Kleiner Fehler – Großer Schaden
Vorsicht vor zu dicken Ausgleichsschichten – Fußbodenkonstruktion komplett ausgetauscht
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sach-verständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um eine zu dick dimensionierte Ausgleichsschicht, die sogar den darunterliegenden Estrich zerstörte.
Ein Bodenleger führte Estrich- und Bodenbelagarbeiten für die Sanierung der Fußböden in einem Wohngebäude für betreutes Wohnen aus. Gemäß dem Leistungsverzeichnis sollten zuvor schadhafte Estrichflächen ausgebaut und ein neuer Schnellzementestrich mit Trittschalldämmung in einer Konstruktionshöhe von 90 mm hergestellt werden. Der Bodenleger wich vom Leistungsverzeichnis ab. Er beließ den vorgefundenen Anhydritestrich und baute darauf eine Ausgleichsschicht auf. Angeblich handelte es sich um einen epoxidharzgebundenen Estrich als Ausgleichsschicht in einer Dicke von 30 bis 35 mm.
Nach der Belagsverlegung zeigten sich bei Kontrollbegehungen Mängel an der Oberfläche des verlegten PVC-Belags in Form von Quetsch- und Wurmfalten. Im Rahmen eines vom Betreiber der Wohnanlage angestrengten Gerichtsverfahrens sollte die Ursache ermittelt und der tatsächlich hergestellte Fußbodenaufbau festgestellt werden.
Schaden
Wurm- und Quetschfalten
im PVC-Belag
Der Sachverständige machte sich vor Ort ein Bild der Mängel, wobei zur Ursachenerforschung Bauteilöffnungen unausweichlich waren. In den Wohn- und Schlafzimmern sowie in den Fluren zeigte sich der vorliegende PVC-Belag mit unregelmäßig verteilten Quetsch- und Wurmfalten an der Belagsoberfläche. Der Belag war fest am Untergrund verklebt. Unter dem Belag waren netz- und gabelförmige Risse in der zementären Ausgleichsschicht feststellbar. Die Rissbreite betrug 2 mm, eine epoxidharzgebundene Schicht war nicht vorhanden.
Erkennbar war eine Ausgleichsschicht auf Zementbasis. Diese haftete fest am vorhandenen Anhydritestrich an. Der Kohäsionsbruch erfolgte in der Anhydritestrich-Schicht. Die Dicke der zementären Ausgleichsschicht betrug rund 30 mm. Die dort festgestellten Risse setzten sich im darunterliegenden 30 bis 35 mm dicken Bestandsestrich fort, der ebenfalls gerissen war.
Das Aussehen und die Saugfähigkeit der vor Ort entnommenen Materialproben war mit den Eingeschaften der der vom Hersteller gelieferten Musterstücke identisch. Es handelte sich um eine Ausgleichsschicht auf Zementbasis. Nach der Benetzung der Oberflächen mit Wasser war bedingt durch das kapillare Saugen des Baustoffs eine sofortige und starke Wasseraufnahme an den untersuchten Materialproben feststellbar. Somit konnte es sich nicht - wie vom Bodenleger behauptet - um eine epoxidharzgebundene Ausgleichsschicht handeln, da dieser Baustoff kein Wasser aufnimmt.
Ursache
Ausgleichsschicht überdimensioniert
Die festgestellten Risse in der Spachtelmasse waren auf die zu große Schichtdicke der zementären Ausgleichsschicht von bis zu 30 mm zurückzuführen. Jeder zementäre Estrich schwindet beim Austrocknen und zieht sich zusammen. Dies ist bei zementären Systemen nicht zu vermeiden. Aus diesem Grund werden bei zementären Systemen herstellerseits Schichtdicken von maximal 10 mm Dicke bei der Ausgleichsschicht vorgegeben, um die Schwindspannungen bzw. daraus resultierende Rissbildungen zu minimieren.
Im vorliegenden Fall wurde die zulässige Schichtdicke von 10 mm mit bis zu 30 mm Einbaudicke erheblich überschritten. Die Ausgleichsschicht war wahrscheinlich überwässert - erkennbar am hellgrauen Farbton der Proben - was zu extremen Schwindspannungen in der zementären Ausgleichsschicht und zu unkontrollierten Rissbildungen führte. Die aus den Schwindspannungen resultierenden Verformungen in der Ausgleichsschicht waren so stark, dass der darunter liegende Bestandsestrich ebenfalls zerrissen wurde.
Schadensursächlich war außerdem der nicht vorhandene Randdämmstreifen an den aufgehenden Wänden, sodass sich die Ausgleichsschicht mit dem Untergrund verkrallte. An den Rändern bzw. an den Übergängen zu den aufgehenden Wänden waren keine Dehnungsfugen in Form von Randdämmstreifen vorhanden.
Dies führte neben der Verformung des Zementestrichs zu zusätzlichen Spannungen an den Rändern, die die aufgetretenen Rissbildungen noch begünstigten. Aufgrund des guten Haftverbunds der Ausgleichsschicht mit dem Bestandsestrich bzw. der Verkrallung der Ausgleichsschicht mit dem Untergrund sind Schäden am Bestandsestrich entstanden. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass der Fußbodenaufbau nicht entsprechend dem Leistungsverzeichnis und der ursprünglichen Planung erfolgte: Die vom Bodenleger eingebaute zementäre Ausgleichsschicht war für den vorliegenden Fall und aufgrund der unzulässig großen Schichtdicken nicht geeignet.
Das geforderte Spachteln der Estrichschicht mit spannungsarmer Ausgleichsmasse und eine Schichtdicke der Ausgleichsschicht von im Mittel 5 mm Dicke hatte der Bodenleger ignoriert.
Verantwortlichkeit
Bodenleger haftet -
ungeeignetes Produkt
eingebaut
Der Bodenleger bleibt auf dem kompletten Schaden sitzen. Die vom ihm eingebaute Ausgleichsmasse war für den vorliegenden Fall und aufgrund der unzulässig großen Schichtdicken nicht geeignet. Aus rein technischer Sicht sind die festgestellten Baumängel in Form von Rissen aufgrund von handwerklichen Fehlern bzw. aufgrund von Ausführungsfehlern entstanden.
Sie sind vollständig dem Verantwortungsbereich des Bodenlegers zuzurechnen, wenn keine objektbegleitende Bauüberwachung durch das zuständige Planungsbüro stattgefunden hat. Für den Fall, dass der für das Bauvorhaben zuständige Planer mit der Objektüberwachung betraut war, würde auch ein Planungs- und Bauüberwachungsfehler vorliegen. Aufgrund der festgestellten Schadensbilder war ein Abbruch der gesamten Fußbodenkonstruktion in den betroffenen Räumen und eine Neuherstellung des Estrichs z. B. mit einem Schnellzementestrich auf Trennschicht erforderlich.
Da der gesamte Fußbodenaufbau in den betroffenen Räumen abgebrochen und neu hergestellt werden musste, wurden Ausräumungen der Wohnungen und ein Auszug der Bewohner erforderlich. Die Mängelbeseitigungskosten betrugen rund 60.000EUR. Eine Beratung mit der Anwendungstechnik eines Verlegewerkstoffherstellers wäre in diesem Fall empfehlenswert gewesen.
aus
FussbodenTechnik 05/18
(Handwerk)