Heinrich Lamker, Melle
Tausend Stunden, die das Team fit gemacht haben
Melle. Vor drei Jahren wurde das ehemalige Textilkaufhaus Heinrich Lamker in ein reines Bettenfachgeschäft umgewandelt. Das neue Konzept hat sich bezahlt gemacht, erforderte aber eine umfangreiche Qualifizierung der gesamten Mannschaft. Inhaber wie Verkäuferinnen sind den Weg gegangen - seither hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt.
Seit 84 Jahren ist der Name Lamker in Melle ein Begriff. Der Großvater der heutigen Inhaberin Sandra Heller-Kuhr hatte 1934 ein Geschäft für Stoffe, Kurzwaren und Textilien alle Art gegründet. Mit der zweiten Generation wuchs das Haus zum modischen Vollsortimenter. 2015 dann der Einschnitt: Sandra Heller-Kuhr und ihr Mann Meik Kuhr, die zuvor ein kleines Matratzen- und Bettwarensortiment im Unterschoss anboten, positionierten sich neu: Das Traditionshaus Heinrich Lamker ist seither ein reines Wäsche- und Bettenfachgeschäft mit 600 Quadratmetern Verkaufsfläche. "Wir sind stolz, das größte Wäsche- und Bettenhaus im Landkreis Osnabrück zu sein", sagen die Inhaber. Doch Größe allein zählt nicht, auch der unternehmerische Erfolg muss stimmen. Der kann sich sehen lassen: Seit der Umwandlung des Geschäftes konnte der Umsatz mehr als verdoppelt werden, bei Großteilen und Zudecken sogar verdreifacht. Dies gelang nicht zuletzt durch eine konsequente Qualifizierung des gesamten Teams, in welche die Inhaber bisher mehr als 12.000 Euro und insgesamt tausend Arbeitsstunden investiert haben.
"Durch den modernen Umbau und das spezialisierte Sortiment haben wir uns auch ein Stück weit selbst beim Thema Qualifizierung unter Druck gesetzt", berichtet Sandra Heller-Kuhr. "Die reine Verkäuferin war plötzlich nicht mehr gefragt." Die Mitarbeiterinnen waren zuvor beispielsweise viele Jahre in der DOB tätig und hatten nur gelegentlich bei Kleinteilen im Bereich Betten ausgeholfen. Das änderte sich nun grundlegend: "Aufgrund der Kommunikation nach außen erwartete der Kunde qualifiziertes Fachpersonal, das in manchen Fällen nicht nur bestens berät, sondern auch Kundenprobleme löst", erklärt Meik Kuhr.
So wurde das gesamte Team umgeschult und weiterqualifiziert. "Begonnen haben wir mit der klassischen Grundausbildung oder besser, mit der analogen Qualifizierung", so Heller-Kuhr. Inhaber wie Mitarbeiter nutzten hierfür das Bettenring-Schulungsprogramm mit seinen aufeinander aufbauenden Seminaren. Diesen Qualifizierungsweg schloss das gesamte Team über zwei Jahre mit dem von der LDT (Nagold) zertifizierten Schlafberater, in diesem Fall einem internet-basierten, also digitalen Lehrgang, ab. Allein zehn Abende verbrachten alle Mitarbeiterinnen mit Online-Seminaren vor dem heimischen Rechner. Am Ende standen ausschließlich die Noten "sehr gut" und "gut".
Doch trotz des Erfolges blieben auch Punkte offen: "Insbesondere die Recherche im Internet für die Ausarbeitung der schriftlichen Hausarbeit für die Schlafberaterprüfung hat gezeigt, dass die Schulungsprogramme vom Verband und den Lieferanten längst nicht erschöpfend sind", erinnert sich Heller-Kuhr. Insbesondere Themen, die von Kunden im Internet gesucht werden, kamen dem Lamker-Team zu kurz. "Nischen haben wir durch Schulungen von Markus Kamps und auch durch Sylvia Leins-Bender gefüllt." Mit der Verkaufstrainerin aus Nagold etwa kamen Themen wie Gesprächseröffnung, Bedarfsanalyse, Körpersprache oder erfolgreicher Verkaufsabschluss aufs Tapet.
"Daraufhin haben wir begonnen, eine neue Lernkultur aufzubauen und umzusetzen", erzählt Meik Kuhr. "Früher galt in vielen Betrieben: Informationsfluss vom Chef oder Externen hin zum Mitarbeiter. "Wir sind einen anderen Weg gegangen: Schulung von der Mitarbeiterin zur Chefin." Dem fünfköpfigen Team wurden dabei unterschiedliche Schwerpunkte zugeteilt, die jeweils bearbeitet und für das Team aufgearbeitet werden. Drei Rechner stehen für die Recherche im Netz zur Verfügung, so dass Leerlaufzeiten im Verkauf sinnvoll genutzt werden können. Manchmal kommen die Stichworte für eine Recherche auch von den Kunden.
Um die Ergebnisse zusammenzutragen und sich darüber auszutauschen, werden im Team flexible Termine nach Bedarf vereinbart. "Mindestens zweimal im Monat sitzen wir zu unterschiedlichen Themen zusammen", erläutert Meik Kuhr. "In unserem Team hat sich seitdem eine unglaubliche Dynamik entwickelt." Und Sandra Heller-Kuhr ergänzt: "Einen größeren Motivationsschub als den Kolleginnen und den Chefs neue Informationen und neues Wissen zu präsentieren, gibt es nicht." Damit nichts verloren geht, aber auch für das spontane Nachschauen zwischendurch, gibt es im Verkaufsraum einen klassischen Zettelkasten, in dem viele digitale Erkenntnisse analog gespeichert werden.
"Als dritten und vorerst letzten Baustein arbeiten wir mit der haptischen Qualifizierung", erläutert die Inhaberin. Denn bei allem fachlichen Wissen dürfen Gefühle und Emotionen nicht zu kurz kommen. "Den besonderen Geruch eines Neuwagens speichern insbesondere wir Männer sehr lange in unserem Gedächtnis", erklärt Meik Kuhr. Produktneuheiten oder neue Artikel im Sortiment würden oft nur kurz inhaltlich geschult, viel wichtiger sei das Ertasten und Erfühlen.
"Unsere drei Mitarbeiterinnen waren mit der Firma Traumina in Ungarn, um vor Ort zu erleben, wie die Ware aufbereitet, die Inletts genäht und gefüllt werden", erklärt Sandra Heller-Kuhr. Der Ausflug war eine Überraschung und die Belohnung für den Lern-Fleiß der Mitarbeiterinnen. "Sie kamen aus dem Schwärmen nicht mehr heraus", erinnert sich die Chefin. Vor allem aber hatten die anschließenden Beratungsgespräche eine merklich veränderte, positivere Ausstrahlung: "Begeisterung wurde vermittelt und Abschlüsse erfolgreich getätigt."
Ein weiterer Effekt der Schulungen ist das große Plus beim Verkauf von Motorrahmen. Die Preisangst ist den Mitarbeiterinnen durch Qualifizierung genommen worden - es gab teilweise Hemmungen vor hohen Bons, denn in einer Kleinstadt, wo man häufig miteinander bekannt ist, wollten sie ihren Kunden auch nicht zuviel zumuten. Das ist passé. "Wenn ich vernünftig berate und die Kunden sich aufgehoben fühlen, habe ich auch keine Preisdiskussionen", erklärt Meik Kuhr. Und bei Kunden, die mit der Idee eines Boxspringbettes das Geschäft betreten, ist es mittlerweile so, dass sie nach eigehender Beratung eher mit einem Schlafsystem nach Hause gehen. Auch hier zählt die Beratung und die erarbeitete Lösung, der Preis steht dann nicht so sehr im Fokus.
Dass für den geschäftlichen Erfolg eine gute und umfassende Qualifizierung elementar wichtig ist, hat das Inhaber-Ehepaar gezeigt. Doch das ist kein Grund zum Ausruhen: "Mitarbeiterqualifizierung ist nie zu Ende", betont Sandra Heller-Kuhr. "Auf den drei Säulen, die wir bei uns aufgestellt haben, wird sie allein durch die Dynamik im Team ständig rotieren und sich weiterentwickeln", ist sie sicher. Mit dem erarbeiteten Umsatzplus sind die Inhaber zufrieden. "Die Mitarbeiterinnen haben ebenfalls Erfolg und entwickeln sich ständig weiter", freut sich Meik Kuhr. "Und besonders gut zufrieden sind unsere Kunden."
aus
Haustex 11/18
(Handel)