estrichkonstruktionen bestens eignen. Sie zeichnen sich durch eine vergleichsweise nachhaltige Rezeptur aus. Dem Verarbeiter bieten sie zudem einen Mehrwert: Sie verhindern nicht nur das Eindringen von Feuchtigkeit aus dem Estrich in die oberen Schichten des Belagsaufbaus, sondern schützen diesen auch vor Feuchtigkeit aus den darauf verarbeiteten Verlegewerkstoffen, etwa zementbasierten Spachtelmassen. Diese doppelte Schutzfunktion unterstützt das sichere und effiziente Arbeiten aller bodenlegenden Gewerke.
Die Einsatzmöglichkeiten von Dispersions-Sperr-Grundierungen stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn Fußbodenheizungen ins Spiel kommen: In den Dispersionen sind immobilisierte Wasserverbindungen enthalten, die durch das Beheizen aktiviert und wieder mobil werden. Auf diese Weise kann sich keine dauerhafte Sperrschicht bilden und der Feuchtigkeitsschutz ist nicht gegeben. Auch wenn für eine Bodenkonstruktion erhöhte Anforderungen gelten und ein konkreter Sd-Wert erreicht werden muss, kann nicht auf Dispersionssperren zurückgegriffen werden. In diesen Fällen muss konventionell mit Epoxidharz- oder Polyurethan-Grundierungen abgesperrt werden, denn auch silanterminierte Systeme sind nicht für die Erreichung hoher Sd-Werte geeignet.
aus
FussbodenTechnik 04/18
(Handwerk)