Kleiner Fehler – Großer Schaden:

Netzartig zerrissener Verbundestrich – Fehlende Nachbehandlung sorgt für mangelhafte Oberfläche


Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen netzartig zerrissenen Verbundestrich.

Ein Estrichleger führte in den Sommermonaten 2018 einen Verbundestrich auf einer Stahlbetonrohdecke in einem neuen Verwaltungsgebäude aus. In den Archivräumen des Gebäudes, wo später Schieberegale auf Schienen montiert werden sollen, wurden Verbundestriche mit 60 bis 70 mm Dicke eingebaut. Der Verbundestrich im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss war mit der Estrichqualität CT-C35-F5 vorgesehen.

Als Belag sollte eine Beschichtung zum Einsatz kommen. Im Zuge der Untergrundvorbereitung des ausführenden Beschichtungsunternehmens waren nach dem Abfräsen und Sandstrahlen der Oberfläche Krakeleerisse, Trennrisse und Hohlstellen festzustellen. Diese zeigten sich großflächig über den gesamten Verbundestrich verteilt. Die Rissbreiten betrugen
0,80 mm. Daraufhin meldete der Beschichter beim Auftraggeber Bedenken an. Er teilte mit, dass er seine Arbeiten bis zur Klärung der Ursachen nicht weiter ausführen könne und schlug vor, einen Sachverständigen einzuschalten.


Schaden

Großflächige Rissbildungen und
Hohllagen des Verbundestrichs

Der Sachverständige machte sich bei Ortsterminen ein Bild: Tatsächlich waren nach dem Abfräsen und Sandstrahlen der Oberfläche netzartige Risse, Trennrisse und Hohlstellen in der gesamten Estrichfläche zu sehen. Die Rissbreiten betrugen 0,80 mm und waren auch zwischen den Regalschienen feststellbar. Unter den Trennrissen war der Estrich vollständig durchgerissen.


Ursache

Unter den Trennrissen war
der Estrich vollständig durchgerissen

Der Verbundstrich ist wegen nicht erfolgter Nachbehandlung "verdurstet". An verschiedenen über den Estrich verteilten Stellen wurden zur Überprüfung der Druckfestigkeit insgesamt 13 Bohrkernproben entnommen. Die Bruchflächen lagen im Verbundestrich (Kohäsionsbruch). Der Estrich haftete gut an der Oberfläche der Betonrohdecke mit Ausnahme im Hohlstellenbereich.

Bei der Probenahme über Hohlstellen wurden die zuvor detektierten Hohlstellen durch Probenahme nachgewiesen. Die Untersuchung der Flächen mit Hohlstellen ergab: Unter den Trennrissen war der Estrich vollständig durchgerissen. Feststellbar waren ein Estrich ohne Verbund und ein vollständig gerissener Bohrkern.

Die Materialuntersuchungen des Verbundestrichs und die Bestandsprüfung bezüglich der Druckfestigkeit ergab, dass die geprüften Bohrkerne aus den Archiven im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss wider Erwarten die erforderlichen Druckfestigkeitswerte für einen Verbundestrich CT-C35 (Einzelwert = 21,9 Nmm2 und Mittelwert = 26,2 N/mm2) erreichten.

Die festgestellten Rissbildungen und Hohllagen sind auf folgende Ursachen zurückzuführen:

-Einbau der Verbundestriche mit zu steifer Konsistenz, sodass bei der Hydratation zu wenig Anmachwasser zur Verfügung stand und die Estriche "verdurstet" sind, was zu netzartigen Rissen führte.
-Mangelhafte oder nicht erfolgte Nachbehandlung der Estrichoberflächen durch Folien oder durch das Aufsprühen von Nachbehandlungsmitteln.
-Schwinden des Estrichs und rasche Volumenverminderung der oberflächennahen Estrichschicht infolge Wasserentzug und Zwang durch den unteren Verbund zur Betonrohdecke.
-Nichteinhaltung der Nachmischzeiten bei der Herstellung der Estriche und nicht ausreichend pumpbare Konsistenz des Estrichs. Der Estrich war beim Pumpen wahrscheinlich schon leicht angesteift.
-Nicht ausreichender Verbund durch mangelhaft hergestellte Haftbrücken. Dies geschieht durch eine zu geringe Dicke der Epoxidharzgrundierung und Fehlstellen in der Quarzsandabstreuung.


Verantwortlichkeit

Estrichleger haftet

Aufgrund der ermittelten Ursachen sind die festgestellten Risse und Hohllagen dem Estrichleger zuzuordnen. Verursachungsanteile anderer Gewerke oder etwaige Planungsmängel waren im vorliegenden Fall nicht feststellbar. Die festgestellten Rissbildungen und Hohllagen fallen komplett in die Verantwortung des Estrichlegers.

Um Aussagen zu Sanierungsmaßnahmen treffen zu können und zur Beantwortung der Frage, ob der hergestellte Verbundestrich im Gebäude verbleiben kann, wurden Haftzugsprüfungen durchgeführt. Die durchgeführten Prüfungen ergaben, dass der erforderliche Grenzwert von 1,0 N/mm2 bei zehn Versuchen im Einzel- (1,1 N/mm2)
und Mittelwert (1,67 N/mm2) erreicht wurde.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der in den Archiven eingebaute Verbundestrich aus folgenden Gründen verbleiben kann und nicht abgebrochen werden muss:

Die geprüften Bohrkerne aus den Archiven EG +1.OG erreichten die erforderlichen Druckfestigkeitswerte für einen Verbundestrich CT-C35 (Mittel- und Einzelwert). Die durchgeführten Haftzugsprüfungen ergaben, dass der erforderliche Grenzwert von 1,0 N/mm2 bei zehn Versuchen im Einzel- und Mittelwert erreicht wurde, sodass die oberflächennahen Estrichschichten saniert werden können. Die in einem mit dem Bauherrn und mit dem ausführenden Beschichtungsunternehmen diskutierte Sanierungsvariante mit Epoxidharzgrundierung, Kratzspachtelung und farbiger Bodenbeschichtung kann so ausgeführt werden. Dagegen bestehen aus technischer Sicht keine Bedenken.

Als Alternative zum Abbruch der Estrichhohllagen und zur Einhaltung des Bauzeitenplane kann ein Verfüllen der Hohlstellen mit Injektionsharz ausgeführt werden. Bei dieser Variante können der Estrich und die Regalschienen verbleiben. Außerdem erfolgt keine Schädigung der Betonrohdecke, welche beim Entfernen des Estrichs ganz sicher auftreten und eine Betonsanierung nach sich ziehen würde.

Weil der Bauzeitenplan einhalten werden musste und weil das Bauvorhaben bereits zwei Monate im Verzug war, konnte der gerissene Verbundestrich nicht abgebrochen und neu hergestellt werden. Daher war die sehr viel kostenintensivere Sanierung notwendig, die zu einer massiven Kostensteigerung führte. Die Sanierungskosten betrugen rund 70.000 EUR.
aus FussbodenTechnik 03/19 (Handwerk)