Fachanwalt Andreas Becker informiert: Die Haftung des Auftragnehmers – ein Überblick
Aufgrund des Artikels "Schuldet der Auftragnehmer Neubaustandard?" in Ausgabe 03 / 2018 sind dem Autor des Fachbeitrags und FussbodenTechnik Leserzuschriften zugegangen. Die vorgestellte Entscheidung des Gerichts wurde mit Unverständnis aufgenommen. Rechtsanwalt Andreas Becker nimmt dies zum Anlass, grundsätzlich über die Haftung des Auftragnehmers zu informieren.
Bei der Darstellung soll in erster Linie die Haftung zwischen dem Auftragnehmer und Auftraggeber im Vordergrund stehen. Der Auftragnehmer, also in der Regel der Handwerksbetrieb, hat Haftungsrisiken aus folgenden Themen:
1. Planung (Erstellung eines Leistungsverzeichnis)
2. Mängel an der Leistung (Gewährleistungsrechte)
3. Verletzung von sogenannten Nebenpflichten, Beratungshinweis-, Anzeige- und Aufklärungspflichten
1. Haftung aus Planungsmängeln
Jeder Unternehmer, der ein Leistungsverzeichnis aufstellt, hat damit auch eine Planungsleistung erbracht. Beim Aufstellen des Leistungsverzeichnisses muss der Unternehmer sich fragen, wie der von dem Auftraggeber gewünschte Erfolg herbeigeführt werden kann. Geschuldet ist nicht die Leistung, die im Leistungsverzeichnis in einzelnen Positionen aufgeführt ist, sondern immer der Leistungserfolg. Erfolg bedeutet, dass der Bauherr die von ihm gewünschte, aber auch die vertraglich vereinbarte Leistung erhält. Ist der Untergrund in einem Objekt uneben und wünscht der Bauherr einen Linoleumbelag, so muss der Handwerker neben dem Material und der Verklebung auch anbieten, dass der Untergrund ausgeglichen wird. Der Bauherr kann dann entscheiden, ob er diesen Ausgleich möchte.
Bei dem Artikel "Schuldet der Auftragnehmer Neubaustandard?" hatte nicht der Architekt die Planung übernommen, sondern dieser hatte den Parkettleger gebeten, ein Leistungsverzeichnis zu erstellen. Der Parkettleger muss sich bei der Erstellung eines Leistungsverzeichnisses darüber informieren, welche Leistung gewünscht ist. Wenn, wie in dem Beispiel exklusive Eigentumswohnungen entstehen sollen, so hätte der Parkettleger bei der Planung berücksichtigen müssen, dass bei hochwertigen Wohnungen der Trittschall eine entscheidende Rolle spielen kann. Er hätte sich beim Auftraggeber erkundigen müssen, welche Maßnahmen zur Trittschalldämmung gewünscht sind. Er hätte eine Trittschalldämmung mit anbieten müssen. Oder er hätte darauf hinweisen müssen, dass mit der einfachen Verklebung des Parketts eine erhöhte Anforderung an den Trittschall nicht erreicht wird. Der Auftraggeber kann dann immer noch entscheiden, ob er diese Leistung haben möchte.
Jede Anfertigung eines Leistungsverzeichnisses ist eine Planung. Für diese Planung haftet der Planer sowohl für die technische Richtigkeit als auch dafür, dass der Erfolg der Leistung eintritt. Bei hochwertigen Eigentumswohnungen muss der Planer deshalb davon ausgehen, dass erhöhte Anforderungen an einen Trittschall notwendig sind. In diesem Fall haftet also der Parkettleger aus seiner fehlerhaftenbzw. unvollständigenPlanung heraus. Der Architekt haftet nicht, weil er keine Planungsleistung durchgeführt hat, sondern diese auf den Parkettleger abgeschoben hatte. Letzterer ist für die Planungsleistung wahrscheinlich nicht einmal extra vergütet worden.
2. Gewährleistungsansprüche (Mängel)
Die wohl bekannteste Haftung des Bauunternehmers ist die aus Gewährleistungsrechten heraus. Es gibt einen Mangel, zum Beispiel hohl liegendes Parkett, sich ablösende Bodenbeläge etc. Der Unternehmer schuldet immer den Erfolg der Werkleistung. Die Haftung aus Gewährleistungsrechten ist verschuldensunabhängig. Wenn nichts Besonderes vereinbart ist, schuldet der Auftragnehmer eine Leistung entsprechend den anerkannten Regeln der Technik als Mindeststandard.
Abweichend von diesem Mindeststandard können jedoch hochwertigere oder auch andere Ausführungsarten vereinbart werden - dies wird juristisch als Beschaffenheitsvereinbarung bezeichnet. Gibt es im Vertrag solche Regelungen, muss der Betrieb mindestens diese versprochene Leistung erbringen. Jegliche Abweichung von der versprochenen zur tatsächlichen Leistung kann als Mangel angesehen werden.
3.Nebenpflichten
(z. B. Behinderungs-
und Bedenkenanzeigen)
Der Handwerksunternehmer hat an der Baustelle auch eine Reihe von sogenannten Nebenpflichten, aus denen er genauso haften kann. Dies sind Obhuts-, Hinweis-, Beratungs-, Anzeige- und Aufklärungspflichten. Einen besonders großen Raum nehmen die leider wenig beachteten Hinweispflichten ein, insbesondere Bedenken- und Behinderungsanzeigen. Wenn der Auftragnehmer glaubt, dass er in fachlicher Hinsicht das Leistungsziel nicht erreicht oder dass eine Gefährdung besteht, muss der Auftraggeber darauf hingewiesen werden. Adressat ist immer der Auftraggeber, nicht der Architekt.
Bei nahezu jedem Bauvorhaben gibt es Situationen, die oft vorher nicht geplant oder bedacht werden können. So darf ein Auftragnehmer auch eine vorhandene Planung, die mangelhaft ist, nicht umsetzen. Bei einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht München (Az.:27U2266/16) hatte ein Architekt die Estrichverlegung geplant. Er hatte dabei vergessen, Trenn- und Bewegungsfugen zu planen. Der Estrichleger setzte die Planung ohne diese Fugen um und es kam zu Rissen. Der Estrichleger haftet, weil er aufgrund seines Fachwissens hätte erkennen können, dass Trenn- und Bewegungsfugen im Estrich fehlten. Die unterlassenen Hinweise führen zur Haftung (gemeinsam mit dem Architekten). Immer wenn ein Auftragnehmer erkennen kann, dass Planungen mangelhaft sind, dass eine gewünschte Bauausführung zu späteren Problemen führen kann, zum Beispiel aufgrund eines ungeeigneten Untergrunds, muss ein Hinweis an den Auftraggeber erfolgen (immer schriftlich, beim VOB/B-Vertrag zwingend schriftlich).
Durch eine Bedenkenanmeldung und der danach erfolgten ausdrücklichen Weisung des Auftraggebers, die Leistung trotz Ihrer Bedenken auszuführen, kommt der Unternehmer von der Haftung frei.
Praxistipp
Der Handwerker haftet für den werkvertraglichen Erfolg. Aus diesem Grunde sind sowohl bei der Planung als auch bei der Ausführung der Leistungen immer die Ziele und die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Auftraggeber zu berücksichtigen.
aus
FussbodenTechnik 04/18
(Recht)