Interior Trends aus Großbritannien

Bangemachen gilt nicht: Trotz bevorstehendem Brexit zeigen sich die britischen Designer so kreativ wie eh und je. Ilona Schulz hat sich in London umgeschaut, welche Dessins dort gerade auf Stoffen, Teppichen und Tapeten angesagt sind.

Das Londoner Victoria & Albert Museum warf Ende des Jahres einen Blick in die Zukunft. Die Ausstellung "The Future Starts Here" zeigte hoffnungsvolle, aber auch beängstigende Wohn- und Lebensmodelle. Nichts geht mehr ohne Digitalisierung. Zum Beispiel globale Wohnmodelle, Roboter zur Befriedigung unserer emotionalen und sozialen Bedürfnisse, das Erhalten unseres ökologischen Lebensraums, Wohnen auf dem Mars und das ewige Leben, das Gehirn angeschlossen an einen Computer. Schöne neue Welt.

Was die nahe Zukunft anbelangt, so stehen die britischen Hersteller von Wohnkultur zum Glück noch mit beiden Beinen auf der Erde. Dabei gewähren die Briten - Erfinder von Teamwork und Fairplay - zur neuen Saison spannende Einblicke in neue Partnerschaften.

Zum Beispiel Blackpop. Das noch relativ junge Unternehmen - 2013 von der Designerin Maxine Hall gegründet - konnte sich mit seinen ungewöhnlichen, eklektischen und zum Teil surreal anmutenden Tapeten sehr schnell im Markt etablieren. Inzwischen bietet man auch Stoffe im typischen Blackpop-Stil an.

Nun ist Blackpop eine Zusammenarbeit eingegangen mit dem Sir John Soane’s Museum. Entstanden sind fünf neue Tapeten- und drei neue Stoff-Designs, inspiriert von historischen Vorlagen des Museums. Maxine Hall sagt: "Es ist ein enormes Privileg und eine große Verantwortung, mit dieser berühmten Sammlung zu arbeiten. Zwei meiner Highlights sind entstanden aus Robert Adams Zeichnungen. Das andere Design basiert auf einem Gemälde Canalettos. Oder eine Tapete, inspiriert von einem Deckengemälde im Schlafzimmer Elizabeth I. in Schloss Hampton Court. Unsere Vorgehensweise ist nicht, existierende Designs zu kopieren, sondern es ist ein kreativer Prozess, etwas auflösen, wieder zusammenführen zu einem neuen Kunstwerk."

Von der Wand auf den Boden

Und noch eine Kooperation meldet Maxine Hall: Gemeinsam mit dem Teppichhersteller Knots Rugs sind drei Designs in vielen verschiedenen Farben entstanden; alle handgeknüpft in Nepal und Jaipur.

Nach der Zusammenarbeit mit großen britischen Namen wie Liberty Fabrics oder Margo Selby präsentiert Alternative Flooring nun einen neuen Partner: Zoffany, hochgenriger Anbieter von Tapeten, Möbel- und Dekostoffen. Peter Gomez, Head of Zoffany Studio dazu: "Wir sind begeistert, mit Alternative Flooring zusammenarbeiten zu können. Man hat fünf unserer typischen Designs wunderschön umgesetzt auf Teppichen für stylische Interieurs. Mit unserer Alchemy of Colour Palette werden sie unsere Stoffe, Tapeten und Farben wunderbar ergänzen."

Lorna Haigh, Creative und Marketing Director bei Alternative Flooring: "Das ist der Start für eine spannende Zusammenarbeit mit dem Luxusanbieter Zoffany. Erstmals werden seine Designstories übersetzt auf ein völlig anderes Produkt, auf Teppiche. Das ermöglicht den Interiordesignern, kreativ mit Textilien zu spielen, die Designkonzepte für ihre Projekte umzusetzen."

Alle Entwürfe sind sehr opulent in Farbe und Design. Die Serie mit Tapeten und Teppichen trägt den Namen Dunand nach dem Art Deco-Künstler Jean Dunand mit den typischen lebhaften, geometrischen Mustern.

Auf nach Europa

Brexit hin oder her, der Lifestyle-Anbieter House of Hackney hat den Sprung über den Teich gewagt. Entstanden ist eine spektakuläre Kollektion von Tapeten, Stoffen und Home Accessoires in Zusammenarbeit mit der berühmten französischen Tapetenmanufaktur Zuber.

"Dass wir Zugang bekamen zum Archiv von Zuber und die reichen historischen Tapeten sehen konnten, war sehr inspirierend. Zubers Schatztruhe mit seinen zeitlos eleganten Designs war phantastisch", sagt Frieda Gormley, Mitgründerin von House of Hackney. "Mit Hilfe digitaler Druckmethoden können wir eine Auswahl dieser Designs unseren internationalen Kunden offerieren."

Der Schritt nach Berlin ist Timorous Beasties, schottischer Hersteller von hochwertigen Tapeten und Möbelstoffen im Avantgarde-Genre, schon gelungen. "Wir wollten schon vor vielen Jahren nach Berlin, haben aber nichts Passendes gefunden. Jetzt haben wir einen phantastischen, großen Showroom in Berlin-Tiergarten angemietet", freut sich Alistair McAuley, einer der Firmengründer. "Wir wollen Business mit Deutschland, mit Europa machen. Wir werden nicht warten, was hier mit dem Brexit passiert. Den haben wir nicht gewollt. Jetzt können wir mit guten Partnern von Berlin aus starten. Berlin ist so jung, kreativ und spannend wie Glasgow."

Große Namen - bewährte Teams

Ein ganzes Konvolut an Designer-Namen bietet Designers Guild. Zum Beispiel William Yeoward, Christian Lacroix Maison, Ralph Lauren Home. Tricia Guild präsentiert in dem großen Geschäft an Londons King’s Road ihr gesamtes Lifestyle-Konzept. Darunter unzählige Tapeten und ein enormes Spektrum an Farben. Im Untergeschoss gibt es sogar eine Farbmischmaschine. In ihrem neuen Buch Paint Box erläutert Guild den gesamten Prozess von der Farbauswahl bis hin zum individuell gestalteten Raumdesign: "Wenn ich einen Stoff oder eine Tapete kreiere, denke ich immer an den kompletten Lifestyle."
Für ihre neue Kollektion wurde sie inspiriert von Reisenden des 19. Jahrhunderts wie Isabella Bird, Autorin zahlreicher Reiseberichte. Viele florale Dessins, etwas Exotik in einer sehr umfangreichen Farbpalette. "Ich verwende zum ersten Mal Orange", erklärt Tricia Guild. "Immer wieder wurde ich gefragt, warum bringst du nicht Orange. Jetzt ist es da."

Matthew Williamson hat für Osborne & Little eine Stoff- und Tapetenkollektion entworfen mit dem Namen Deya, benannt nach einem kleinen Dorf in den Hügeln Mallorcas. Dort hat der Designer ein Haus und die Natur der Umgebung diente als Inspiration mit vielen Blumen, Schmetterlingen und - als immer wiederkehrendes Motiv - Libellen. "Sie waren schon immer eine Inspirationsquelle für mich", sagt Williamson. "Ich liebe diese kleinen juwelenartigen Stickereien der Libellen."

Die Nina Campbell Kollektion - bedruckte und bestickte Stoffe, Tapeten - wurde inspiriert von französischen Stoffen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, produziert in Ostindien und via Compagnie des Indes nach Frankreich transportiert. Eine reiche Palette von Blau, Aqua und Koralle sowie Schwarz mit Smaragdgrün, Rot mit Aquamarin und Pink mit Grau.

Colefax and Fowler ist einer der traditionellen Anbieter von Tapeten und Wohntextilien, gegründet von Sibylla Colefax und John Fowler in den 1920er Jahren. Die neue Tapetenkollektion ist geprägt von prachtvollen Paisleys, kleinen floralen Dessins und Stickerei-ähnlichen Details. Die drei klassischen breiten Streifendessins setzen dezente dekorative Akzente und bieten textilähnliche Texturen durch raffinierte Ausrüstungen.

Die Linie Jane Churchill zeigt Tapeten mit abstrakten Darstellungen. Dazu elegante Rautenmuster und dezent strukturierte Motive in Gras-Optik.

Ein sehr traditionelles britisches Unternehmen ist der Tapetenhersteller Lincrusta. "Wir sind gerade dabei, uns neu zu erfinden", erklärt Managing Director Martin O’Kane. Er will weg vom Image der "Treppenhaustapete". Mit modernem Design, aber der traditionellen Lincrusta-Technik, soll verloren gegangenes Terrain wieder erobert werden. Die ersten Schritte sind schon getan.

Werfen wir abschließend noch einmal einen Blick auf die Kunst. Das britische Art Magazine Frieze berichtet über eine Untersuchung, der zufolge Befürworter des harten Brexit Kunst anders sehen und bewerten als Brexit-Gegner. Das heißt, die Brexiter bevorzugen realistische Kunst. Bleibt zu hoffen, dass sie auch andere Bereiche des Lebens realistischer sehen werden, auf dass die Briten starke Partner für Europa bleiben, wie es sich nicht nur House of Hackney und Timorous Beasties wünschen. | Ilona Schulz
aus BTH Heimtex 01/19 (Handel)