Zielgruppe Best Ager

Zwei Fachhändler spezialisieren sich auf älter werdende Kunden


Hamburg. Die Alten kommen: Der demografische Wandel verändert auch die Kundschaft im stationären Handel. Dabei sind die so genannten Best Ager eine interessante Zielgruppe. Denn die Generation 60plus ist konsumfreudig und an seniorengerechten Möbeln interessiert, die auf Altenheim-Charme verzichten. Zwei Bettenfachhändler haben sich darauf spezialisiert.

Die Lebenserwartung in Deutschland steigt, die Zahl der älteren Menschen wird sich in den kommenden beiden Jahrzehnten deutlich erhöhen. Ab 2020 tritt die Generation der Baby-Boomer in den Ruhestand und wird das künftige Kaufverhalten maßgeblich mitbestimmen.

Während aktuell jeweils rund ein Fünftel der Deutschen unter 20 Jahre beziehungsweise über 65 Jahre alt ist, tritt auch hier eine klare Veränderung ein: Im Jahr 2030 werden die 65-Jährigen und Älteren bereits etwa 29 Prozent der Bevölkerung ausmachen. 2060 wird dann mehr als jeder Dritte mindestens 65 Lebensjahre erreicht haben.

Außerdem werden die Menschen immer älter. Dank verbesserter medizinischer Versorgung, guter Ernährung und besserer Arbeitsbedingungen wird dieser Trend anhalten. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes steigt die durchschnittliche Lebenserwartung bei neugeborenen Jungen bis zum Jahr 2060 auf 85 Jahre und bei neugeborenen Mädchen auf 89,2 Jahre.

"Der demografische Wandel in Deutschland ist nicht aufzuhalten", weiß auch die Münchner Fachhändlerin Tanja Dressel-Marquart. "Seit diesem Jahr gibt es in Deutschland mehr Menschen über 60 Jahre als zwischen 40 und 60 Jahren." Dressel-Marquart reagiert und baut das Angebot ihres Fachgeschäftes für die Kunden 60plus gezielt aus: "In Zeiten des Wandels sollte man sich immer wieder die Frage stellen, was und vor allem wer auch in Zukunft noch im Fachhandel kauft."

Dass die Münchnerin die Senioren in den Blick genommen hat, kommt nicht von ungefähr. Denn die Zielgruppe 60plus wächst nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ - in keinem Alterssegment wächst der Konsum so stark wie bei den Senioren. Nahezu jeder dritte Euro stammt mittlerweile von ihnen. So stiegen innerhalb von zwei Dekaden, zwischen 1993 und 2013, die Konsumausgaben der über 60-Jährigen von 192,2 auf 375,3 Milliarden Euro und damit auf nahezu das Doppelte. Ihr Anteil am gesamten privaten Konsum wuchs zwischen 1993 und 2013 von 22,4 auf 29,7 Prozent.

Die steigende Konsumfreude bleibt auch in höheren Altersstufen erhalten. So hat beispielsweise die Bedeu-tung der über 70-Jährigen in den vergangenen 20 Jahren erheblich zugenommen. Ihr Anteil am gesamten Konsum stieg von 11,6 auf nunmehr 17,8 Prozent. Im Vergleich dazu verlieren jüngere Altersgruppen an Bedeutung. Das macht die Senioren auch für den Bettenfachhandel immer interessanter, denn ein altersgerechtes und individuell gestaltbares Wohnumfeld wird für ältere Menschen zunehmend wichtiger.
"Auch wir haben uns auf den Demografischen Wandel spezialisiert", berichtet Marcel Engels, der mit seiner Frau Tina ein Fachgeschäft in Windeck-Mauel im Rhein-Sieg-Kreis betreibt. "Das heißt konkret, dass wir zukunftssichere und stufenlose Möbel anbieten, die den Ansprüchen an Komfort und Ästhetik gerecht werden und dem Menschen weitestgehend ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, und nicht im Falle einer Hilfsbedürftigkeit eine Hilflosigkeit auslösen."
Engels Schlafraum hat sich daher auf die Senioren spezialisiert. In einem Geschäft, das ausschließlich von Zielpublikum lebt, ist das nicht auf seniorengerechte Betten beschränkt. "Dieses Konzept benötigt peripheres medizinisches Wissen, welches durch Schulungen permanent erweitert wird, so dass man eine realistische Problemlösung darstellen und anbieten kann", betont Engels. "In diesem Bereich arbeiten wir mit ansässigen Firmen wie zum Beispiel Sanitärfirmen, Liftherstellern und Radio-Fernsehhändlern für die Haussteuerung zusammen, so dass wir hier in der Lage sind, ein spezielles Netzwerk aufzubauen."

Im Bettenbereich setzt Engels auf die Firmen Stiegelmeyer, Kirchner und Froli Bettsysteme. Für die Schrankplanungen arbeitet er mit Raumplus, Trüggelmann und Häfele zusammen. Das Sortiment wurde außerdem um Sessel mit Aufstehhilfe der Firma Fitform erweitert. Aus Sicht von Engels ist der zusätzliche Verkaufsbereich fast so etwas wie eine Neugründung, "da der Kunde diese Art von Möbeln nicht zwangsläufig mit dem Bettenfachhandel assoziiert", wie er sagt. Aber das Interesse an zukunftssicheren Möbeln werde immer größer - die damit verbundenen Aufträge ebenso. "Unsere Philosophie liegt darin, dass wir möglichst bald die Vergleichbarkeit des klassischen Bettenfachhandels verlassen können, um durch unsere Kompetenz und durch unser Wissen die Art von sehr kleinem Fachgeschäft dauerhaft aufrechterhalten können", so Engels.

Das Matratzenhaus von Tanja Dressel-Marquart in München wird seit Januar 1994 als Familienbetrieb geführt. Das von Vater Werner Dressel gegründete Fachgeschäft stand von Beginn an im Zeichen der Schlafgesundheit. Bereits 2002 nahmen Vater und Tochter das Kirchner Liftsystem in die Ausstellung auf. "Seitdem ist Kirchner immer mit mindestens zwei Liegeflächen bei uns im Laden vertreten und wir generieren stetig wachsende Umsätze mit Kirchner-Liegeflächen, aber auch mit Partnerliegeflächen der Firmen Lattoflex und Rummel", so Dressel-Marquart.

Im nächsten Schritt erweitere die Fachhändlerin jüngst das Angebot für die Zielgruppe 60plus unter dem Projektnamen "Seniorenladen", der die Bereiche Schlafen, Sitzen und Wohnen abdeckt. "Wir präsentieren auf einer Ausstellungsfläche von aktuell 120 Quadratmetern zukunftssichere Betten der Firmen Kirchner, Stiegelmeyer und Doc. Hier zeigen wir Doppelbetten, Einzelbetten aus Polster und Holz, ja sogar Boxspringbetten." Darüber hinaus wurden Sitzmöbel mit Fokus auf Aufstehhilfen und gegebenenfalls Pflegefähigkeit aufgenommen. "Hier sind wir bei der Firma Spaziorelax in Italien auf einen Spezialisten gestoßen", so Dressel-Marquart. Ihr Plan: "Mit zukunftssicheren Produkten in eine sichere Zukunft!"

Der Erfolg des Seniorenthemas kommt dabei nicht von allein: "Darin sind wir so gut, weil wir gezielt daraufhin werben, die Produkte im Verkauf offensiv anbieten und nicht warten, bis jemand danach fragt". Mit einem eigenen Schreiner kann außerdem der benötigte Service angeboten werden. Für 2019 plant Dressel-Marquart eine Erweiterung der Produktpalette um stufenlose Schranklösungen und eine Partnerausstellung für zukunftssichere Bäder und Küchen. "Auch das Thema Treppenlift haben wir in Angriff genommen und sind hier in Verhandlung mit einem Netzwerkpartner", erklärt die Fachhändlerin.
Parallel hat Dressel-Marquart eine neue Internetseite mit dem dazugehörigen SEO-Marketing an den Start gebracht. Außerdem wirbt sie in jeder Sonderausgabe zum Thema Senioren oder Generation 50/60plus in der Süddeutschen Zeitung sowie in den regionalen Wochenblättern. Im kommenden Mai stellt die Fachhändlerin außerdem auf der Messe 66 in München aus.

Bei all dem ist aus Sicht von Dressel-Marquart vor allem die Kundenansprache ein wichtiges wie auch sensibles Thema: "Wir sprechen heute von Down-aging. Die sogenannte Silver Society möchte gerne 15 Jahre jünger wahrgenommen werden." Ihr Fazit: "Die Ausstellung muss modern und locker sein. Sie darf nicht nach Altenheim oder betreutem Wohnen aussehen, aber es müssen alle Funktionen für die Zukunft darin enthalten sein."
aus Haustex 12/18 (Handel)