Kleiner Fehler – Großer Schaden: Fehlende Feuchtigkeitssperre | Mangelhafte Fertigteildecke verursacht Wasserschaden
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um ein Bürogebäude, bei dem abweichend zum Leistungsverzeichnis (LV) die Ausbaureihenfolge dahingehend verändert wurde, dass zuerst das Erdgeschoss fertiggestellt wurde, bevor der Estrich in den oberen Stockwerke eingebaut wurde.
Ein Estrichleger erhielt den Auftrag, einen Calciumsulfatfließestrich auf Trittschalldämmung in den Neubau eines Bürogebäudes einzubauen. Die Besonderheit bei diesem Objekt waren die großen stützenfreie Räume in den beiden oberen Geschossen. Diesem Umstand geschuldet, ließ der Planer die Zwischendecken als Spanndecken ausführen. Die Gesamtfläche betrug rund 1.650 m
2 auf drei Ebenen und ungefähr jeweils 550 m
2 pro Stockwerk.
Die Bauleitung entschied sich wegen Verzögerungen bei der Gebäudeerrichtung für eine etappenweise Fertigstellung der einzelnen Stockwerke. Aufgrund der Raumaufteilung stellten die Handwerker zuerst das Erdgeschoss mit den Sozial-, Server- und Laborräumen sowie den Empfang fertig. Die Estricharbeiten im Erdgeschoss wurden gemäß LV ohne Beanstandung durchgeführt, mit keramischen Fliesen und Teppichboden verlegt und in Betrieb genommen.
Als nächste Ebene folgte das erste Obergeschoss gemäß Leistungsverzeichnis mit der Verlegung eines Folienrandstreifens und einer Lage Trittschalldämmung, da keinerlei Rohrleitungen auf der Rohdecke vorhanden waren. Die Estrichleger deckten die Dämmung anschließend mittels 0, 2 mm dicker PE-Folie ab und verklebten die Stöße vollflächig.
Die anschließende Estrichverlegung erfolgte problemlos. Dank der Fahrmischer- und Pumpentechnik konnten die rund 33 m
3 Calciumsulfatfließestrich innerhalb weniger Stunden eingebaut werden. Die böse Überraschung: In den Abendstunden des Einbautags kam es zu teilweise großen Wassermengen im bereits fertiggestellten Erdgeschoss durch die Deckenkonstruktion. Labor, Serverraum und die Umkleiden waren besonders stark vom Wasserschaden betroffen.
Schaden
Undichte Deckenkonstruktion
sorgt für Wasserschaden
Der Sachverständige wurde drei Tage nach dem Schadenseintritt zum Objekt gerufen, um die Schadensursache zu klären. Augenscheinlich war der Fließestrich im ersten Obergeschoss tadellos verlegt. An der Estrichoberfläche waren keinerlei Unregelmäßigkeiten wie Vertiefungen durch weggelaufenes Material festzustellen. Beim Begehen des Erdgeschosses hingegen konnten zahlreiche durchnässte und zum Teil gebrochene Weichfaserplatten der abgehängten Decke und Wasserspuren an den Wänden festgestellt werden. Auffällig war, dass das Wasser klar und nicht verschmutzt war. Es war eindeutig an den Stoßkanten der Betonplatten durchgedrungen. Beim Begehen des zweiten Obergeschosses - welches sich noch im Rohbau befand - konnte die Ursache für das Durchdringen des Überschusswassers aus dem Estrich ermittelt werden. Üblicherweise werden häufig so genannte Halbfertigteile verwendet, die im Anschluss mit einem Ortbeton vollflächig überbetoniert werden.
In diesem Gebäude wurden jedoch fertige Spannbeton-Massivteile verwendet, die nur noch an den Stößen ausbetoniert werden. Durch das typische Schwinden des Betons entstanden an den Stoßkanten überall feine Risse, an denen das Wasser ungehindert durch die Deckenkonstruktion laufen konnte. Bedauerlicherweise traf es im Erdgeschoss hauptsächlich den Serverraum samt Telefonanlage sowie den Technikraum. Ursächlich hierfür waren zusätzliche Deckendurchbrüche für die Kabelführungen zu diesen Räumen. Infolge der Durchfeuchtung einiger Deckenleuchten kam es zu einem Kurzschluss im Stromkreis.
Die Ermittlung der klimatischen Bedingungen sowie der einzelnen Bauteilfeuchten ergaben zu diesem frühen Zeitpunkt noch erhöhte Feuchtigkeiten - das galt für den Deckenzwischenraum und in den betroffenen Bauteilen. Aus diesem Grund empfahl der Sachverständige dringend eine Raum- und Bauteiltrocknung.
Ursache
Fehlende Feuchtigkeitssperre
auf der Fertigteildecke
Die Ursache der im Bauvorhaben entstandenen Feuchtigkeitsschäden war der fehlenden Abdichtungslage bei dieser Deckenkonstruktion in Verbindung mit den umgedrehten Ausbaustufen (von unten nach oben) geschuldet.
In welchen Verantwortungsbereich fallen die Schäden? Bevor die Frage der Verantwortung beantwortet werden kann, sollte an dieser Stelle Folgendes erwähnt werden: Aufgrund der Vielzahl an baubedingten Abweichungen sowohl in puncto Ausführung als auch im zeitlichen Ablauf, ist es äußerst schwierig hier eine Zuordnung festzulegen. So hat der Estrich verlegende Betrieb zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht mit dem stockwerkweisen Einbau gerechnet, der von unten nach oben stattfand. Auch war der Bauleitung nicht bewusst, dass diese Art von Betondecken in der Fläche nicht flüssigkeitsdicht sind, da keine Feuchtigkeitssperre auf der Rohdecke ausgeschrieben wurde. Zwar wurde im LV unter Punkt 8 eine "Dampfsperre" aus PE-Folie 0,2 mm auf der Dämmung ausgeschrieben. Diese dient aber gemäß DIN 18560-2 Estriche im Bauwesen- Teil 2 Estriche und Heizestriche auf Dämmschichten (schwimmende Estriche) nicht als Feuchtigkeitssperre, sondern lediglich als Schutz für die darunterliegenden Dämmschichten und wird auf die Dämmschicht gelegt.
5.1.2 Abdecken
Vor dem Aufbringen des Estrichs muss die Dämmschicht mit einer Polyethylenfolie von mindestens 0,15 mm Dicke oder mit einem anderen Erzeugnis vergleichbarer Eigenschaften abgedeckt werden. Die einzelnen Bahnen müssen sich an Stößen auf mindestens 80 mm überdecken. Zur Abdeckung sind auch andere Stoffe oder Maßnahmen zulässig, wenn eine den oben genannten Stoffen gleichwertige Funktion des Abdeckens nachgewiesen wird Abdeckungen können nicht als geeignete Maßnahmen zum dauerhaften Schutz der Dämmschicht gegen Feuchte angesehen werden.
Wenn die Bauleitung Feuchtigkeit auf der Rohdecke erwartete, hätte sie eine Feuchtigkeitssperre auf der Rohdecke ausschreiben müssen, und eben nicht lediglich eine Gleitschicht auf der Dämmung. Zum besseren Verständnis lässt sich die Funktion der Abdeckung bei der Verlegung eines Estrichs mit einer Fußbodenheizung und einer so genannten Tackerplatte als Trägerplatte für die Heizrohre vergleichen. Hierbei werden im Abstand von 20 cm regelmäßig Tackerkrampen in die Dämmschicht geschossen. Dadurch wird die Abdeckung vielfach perforiert, was dazu führt, dass an jeder Krampe Wasser in die Dämmung eintritt. Dieses System ist das am weitesten verbreitete Heizsystem in Verbindung mit Fließestrich. Dabei gelangt immer Feuchtigkeit in die Dämmschicht. Aufgrund der Tatsache, dass sich jedoch diese geringe Menge an Wasser in der Dämmschicht als nicht schadensträchtig erwiesen hat, wird dieses System bevorzugt verwendet.
Anhand dieses Beispiels und dem Normauszug soll gezeigt werden, dass sich an diesem Bauvorhaben keiner der Beteiligten Gedanken bezüglich der Feuchtigkeit des Estrichs gemacht hat. Daher liegt aus Sicht des Sachverständigen auch die Verantwortung nicht alleine bei dem Estrichleger. Vielmehr hätte eine Abstimmung aller Beteiligten stattfinden müssen. Konkret hätte die im LV genannte Ausführung bei dem Einbau "am Stück" zu keinem Schaden geführt. Auch nicht bei einer "Ausführung in Etappen", wenn von oben nach unten gebaut worden wäre.
Verantwortlichkeit
Estrichleger und Planer
haften und teilen die Kosten
Aufgrund der optisch sichtbaren Risse über die gesamte Breite der Fertigteilplatten hätte der Estrichleger Bedenken anmelden und auf eine Feuchtigkeitssperre auf der Rohdecke bestehen müssen, da ein Fließestrich immer Überschusswasser in der Erhärtungsphase freigibt. Gleiches gilt jedoch für die Bauleitung und Planung. Erwähnenswert aus Sicht des Sachverständigen ist, dass es an diesem Bauvorhaben ein Leichtes gewesen wäre, eine Folie auf die Rohdecke zu legen, da es keine Rohrleitungen auf dem Untergrund gab.
Der Sachverständige empfahl im noch zu verlegenden zweiten Obergeschoss die notwendige Feuchtigkeitssperre aufzubringen und anschließend erst die Dämmschichten mit dem Fließestrich zu verlegen.
aus
FussbodenTechnik 02/19
(Handwerk)