Martin Kuschel: EuGH weist Klage ab

Keine nationalen Alleingänge bei der Deklaration von Inhaltsstoffen

Die Bundesrepublik Deutschland hatte gegen zwei Beschlüsse der EU-Kommission zu Parkett und Sportböden geklagt. Sie wollte eine nationale Nachregulierungsmöglichkeit der beiden harmonisierten, d.h. europaweit gültigen Normen DIN EN 14342:2013 und DIN EN 14904:2006 durchsetzen - und verlor vor dem Europäischen Gerichtshof. Rechtsanwalt Martin Kuschel erläutert Hintergrund und Konsequenzen des Urteils.

Mit Urteil vom 10. April 2019 hat der europäische Gerichtshof (EuGH) eine Klage der Bundesrepublik Deutschland abgewiesen, bei der es darum ging, zwei Beschlüsse der EU-Kommission zu Parkett und Sportböden für nichtig zu erklären. Danach bleiben die beiden Normen DIN EN 14342:2013 und DIN EN 14904:2006 in der Liste der harmonisierten Normen, eine nationale Nachregulierung ist europarechtswidrig.

Hintergrund

Die DIN EN 14342:2013 (Holzfußböden und Parkett) und die DIN EN 14904:2006 sind laut EU-Kommission harmonisierte Normen, nach denen die Bodenbeläge bzw. Fußbodenkonstruktionen mit einer Leistungserklärung und einem CE-Kennzeichen versehen werden müssen. Nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland bilden die beiden Normen die Anforderungen an den Gesundheitsschutz nur unzureichend ab, da im Rahmen der CE-Kennzeichnung nur die Formaldehyd-Abgabe und der Gehalt an Pentachlorphenol ausgewiesen werden können; andere Emissionen werden weder gemessen noch deklariert. Beide Normen enthalten lediglich den Hinweis, dass nationale Regulierungen die Feststellung und Angabe anderer gefährlicher Substanzen erfordern können.

Ursprünglich hatte die Bundesrepublik zur Nachregulierung deshalb zusätzlich eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (Ü-Zeichen) gefordert, für die die Emissionen zahlreicher weiterer Stoffe geprüft werden müssen. Das hatte der EuGH mit Urteil vom 16.10.2014 (Rechtssache C-100/13) für europarechtswidrig erklärt. Daraufhin beantragte die Bundesrepublik bei der EU-Kommission, die beiden Normen aus der Liste der harmonisierten Normen zu streichen. Das hätte ermöglicht, Parkett und Sportböden wieder allein auf nationaler Ebene mit einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung zu regeln.

Die EU-Kommission strich die Normen jedoch nicht, sondern nahm nur die Einschränkung vor, dass die Verweise auf nationale Regulierungen vom Geltungsbereich des Harmonisierungsverweises ausgenommen seien. Ein Hinweis auf eine nationale Regulierung widerspräche dem Grundsatz, dass die EU-Mitgliedsstaaten nicht berechtigt sind, über die harmonisierten Normen inhaltlich hinausgehenden eigene Bestimmungen zu erlassen. Damit war der Bundesrepublik die letzte Möglichkeit genommen, eigenständig die Emissionen gefährlicher Stoffe nachzuregulieren.

Bund wollte
nationale Regulierungsmöglichkeiten einklagen

Deshalb klagte die Bundesrepublik gegen den Beschluss der EU-Kommission; die Normen seien unvollständig im Hinblick auf ein "wesentliches Merkmal von Bauprodukten". Infolgedessen sei die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke gefährdet, da keine Verfahren und Kriterien bezüglich der Abgabe sogenannter anderer gefährlicher Substanzen definiert seien.

Der EuGH wies jedoch die Klage ab. Er begründete seine Entscheidung damit, dass "die EU-Kommission über einen weiten Ermessensspielraum" verfüge und nicht verpflichtet sei, unvollständig harmonisierte Normen zu streichen oder den Mitgliedsstaaten zuzugestehen, nationale Bestimmungen zu erlassen.
Wie geht es weiter?

Nach dem EuH-Urteil aus 2014 hatten die meisten Bundesländer ihre Regelungen zur Verwendbarkeit von Bauprodukten in der jeweiligen Landesbauordnung geändert. Ziel war, Anforderungen von der Ebene der Bauprodukte europarechtskonform auf die der Bauwerke zu erheben. Die überarbeitete Musterbauordnung (MBO) verweist auf eine Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), die mittlerweile alle Bundesländer bis auf Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein als Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) eingeführt haben.

Deren Abschnitt A3 "Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz" verweist auf eine Anlage AGB "Anforderungen an bauliche Anlagen bezüglich des Gesundheitsschutzes". Diese leitet eben jene entsprechenden Anforderungen aus den gesundheitsrelevanten Eigenschaften der Bauteile und Baustoffe ab - und stellt wiederum Anforderungen an einzelne Bauprodukte auf, die zusätzlich zur (europäischen) CE-Kennzeichnung erfüllt werden sollen. Das könnte gegen europäisches Recht verstoßen. Dem Vernehmen nach sollen bereits mehrere Klagen anhängig sein, in denen es um diese Frage gehen wird, Entscheidungen sind aber noch nicht ergangen.


Rechtsanwalt Martin Kuschel aus Attendorn hat sich auf Rechtsfragen rund um die Immobilie spezialisiert und vertritt die Interessen von Bauherren, Bauunternehmen, Architekten und Sachverständigen im ganzen Bundesgebiet.
aus Parkett Magazin 04/19 (Recht)