Roundtable Tapete
Erster Tapeten-Roundtable schlägt gemeinsam finanzierte Werbung vor
Die deutsche Tapetenbranche zeigt sich geeint. Zum ersten Mal setzten sich Vertreter aus Handel und Industrie an einen Tisch, um über die Zukunft der Tapete zu beraten. Ihr Entschluss: Alle Marktteilnehmer sollen sich an der Finanzierung einer Werbekampagne beteiligen.Die Tapetenbranche steckt tief in der Krise. Deutliche Umsatzrückgänge machen ihr schwer zu schaffen. Inzwischen aber hat die Branche den Ernst der Lage erkannt und entschied sich zu einem für sie ungewöhnlichen Schritt. Erstmals setzten sich Vertreter von Großhandel, Facheinzelhandel, Baumarkt, Industrie und Verbänden auf Einladung von BTH Heimtex an einen Tisch, um die Reißleine zu ziehen. "Wir müssen endlich gemeinsam handeln", waren sie überzeugt. Nach intensivem und konstruktivem Brainstorming in der Mühle Meilsdorf vor den Toren Hamburgs einigten sie sich darauf, mit vereinten Kräften eine von allen gemeinsam finanzierte professionelle Werbekampagne auf den Weg zu bringen. Sie verabschiedeten zudem eine umfangreiche Liste von möglichen Projekten. Der Verband der Deutschen Tapetenindustrie (VDT) erarbeitet einen Fahrplan für die Umsetzung.
Die Zahlen, die VDT-Geschäftsführer Karsten Brandt zu Beginn der Gesprächsrunde vorlegte, sprechen eine deutliche Sprache. In den vergangenen fünf Jahren kannten die Umsätze nur eine Richtung: nach unten. Lag das Minus gegenüber dem Vorjahr 2014 noch bei 0,1 %, steigerte es sich 2016 auf 3,9 % und 2017 dann auf 9,3 %. 2018 scheint zwar ein wenig besser zu laufen. Dennoch ist ein Rückgang in den ersten acht Monaten erheblich. Nach Vertriebskanälen aufgesplittet, hat der Baumarkt mit 32 % den höchsten Umsatzanteil, gefolgt vom Fach- und Einzelhandel (26 %), dem Großhandel (17 %), den Discountern (16 %) und Sonstigen (9 %).
Stärkere Zusammenarbeit
von Industrie und Handel
Brandt servierte nicht nur Zahlenmaterial, sondern hatte vor der Veranstaltung auch bei Industrie und Handel erfragt, was den Unternehmen auf den Nägeln brennt. Mehrheitlich stimmten sie der Aussage zu, dass die Tapetenbranche seit Jahren Absatz verliere, obwohl das Produkt so vielfältig und attraktiv sei wie nie. Die Befürchtung steht im Raum, dass sich bei diesem anhaltenden Trend einzelne Vertriebsformen aus der Tapete zurückzögen. Um die Zukunft der Tapete erfolgreich mit zu gestalten, bedürfe es der professionellen Verbraucherwerbung. "Und Handel und Industrie müssen viel mehr gemeinsame Initiativen starten", lautete der Tenor.
Auf Basis dieser Aussagen erarbeiteten die Anwesenden eine umfangreiche To-Do-Liste, an deren Anfang Werbung in Rundfunk oder Fernsehen steht. Finanziert werden soll sie von allen Marktteilnehmern gemeinsam. In welcher Form dies geschehen kann, wird derzeit überprüft. Brandt geht davon aus, dass für eine wirkungsvolle Kampagne ein Betrag in siebenstelliger Höhe in die Hand genommen werden müsse. Zudem solle sie drei bis fünf Jahre laufen, um ihren Zweck zu erfüllen. "Wir müssen mit der Werbung jeden Tag deutlich machen, wie schön die Tapete ist. Und wenn auch nur eine Wand tapeziert wird", sagte der Geschäftsführer der Marburger Tapetenfabrik, Wolf Kappen. Brandt argumentierte ähnlich: "Man muss über Werbung Begehrlichkeiten schaffen. Nichts zu unternehmen, ist keine Alternative." Was der Endverbraucher nicht sehe, begehre er auch nicht.
Roland Bantel, Vorstandsmitglied des Gummersbacher Herstellers A.S. Création, forderte, dem Verbraucher im Zuge der Werbung auch die Angst vor dem Tapezieren zu nehmen. Moderne Vliestapeten seien entgegen den herrschenden Befürchtungen leicht an die Wand zu bringen. Das müsse herausgestellt werden. "Auch die Abziehbarkeit der Vliestapete ist beim Verkauf ein wichtiges Argument", meinte Albert Riksen, Geschäftsführer des Onlinehändlers Orex.
Mehr Weiterbildungsangebote
Die Verarbeitung ist ein Bereich, der nach Meinung der Gipfelteilnehmer insgesamt stärker thematisiert werden müsse. So sei eine verlässliche Qualität nötig. Nach Ansicht von Marion Drechsler von Großhändler Kurt Weigel dürften die Vliestapeten trotz des Kostendrucks nicht dünner werden. Joachim Stock, Vertriebsleiter Gebr. Rasch und Geschäftsführer der Rasch-Tochter Rasch Textil, rief wiederum den Großhandel auf, den Handwerker mehr für die Tapete zu begeistern. Nach Angaben Brandts verkleben lediglich 10 bis 20 % der Maler Tapete. Wenn sich aber der Handwerker für die Wandbekleidung begeistere, könne er diese Leidenschaft auch dem Endverbraucher vermitteln.
Die Runde sprach sich deshalb für gemeinsame Aktionen von Handel und Industrie aus, um das eigene Personal und die Handwerker wieder an die Tapete heranzuführen. Zudem sei es wichtig, zusätzliche Ausbildungsangebote zu machen, die die Beratungskompetenz stärken.
Einen weiteren Wunsch äußerte der Handel: Er forderte die Industrie auf, mehr Raumbilder zu liefern. Viele Kunden könnten sich die Wirkung der Tapete in einem Raum nicht vorstellen. "Wir verkaufen Raumwirkung", machte Frank Böttner von der Decor-Union deutlich.
Einig waren sich die Teilnehmer des Gipfels, dass statistisches Material der gesamten Branche zugute komme. Dabei gehe es beispielsweise um Frage, wie viele Tapeten online und wie viele stationär verkauft werden. Eine intensiv gepflegte Statistik helfe sowohl Industrie als auch Handel beim Verkauf der Tapete.
Nächster Gipfel
im Mai 2019
Abgehandelt wurden also zahlreiche Aspekte - von der Werbung über die Verarbeitung und Weiterbildung bis hin zu Zahlenmaterial. Inwieweit die jeweiligen Forderungen auch umgesetzt werden, wird sich zeigen. Ein Anfang, der gemeinsames Handeln im Interesse aller in Gang setzt, ist aber gemacht.
Die Gipfelteilnehmer waren jedenfalls hoch zufrieden über den Verlauf der Veranstaltung. Deshalb findet am 23. Mai 2019 ein zweiter Roundtable inklusive Abendveranstaltung statt. Bei der Messe Heimtextil will der Verband der deutschen Tapetenindustrie schon im Januar in der VDT-Tapetenlounge in Halle 3.1, Stand G89, einen Zwischenstand über die Arbeit an den verabredeten Projekten geben und mit den Fachbesuchern darüber diskutieren.
| cornelia.kuesel@snfachpresse.deKommentar von Cornelia Küsel
Gemeinsam sind sie stark
Für die Tapetenbranche ist es fünf vor zwölf. Wenn sie nicht untergehen will, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen und schnellstmöglich handeln. Bereit sind sie mittlerweile dazu. Das wurde auf dem ersten Tapetengipfel von Handel und Industrie deutlich. Konstruktiv, lösungsorientiert und harmonisch verlief dieses erste erfolgreiche Treffen, bei dem immer wieder betont wurde: Gemeinsam sind wir stark. Am Ende stand eine ehrgeizige To-Do-Liste, die von dem ernsthaften Willen getragen wird, ein attraktives Produkt wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.
Sicherlich helfen Einzelaktionen wie die Endverbraucher-Kampagne Bude 2.0 von A.S. Création und Testimonials wie Guido Maria Kretschmer oder Barbara Schöneberger, die Aufmerksamkeit auf die Tapete zu lenken. Sie sind aber nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Um die Kehrtwende beim Umsatz herbeizuführen, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen. Eine von allen Marktteilnehmern finanzierte Rundfunk- oder Fernsehwerbung, die bei den Gipfelteilnehmern höchste Priorität genießt, wäre zweifellos der wichtigste Schritt, um die Tapete in ihrer Vielfalt für den Verbraucher wieder sichtbarer und sie zu einem gefragten Element der Inneneinrichtung zu machen.
Bleibt zu hoffen, dass die dafür nötigen Investitionen den einen oder anderen nicht wieder abschrecken. Das würde eine umfassende Werbung, wie sie der Verband der deutschen Tapetenindustrie schon geplant hatte, erneut auf Eis legen.
Viel Zeit aber bleibt nicht mehr. Und die sollte von den wenigen in Deutschland verbliebenen Herstellern zusätzlich dafür genutzt werden, über den eigenen Schatten zu springen und ihre gegenseitigen, aus dem Kartellverfahren resultierenden Animositäten endlich abzubauen.
Die Tapete ist es wert, alle Versuche für ihre Rettung zu unternehmen. Dazu gehört auch, die Arbeit im Verband mit vereinten Kräften zu alter Stärke zurückzuführen. Denn der hat in der Vergangenheit schon so einige zündende Ideen zum Wohl der gesamten Wertschöpfungskette umgesetzt. Wie viel mehr könnte er erreichen, wenn er von allen Herstellern gestützt würde.
Die Expertise und Kreativität der kleinen Mannschaft wären ein solider Baustein für eine von allen Marktteilnehmern getragene, erfolgreiche Werbekampagne. Wie hoch deren Engagement ist, zeigte sich einmal mehr beim Roundtable. VDT-Geschäftsführer Karsten Brandt kündigte an, mit seinem Team an der Umsetzung der weiteren Punkte in der To-do-Liste zu arbeiten. Das verdient die volle Rückendeckung.
aus
BTH Heimtex 12/18
(Tapeten, Wandbeschichtungen)