Wie sieht nachhaltiger Estricheinbau aus?


Wie sieht nachhaltiger Estricheinbau aus?

Kein Begriff wird in der Immobilien- und Bauwirtschaft derzeit so inflationär verwendet wie "nachhaltig". Da nachhaltig keine rechtlich verbindliche Bezeichnung darstellt, ist dieser Begriff dehnbar und weit gefasst. So kann man je nach Bedarf alles hineininterpretieren. Häufig wird der Begriff nachhaltig nur für Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen verwendet. Dabei ist der Begriff viel weiter zu fassen und beinhaltet den vollständigen Produktkreislauf vom Rohstoff über den Einbau bis hin zur Nutzungsphase und Entsorgung.

Hinzu kommt eine Fülle von Zertifizierungen und Labeln, deren Regularien und Forderungen ein Handwerker nur schwer nachvollziehen kann. In der nachhaltigen Gebäudezertifizierung dominiert neben dem deutschen DGNB-System noch das amerikanische LEED-System den Markt. Diese Zertifizierungen haben ihre speziellen Anforderungen und Auflagen, die Planer und Architekten bei der Errichtung der Gebäude berücksichtigen müssen. Auf der Ebene der Baustoffe, die vor Ort verwendet und eingebaut werden, gibt es anerkannte Umweltlabels für Bauprodukte wie den Blauen Engel und den Emicode.

Der Hintergrund
Estrich hat im Vergleich
zum Beton Nachholbedarf

Betrachtet man die einschlägigen Regelwerke und Vorgaben, so fällt auf, dass Estriche, bzw. Fußbodenkonstruktionen mit Ausnahme der Kunstharzestriche beim Thema Nachhaltigkeit weitgehend unberücksichtigt bleiben. Zwar gibt es für Zement- und Calciumsulfatestriche Umweltproduktdeklarationen (EPDs), die die wichtigsten ökologischen Daten von der Herstellung bis zum Einbau berücksichtigen. Informationen zur Entsorgung und zu Zusatzmitteln und -stoffen sind jedoch nur spärlich vorhanden. Während Betonzusatzstoffe geregelt und entweder mit einer bauaufsichtlichen Zulassung oder einem CE-Kennzeichen gemäß DIN EN 934 versehen sind, fehlen diese Anforderungen für Zusatzstoffe und -mittel im Estrichbau vollkommen. Fußbodenkonstruktionen, sei es schwimmend oder mit Leichtausgleich, werden als Systemaufbau nicht betrachtet.

Dabei ist das Thema Nachhaltigkeit im Prinzip relativ einfach: Durch eine Produktauswahl, die im Einklang mit der europäischen Chemikaliengesetzgebung oder darüber hinausgehenden Anforderungen steht, sollten nur sichere und nicht gefährliche Stoffe verwendet werden. Um dies zu gewährleisten, kann der Estrichbauer seine Lieferanten auffordern, die entsprechenden Nachweise zu liefern und sein Einkaufsverhalten danach richten. Das betrifft beispielsweise den Chromatgehalt im Zement genauso wie eine Leistungs- oder Schadstoffprüfung für Estrichzusatzmittel. Auch der Einbau kann ressourcenschonend und vor allem auch unter Vermeidung von Restmengen und Abfall erfolgen. Hier gibt es bei Förder- und Pumptechnik mittlerweile energie- und abfallvermeidende Lösungen.
Auch die Nutzungsphase spielt eine elementare Rolle bei der Nachhaltigkeit. Vom eingebauten Estrich und der Fußbodenkonstruktion dürfen keine gesundheitlichen Gefahren für die Nutzer ausgehen. Und das Produkt muss entsprechend langlebig sein. Ein zu feucht belegter Estrich, der zur Ablösung des Bodenbelags führt oder Schimmelbildung infolge undichter Heizungssysteme ist das Gegenteil von nachhaltig.

Zu guter Letzt heißt Nachhaltigkeit auch Betrachtung des Rückbaus und der Entsorgung bzw. des Recyclings der einzelnen Komponenten. Dies betrifft nicht nur den mineralischen Anteil, sondern auch die in der Konstruktion verbauten Dämm- und Kunststoffe.

Mein Tipp:
Handwerker kann
sein Fachwissen einsetzen

Kein Handwerker ist Experte im europäischen Chemikalienrecht oder kann eine Ökobilanz seines Gewerks erstellen. Aber er kann bei der Produktauswahl sehr wohl entscheiden, welche Produkte er einsetzt. Neben Schadstofffreiheit und Recyclingfähigkeit ist die Langlebigkeit eines Produkts ein nachhaltiges Verkaufsargument. Und hier kommt die Erfahrung des Handwerkers zum Tragen, der somit seinen Kunden gezielt technisch beraten kann.
aus FussbodenTechnik 05/18 (Handwerk)