Fachanwalt Andreas Becker informiert

Anspruch auf entgangenen Gewinn für Handwerker bejaht


Von Parkett- und Bodenlegerbetrieben wird ein hohes Maß an Flexibilität in Bezug auf den Umfang der auszuführenden Arbeiten erwartet. Wenn allerdings der Umfang von Leistungen, die ein Betrieb angeboten hat, plötzlich vom Auftraggeber reduziert werden, hat der Handwerker einen Anspruch auf entgangenen Gewinn. Fachanwalt Andreas Becker erläutert, worin der Unterschied zu einer reinen Mengenänderung besteht und wie man den entgangenen Gewinn berechnet.

Die Situation, dass Auftraggeber eine Leistung ausschreiben, ein Betrieb diese anbietet und dann während des Bauvorhabens einseitig durch den Auftraggeber Leistungsteile entfallen, ist nicht ungewöhnlich. Von Seiten des Auftraggebers wird in der Regel erwartet, dass der Auftragnehmer dann auch keine Vergütung für die nicht erbrachten Teile der Leistungen geltend macht.

Sachverhalt

Ein Auftraggeber ließ Arbeiten an einem Schulgebäude ausführen. Als Rechtsgrundlage vereinbart war die VOB/B.

Der Auftragnehmer sollte Bodenbelagarbeiten ausführen. Er hatte auf ein Leistungsverzeichnis, das der Auftraggeber erstellt hatte, ein Angebot abgegeben. Vor dem Beginn der Arbeiten wurde dem Bodenleger mitgeteilt, dass zwei Positionen aus dem Leistungsverzeichnis nicht ausgeführt werden sollen. Der Handwerksbetrieb berechnete in der Schlussrechnung für die entfallenen Leistungen einen entgangenen Gewinn.

Der Auftraggeber war der Auffassung, dass ein entgangener Gewinn lediglich möglich ist, wenn eine Kündigung (Teilkündigung) ausgesprochen worden sei. Der Auftraggeber meinte, dass er die Positionen einfach hätte entfallen lassen. Dies sei keine Kündigung, sondern lediglich eine Änderung der Menge.

Urteil

Das OLG München hat (28 U 413/1 BAU) entschieden, dass dem Bodenlegerbetrieb ein Anspruch auf entgangenen Gewinn zusteht. Ein Beispiel: Ein Betrieb hat den Auftrag, in zehn Räumen jeweils 100 m2 Bodenbelag zu verlegen. Der Auftraggeber teilt mit, dass in zwei Räumen keine Arbeiten ausgeführt werden sollen. Somit werden nur noch 800 m2 Bodenbelagsverlegung erbracht.

Das Gericht hatte zu entscheiden, ob es sich um eine Mengenänderung handelt, die bei Nachweis eventuell zu einer Veränderung des Preises führt, oder ob es sich um eine Kündigung des Vertrags in einem Umfang vom 200 m2 handelt. Dann würde ein Anspruch auf entgangenen Gewinn bestehen. Das Gericht hat zur Klärung gegenübergestellt, in welchen Fall eine Mengenänderung anfällt und für welchen Fall ein entgangener Gewinn geltend gemacht werden kann.

Mengenänderung

Das Gericht hat angegeben, dass bei einer Mengenänderung ein interessengerechter Ausgleich für eine unzutreffende Schätzung der Massen erfolgt. Beim Einheitspreisvertrag wird der zu erwartende Aufwand geschätzt. Die m2-Zahl ist beim Einheitspreisvertrag in der Regel eine Schätzung. Diese Schätzung dient als Grundlage der Preiskalkulation. Bei einem Aufmaß nach Fertigstellung der Leistungen kann diese Schätzung abweichen, weil die tatsächlichen Massen festgestellt werden.

Bei einer größeren Abweichung kann die Grundlage für die Preiskalkulation betroffen sein, da die geschätzten Mengen nicht stimmten. Der Preis kann in diesem Fall nach § 2 VOB/B angepasst werden, wenn die Massenschätzung um mehr als 10 % abweicht. In unserem Beispiel lag eine Veränderung von 20 % vor, sodass eine Preisänderung denkbar wäre. Es könnten veränderte Kosten durch einen höheren Einkaufpreis für Material entstehen.

Entgangener Gewinn

Ein entgangener Gewinn steht einem Betrieb zu, wenn der Auftraggeber einen Teil oder den gesamten Auftrag gekündigt hat und hierfür kein Kündigungsgrund vorliegt, der dem Betrieb des Auftragnehmers zuzurechnen ist.

Beim entgangenen Gewinn hat der Auftragnehmer den Anspruch auf Bezahlung der vereinbarten Vergütung - hier des gesamten Preises der vereinbarten Leistung abzüglich seiner ersparten Aufwendung. Gemeint ist damit, dass ein Bodenbelag nicht gekauft werden musste oder Mitarbeiter, die den Boden verlegen, andere Tätigkeit ausführen konnten. Diese Aufwendungen würde der Handwerker einsparen.

Das Gericht stellte die Voraussetzungen für eine der Mengenänderung und den entgangenen Gewinn gegenüber. Es kam zu der Überzeugung, dass eine Mengenänderung nur in Betracht kommt, wenn eine Massenschätzung nicht richtig erfolgt ist. In diesem Fall hat der Auftraggeber sich jedoch nicht bei den Massen verschätzt, sondern einen Teil der Massen und der Positionen nicht ausführen lassen. Aus diesem Grunde ist der Sinn und Zweck der Regelung über Mengenmehrung und Mengenminderung hier nicht anwendbar. Das Gericht wertete den Wegfall von zwei Leistungspositionen als Teilkündigung.
Der Auftraggeber ließ im vorliegenden Fall einseitig Leistungsteile entfallen. Dies entspricht einer Kündigung. Im Ergebnis konnte der Betrieb einen entgangenen Gewinn beanspruchen.

Praxistipp

Ein Angebot auf Basis von Einheitspreisen ist nicht nur im Zusammenhang mit der angebotenen Leistung zu sehen, sondern auch mit den Kosten eines Betriebs. So sind im Angebot auch Kosten für die Baustelle, vielfach für die Baustelleneinrichtung, mit einkalkuliert bzw. auch allgemeine Geschäftskosten, wie die Kosten von Mitarbeitern im Büro.

Durch die einseitige Anordnung, dass Leistungen nicht ausgeführt werden, würden dann Kosten dieser Leitungen nicht vergütet bzw. der hierauf kalkulierte Gewinn nicht realisiert. Diese Entscheidung hilft bei der Argumentation, dass entgangener Gewinn geltend gemacht werden kann. Es besteht eine gesetzliche Vermutung nach § 648 BGB, dass dem Unternehmer 5 % der noch nicht erbrachten Leistungen als entgangener Gewinn zusteht.

Allerdings wird die gesetzliche Vermutung, dass ein Gewinn in Höhe von 5 % zu vergüten ist, nicht immer umsetzbar sein. Oftmals wird von den Gerichten gefordert, dass die Ur-Kalkulation aufgeschlüsselt wird und ersparte Lohnkosten und Materialaufwendungen offengelegt werden. Eine solche Ur-Kalkulation existiert in vielen Fällen nicht, kann aber nachgeholt werden.
aus FussbodenTechnik 04/19 (Recht)