Betten Günther, Usingen
Umzug als klares Statement für den stationären Handel
Usingen. Aus einem ehemaligen Schuhmarkt im Taunus-Städtchen Usingen haben Dirk Günther und Talat Jahan ein anspruchsvolles Bettenfachgeschäft gemacht. Durch den Umzug hat sich die Verkaufsfläche mehr als verfünffacht - ein bemerkenswerter Schritt in Zeiten, wo dem stationären Fachhandel nicht immer die besten Zukunftsaussichten unterstellt werden.
Es war wohl eines der kleinsten Bettenfachgeschäfte Deutschlands: Betten Günther im beschauchlichen Usingen im Hochtaunus verfügte an seinem alten Standort im Stadtzentrum über eine Verkaufsfläche von gerade mal 94 Quadratmetern. Die Geschäfte liefen auch auf kleiner Fläche gut, zumal das Fachgeschäft mit dem Stammhaus im 35 Kilometer entfernten Brechen sich einen Namen mit seiner ergonomischen Kompetenz gemacht hat. So wurden die Quadratmeter-Umsätze in dem kleinen Haus ausgereizt: "Das haben wir dort schon auf die Spitze getrieben, aber da war das Ende erreicht", sagt Inhaber Dirk Günther, der das Geschäft gemeinsam mit Talat Jahan führt, mit einem Augenzwinkern.
Eine zeitgemäße Präsentation von Schlafsystemen, Schlafraum-Einrichtungen und textilen Sortimenten war auf der kleinen Fläche jedoch kaum möglich. Als sich die Möglichkeit ergab, eine ehemalige Deichmann-Filiale zu übernehmen, war die Entscheidung klar. "In weniger als sechs Wochen haben wir die Idee einer neuen Erlebniswelt in die Tat umgesetzt", erzählt Talat Jahan. "An erster Stelle stand dabei die Frage: Was wünschen sich unsere Kunden, damit sie sich bei uns absolut wohlfühlen?"
Der Standort liegt in einem kleinen Einkaufsgebiet mit mehreren Nahversorgern der 15.000-Einwohner-Gemeinde. Ein Lebensmittelmarkt, eine Apotheke und weitere Einzelhändler sorgen für Frequenz, Parkplätze sind rund um das Gebäude vorhanden. Eine 40 Meter lange Schaufensterfront sorgt dafür, dass das Angebot des Bettenhauses gut wahrgenommen wird und viel natürliches Licht ins Innere dringt. Wichtig war auch die Möglichkeit des barrierefreien Zugangs - sowohl für Rollstühle oder Gehwagen als auch für Kinderwagen. Da der Vormieter den Schuhmarkt als ein relativ dunkles Geschäft hinterließ, wurde das Ladenlokal zunächst völlig entkernt. Unaufdringliche Raumteiler sorgen jetzt für Struktur, Helligkeit und Transparenz.
"Wir haben eine komplett neue Aufteilung erreicht", erklärt Talat Jahan. "Unsere Grundidee war es, dass der Kunde den Laden wie ein Hotel betritt." So läuft man vom Eingang auf einen schicken Empfangstresen zu, der wie eine Rezeption wirkt. Auch eine kleine Klingel darf auf dem Tresen nicht fehlen - wie im Hotel. "Das Signal ist: Ich darf die Menschen auch ansprechen", erklärt Jahan diese Kommunikations-Ebene, in die auch die Kasse intergriert ist. Der helle Ladenbau in Weiß und Gold-Tönen setzt hier einen besonderen Akzent. Hier im vorderen Teil des Geschäftes sind mit Bettwäsche und Frottierwaren die Frequenzsortimente platziert, die um Accessoires und Raumdüfte ergänzt werden.
Ein transparenter Vorhang markiert den Übergang ins Herzstück des neuen Geschäftes, der mit Teppichboden ausgestatteten Bettenabteilung. Hier kommt die ergonomische Kompetenz von Betten Günther voll zum Tragen. Mit den Messsystemen von Röwa und Lattoflex sowie dem Wirbelscanner stehen unterschiedliche Beratungselemente zur Verfüfung. Ergonomie und Individualisierung sind die zentralen Themen: "Wir tun alles dafür, dass der Kunde bei uns kauft - nicht über den Preis, sondern über die Dienstleistung", unterstreicht Dirkt Günther. Mit Lattoflex, Schramm, Treca und Röwa ist der Fachhändler anspruchsvoll aufgestellt. "Wir können jetzt hier die gleiche Philosophie wie im Stammhaus leben."
Dazu zählt aber auch, dass es für schmalere Budgets ein Angebot gibt - Qualität mit gesundem Einstiegspreis. "Wir wollen, das alle Menschen gut schlafen können", so Günther. Die Kunden kämen vom Enkel bis zu den Großeltern. "Wir sind für die gesamte Familie da", ergänzt Talat Jahan. "Wir haben viele Kunden zwischen 30 und 40 Jahren, die Geld ausgeben wollen." Und können - im Taunus herrscht eine gute Kaufkraft vor. Bei Bedarf übernimmt man bei Betten Günther auch den Komplettumbau eines Schlafraumes inklusive aller Gewerke. "Der Kunde bekommt das dann schlüsselfertig übergeben."
Die Bettwarenabteilung wurde mit einem beleuchteten Vorlagetisch ausgestattet, auf dem die Ware effektvoll präsentiert werden kann. Neben der kompetenten Beratung ist hier auch für haptisches Erleben gesorgt: Von der Decke hängen transparente Kugeln, in die der Kunde hineingreifen kann, um die unterschiedlichen Füllmaterialen zu erfühlen.
Ein zunehmend wichtiges Thema ist das barriefreie Schlafen, sprich: Betten für Senioren, die im Bedarfsfall auch zur Pflege geeignet sind. Hierfür steht bei Betten Günther der Name Stiegelmeyer, wobei der Fachhändler auch eine Eigenentwicklung mit dem Hersteller gemeinsam auf den Weg gebracht hat: "Ein Pflegebett, das nicht so aussieht", wie Dirk Günther betont. Es verfügt über Höhen- und Neigungsverstellung und kann auch nachgerüstet werden, etwa mit einer Aufstehhilfe.
Ebenfalls ins Portfolio gehört der Homelift des Herstellers Lifton: Ein Aufzugsystem mit geringem Platzaufwand, das über zwei Etagen hinweghilft. Auch wenn die Angebote sich weit weg von Altenheim-Charme bewegen, so ist das Seniorenthema immer noch mit Tabus belegt, ist die Erfahrung auch in Usingen. "Wir hatten uns das leichter vorgestellt, aber das Thema kommt langsam", so Günther. Der Bedarf an Beratung und der Vermittlung von Fachwissen ist groß. So wurden im neuen Geschäft Beamer und Leinwand in die Decke integriert. Durch die Raumaufteilung können Vortragsveranstaltungen und Seminare für bis zu 60 Personen durchgeführt werden - zu allen Themen rund um den gesunden Schlaf.
"Wir verkaufen Lösungen, keine Produkte", betont Talat Jahan. "Wir sehen uns als Anlaufstelle für den gesunden Schlaf, aber auch für das schöne Wohnen." Das wird nicht nur in einer geschmackvoll eingerichteten Lounge-Ecke deutlich, in der Kunden eventuelle Wartezeit überbrücken können. Auch die angebotenen Accessoires und Beimöbel unterstreichen dies. Leuchten, Sessel, Nachttische, ergonomische Sitzmöbel - "Sie können hier alles kaufen", erklärt Dirk Günther. Nicht zuletzt bietet das Fachgeschäft auch individuelle Schlafraumlösungen mit Raumteilern, Solitär-Schränken und Einbau-Schranksystemen an.
Hier verbirgt sich eine weitere Besonderheit des neuen Geschäftes. Was so aussieht wie die Präsentation eines Schranksystems in Schlafzimmeratmosphäre, ist tatsächlich ein eigener Klimaraum, der durch Schiebetüren geschlossen werden kann. "Wir können den Raum unterschiedlich klimatisieren, von heiß bis kalt. Unter diesen simulierten Bedingungen können die Kunden dann zum Beispiel Bettdecken fast wie zuhause testen", erklärt Günther. Wenn es sein muss, auch über einen längeren Zeitraum. "Das ist der erste Raum dieser Art in Deutschland." Und noch ein wichtiges Detail weist der Laden nach dem Umbau auf: Das Raumklima bietet eine "allergiefreie Zone", wie Günther sagt. Eine Staubsauganlage filtert den Feinstaub aus dem Geschäft nach draußen.
Der Standortwechsel hat sich aus Sicht der Geschäftsführer bezahlt gemacht. Er war dem Kundenwunsch geschuldet, wie Talat Jahan erzählt, aber natürlich ist die Investition in den neuen Laden auch ein selbstbewusstes Statement. "Das ist ein starkes Zeichen für die Bedeutung, die der stationäre Handel in der heutigen Zeit hat - und in Zukunft haben kann." Und auch für Dirk Günther ist der Umzug eine unternehmerische Herzensangelegenheit: "Wir wollen damit auch stellvertretend für die vielen Kolleginnen und Kollegen aufzeigen, dass der stationäre Handel mit Mut und Geschick eine klare Positionierung gegenüber dem reinen Online-Handel und der Thematik um One-Fits-All einnehmen kann, und auch mit seinen Stärken weiterhin klar punkten kann."
aus
Haustex 06/19
(Handel)