Parkett Magazin: 3. Roundtable Digitaldruck
Troubleshooter gesucht
Auf Einladung von Parkett Magazin trafen sich Digitaldruck-Experten aus der Bodenbelagsbranche und deren Zulieferindustrien, um die drängendsten Herausforderungen des industriellen Digitaldrucks auszuloten und lösungsorientiert anzugehen. Oberste Priorität: die Qualifizierung von Fachpersonal und das Voranbringen von Standards für stabile Produktionsbedingungen.Um den industriellen Digitaldruck in der Dekorproduktion weiter zu etablieren, ging der von Unternehmensberater Karl-Heinz Scholz initiierte und vom SN-Verlag ausgerichtete 3. Roundtable Digitaldruck in die dritte Runde. 16 Experten repräsentierten die am Prozess beteiligten Segmente Software, Scantechnik, Maschinenbau, Beschichtungen sowie Holzwerkstoff- und Bodenbelagshersteller. Um konkrete Handlungsfelder festzurren zu können, wurden zunächst die drängendsten Herausforderungen priorisiert. Ganz oben auf der Agenda fanden sich Fragen rund um fehlendes Fachpersonal, fehlende Produktionsstandards und fehlende aufeinander abgestimmte Systemkomponenten. Jedes Thema für sich schon komplex - und wie sich im Verlauf der Diskussion zeigte, auch nicht voneinander zu trennen.
Hohe Komplexität und nur wenige Experten
Im besten Fall erzielt der Digitaldruck-Operator an der Maschine eine verlässliche und reproduzierbare Qualität. Um betriebsinterne Standards zu etablieren, ist darüber hinaus profunde Fachkompetenz gefragt. Denn nicht nur das sensible Inkjet-Verfahren will beherrscht sein, auch die Aufbereitung produktionstauglicher Daten und ein über alle Prozesse hinweg funktionierendes Farbmanagement sind insbesondere in der Dekorherstellung keine trivialen Aufgaben. Für die Teilnehmer des Digitaldruck-Roundtable ist fehlendes Fachpersonal daher derzeit die drängendste Herausforderung.
In aller Regel arbeiten an den Digitaldrucksystemen der Bodenbelagshersteller angelernte Bediener nach dem Prinzip "Learning bei doing". Explizit auf den digitalen Dekordruck zugeschnittene Ausbildungen oder zumindest Qualifikationsseminare gibt es nicht. "Über die Maschinenbedienung hinaus brauchen wir Spezialisten für das Troubleshooting ebenso wie für die Druckvorstufe", forderte etwa Thorsten Beinke von Tarkett. "Für jemanden der digitale Dekore vorbereitet, fehlen viele Themen in der aktuellen Ausbildungsverordnung." Ähnliche Erfahrungen macht Peter Fabri bei Egger: "Wir bilden aus, weil wir Dekore für verschiedene Digitaldrucksysteme mit ihren jeweiligen Anforderungen entwickeln - inklusive Datenhandling und Farbmanagement. Aber auch das Personal an der Druckmaschine, meist Quereinsteiger, muss in diesen Themen individuell auf den Betrieb zugeschnitten geschult werden."
Und der Bedarf betrifft weitere Akteure: "Auch in der Technik der Maschinenproduzenten und Zulieferer fehlt die Basis der Ausbildung", findet Edwin Lingg von Lico. Hinzu kämen Wissensdefizite schon bei Investitionsentscheidungen, ergänzte Jens Becker von Scannerhersteller Cruse: "Zu uns kommen Unternehmensvertreter, die 15 bis 20 Mio. EUR in digitale Produktionstechnik zu investieren haben und sagen, helfen Sie mir: Welchen Drucker soll ich kaufen? Welchen Scanner, welchen Workflow, welche RIP-Software? Bei diesen Investitionsprojekten herrscht große Unsicherheit und Überforderung."
Software-Anbieter Colorgate kann bereits auf Erfahrungen mit dem Angebot von Kundenschulungen verweisen. Da die Unternehmen inzwischen die Notwendigkeit erkannt hätten, sei die Investitionsbereitschaft dafür inzwischen gestiegen, betonte Jan Seguda. Er sieht Schulungsbedarf schon beim Designer, der oft nicht wisse, was druckbar ist und was nicht. "Wir stellen fest, dass das Problem oft eher an der Input- als an der Output-Seite liegt."
Digitaldruck-Operator,
Troubleshooter und Vorstufen-Profis
Wie also kann die Situation für alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette verbessert werden? Für eine offenere Zusammenarbeit in der Schulung an den jeweiligen Systemen der Anbieter von Inkjet-Technik, Software, Tinten und Lacken plädierte Matthias Grundt von Lackhersteller Klumpp. Kurzfristig könnten die Bodenbelagsproduzenten schon von mehrtägigen Kursen zu den Grundlagen des Digitaldrucks profitieren. Branchenübergreifende Formate gibt es beispielsweise mit der IMI-Summer -School sowie für den Bereich Fußboden mit der TCM Summer School.
Für eine Art "Digitaldruck-Summer-School" aus dem Kreis der Roundtable-Teilnehmer herrschte grundsätzlich Konsens; Ideen für speziell zugeschnittene Formate, die wesentlichen Inhalte und die Zielgruppen gilt es nun zu erarbeiten. Zudem ist die Erstellung eines Profils des "Wunsch-Digitaldruck-Operators" geplant. Die erforderlichen Ausbildungsinhalte und deren Vermittlung gehören dazu. Karl-Heinz Scholz: "Wir brauchen kurzfristige, mittelfristige und langfristige Lösungen. Die erste Initiative ist die praxisorientierte Grundlagen-Ausbildung für Operator."
Vielzahl individueller Prozesse
erschwert die Standardisierung
Nicht einfacher machen den Transfer von Fachwissen fehlende Standards für den digitalen Dekordruck. Die produzierende Hardware wird meist für spezifische Kundenanforderungen entwickelt, während die verwendeten Software-Lösungen nur teilweise branchenspezifisch konzipiert sind. Zudem gibt es keine Referenzen, etwa analog zum Fogra-Standard in der grafischen Industrie, ergänzte René Schavoir von Durst. Dies müsse erreicht werden. Ludwig Albrecht (Homag): "Eine Standardisierung würde eine Verbesserung der Sachverhalte herbeiführen und ist notwendig, sonst wird sich der Digitaldruck in diesem Bereich nicht durchsetzen können."
Wie aber kann dies funktionieren, angesichts der individuell unterschiedlichen Produktionsprozesse in den Unternehmen? "Jeder Bodenbelagshersteller hat mindestens drei verschiedene Anwendungen für die Herstellung von Bodenbelägen", gab Carsten Brinkmeyer (Hymmen) zu bedenken. "In unserem Demo-Center können wir jeden Prozessschritt des Kunden simulieren. Aber mit welchem Lacksystem? Mit welchem Primer? Die Prozesse sind immer individuell." Klaas Kackmann-Schneider (MS Printing Solutions): "Hinzu kommen die verschiedenen zu bedruckenden Substrate: Papiere für die Melaminverpressung, Holzwerkstoffe oder PVC bedeuten drei grundsätzlich unterschiedliche Anwendungen. Im Druck mit Wasser- oder UV-Tinten, teilweise noch Primer haben wir eine enorme Komplexität."
Reproduzierbarkeit der
Designs stößt an Grenzen
Komplexität lautete auch das Stichwort für ein anderes Schwerpunktthema des Roundtable: Designs sind oft schlecht reproduzierbar, weil sie nach kreativen Aspekten entwickelt werden, aber nicht nach produktionstechnischen. Immer wieder gibt es Farbstellungen und Strukturen, die sich nicht oder nur mir Kompromissen realisieren lassen. "Was für den Digitaldruck entwickelt wurde, funktioniert dort auch", weiß Thorsten Beinke, "aber bestimmte Dekore lassen sich nur analog im Tiefdruck realisieren". Nach dem Motto "das Beste aus zwei Welten" sei der Übergang vom Tief- zum Digitaldruck zurzeit gekennzeichnet von der Wahl des Verfahrens nach Design statt nach Marge. "Wenn wir den Digitaldruck für Besonderheiten wie Großformate ohne Wiederholung nutzen, dann hat das in der Wertschöpfungskette einen Mehrwert", hob Peter Fabri (Egger) die eigenständigen Möglichkeiten hervor. Dennoch bleiben im Singlepass-Inkjet Restriktionen, zum Beispiel ein tiefes Unischwarz, generell ein Fall für Multipass-Verfahren.
Soweit die Techniker-Perspektive. Vom Markt her kommend, formulierte Christiane Gebert von Pfleiderer einen anderen Anspruch: "Für Kollektionen mit kleinen Losgrößen für die Zielgruppe Architekten oder im Objektbereich für die Zielgruppe Schiffsbau, weiß ich von vornherein, dass drei, fünf oder zehn Tonnen zu viel sind, die Tiefdruckrotation ist damit obsolet, und ich fokussiere mich auf Digitaldrucktechnik." Das Konzept gehe letztlich nur auf, wenn sich trendgerechte Dekore dann auch mit dieser Technologie produzieren lassen. Die Hoffnung für die weitere Entwicklung: Wenn bekannt ist, wie ein Design produziert wird, kann das Ergebnis im Vorfeld simuliert werden. Was für Farben bereits gut funktioniert, ist für die Vielzahl der Glanzgrade und Mikrostrukturen aber noch ausbaufähig.
Komplettlösungen bleiben
eine Frage der Kalkulation
Wie können die beteiligten Zulieferindustrien zusammengeführt werden, um gemeinsam im Interesse der Kunden aufeinander abgestimmte Komplettlösungen zu entwickeln? Einige Kooperationen gibt es bereits, aber das Feld ist ausbaufähig, auch wenn manche Produzenten erfahrungsgemäß ihre bestehenden Lieferanten präferieren. Obwohl das fehlende Angebot von Komplettlösungen den Teilnehmern des Roundtable auf den Nägeln brennt, lassen sich konkrete Aufgabenstellungen derzeit kaum ableiten, weil das Preis-/Leistungsverhältnis eine große Unbekannte ist. "Wer ein Komplettpaket kauft, kauft natürlich auch zum Preis des Komplettanbieters. Das ist ein Frage der Kalkulation", führte Karl-Heinz Scholz in die Diskussion. "Ist es günstiger, das Komplettpaket zu nehmen und sozusagen zu einem Fixpreis das garantierte Ergebnis zu bekommen? Oder ist es günstiger, die geeigneten Komponenten selbst zusammenzustellen und Fehlproduktionen gegenzurechnen?"
Lackanbieter Teknos verfügt bereits über Erfahrungen mit abgestimmten Gesamtkonzepten. Fazit Benjamin Röse: "Gesamtkonzepte sind denkbar und können auch funktionieren. Aber wenn es um Millionen von Quadratmetern geht, möchte der Kunde letztlich doch keine Experimente am Drucker machen." Generell sind mit Blick auf die vorhandenen Ressourcen Gesamtlösungen eher für kleinere und mittelgroße Produzenten relevant. "Da geht es nicht um den Preis per Copy", unterstrich Philipp Henry von Homag, "sondern darum, welche gesamten Vorteile das Unternehmen durch den Digitaldruck hat".
Fazit: Strategie der kleinen Schritte
"Konkreter werden" lautete der Anspruch an den 3. Roundtable Digitaldruck. Mit der Priorisierung der drängendsten Aufgabestellungen ist man diesem Ziel ein Stück weit näher gekommen. Auch weil die Teilnehmer erneut eine konstruktive, offene Debatte führten. Eine Chance für konkrete Handlungsansätze bietet insbesondere die Schärfung der Anforderungen für das fehlende Fachpersonal bzw. der fehlenden Qualifizierungsmaßnahmen auf drei Ebenen. Der Bedarf ist groß, und die Zeit drängt, waren sich die Teilnehmer der Runde einig. Jetzt ist Produktivität gefordert - wenn auch angesichts der komplexen Herausforderungen in kleinen Schritten.
| Imke LaurinatDigitaler Dekordruck - Die 10 wichtigsten Herausfordeungen
- Hohe Komplexität und nur wenige Experten
- Schlechte Reproduzierbarkeit der Designs
- Fehlendes Angebot von Komplettlösungen
- Mangelhafte Farbstabilität der Tinten
- Fehlende Abstimmung der Druckkopf- und Tintenhersteller
- Schwierige Einstellung der Druckköpfe
- Fehlende Kontrolle über den Druckuntergrund (Primer)
- Hohe Sensibilität des Verfahrens
- Hohe Kosten für Anschaffung und Betrieb
- Fehlende Standards für die Farberkennung
3. Roundtable Digitaldruck - Die Unternehmen
Adler, österreichischer Hersteller von Farben, Lacken und Holzschutzmitteln, beschäftigt sich übergreifend mit dem Beschichtungsaufbau von Digitaldruck-Applikationen. Im Fokus steht der Ausbau des Angebots an Grundierungen und Lacken für digital bedruckte Oberflächen.
Classen produziert in Kaisersesch Designbeläge ausschließlich mit digital gedruckten Oberflächendekoren und verfügt in Baruth über 80 Mio. m
2 Laminat-Kapazität. Im industriellen Digitaldruck werden inzwischen fünf Single Pass-Anlagen betrieben.
Colorgate liefert seit 20 Jahren modulare Workflow-, RIP- und Colormanagement-Software für industrielle Digitaldruckanwendungen. Für den Einsatz im Dekormarkt werden spezifische Lösungen und funktionelle Erweiterungen angestrebt.
Durst Phototechnik, Südtiroler Digitaldruckanlagenhersteller mit deutscher Niederlassung in Ratingen, stieg Anfang der 2000er Jahre in den Fliesen-Digitaldruck ein. Die Kompetenz aus der Fliese will man auf den Holzbereich und weitere industrielle Segmente übertragen.
Egger: Der österreichische Holzwerkstoffhersteller hat in Brilon für alle Produktionsstandorte eine Dekorentwicklung aufgebaut. Zunehmend werden Dekore für den Digitaldruck entwickelt und mit einem professionellen Farbmanagement standardisiert produziert.
Homag versteht sich als Systemhersteller und -integrator mit Komplettlösungen für eine digitalisierte Fertigung und hat die Entwicklung von Anlagen für die Fußbodenherstellung entscheidend mitgeprägt.
Hymmen befasst sich seit 2008 mit Digitaldruck auf verschiedenen Substraten, der auch mit weiteren Veredelungsschritten wie Verpressung und Lackierung kombiniert werden kann. Die Bielefelder haben rund 40 Single-Pass-Anlagen in der Branche installiert.
Klumpp Coatings bietet maßgeschneiderte Lösungen für die industrielle Beschichtung von Holz-, HDF-, Mineralfaser-, Folien- und Kunststoffoberflächen. Für den Digitaldruck reicht das Angebot von Haftprimern über Druckgrundierungen bis zu 3D-Struktur- und Decklacken.
Kruse, Hersteller von 2D- und 3D-Oberflächenscannern, verfügt im industriellen Digitaldruck über Erfahrung insbesondere aus der Keramikindustrie. Mit dem Ausbau der Software-Funktionalitäten, insbesondere um neue Effekte, trägt man der Gestaltung der Dekore von morgen Rechnung.
Lico gilt als einer der Innovationstreiber der Branche und ist ausschließlich B2B als Zulieferer aktiv. Der Bodenbelagshersteller sammelte - mit ersten Investitionen im Jahr 2006 - bereits früh Erfahrungen mit dem Digitaldruck.
MS Printing Solutions aus dem italienischen Bergamo liefert Digitaldrucksysteme inklusive Software vor allem für die Textilbranche, aber auch für die Applikation auf anderen Substraten wie Papier und Kunststoff. Im Fußbodensegment sieht man Entwicklungspotenzial.
Pfleiderer: Der Holzwerkstoffproduzent greift bei der Gestaltung von Dekoren für Möbel und den Innenausbau den Trend zum individuellen Design in sämtlichen Facetten auf. In diesem Kontext hat die Umsetzung kleiner Losgrößen im Digitaldruck hohe Priorität.
Tarkett: Der internationale Bodenbelagshersteller betreibt in Luxemburg eine große Single-Pass-Anlage sowie in den USA und in Russland mehrere Multipass-Anlagen. Gedruckt wird auf verschiedensten Substraten, darunter auch auf Holz im Direktverfahren.
Teknos mit deutscher Niederlassung in Fulda produziert Lacke und Beschichtungen für die Holz- und Metallindustrie. Das Familienunternehmen kündigte 2018 eine ambitionierte Wachstumsstrategie an und übernahm das Parkettoberflächengeschäft von Kiilto.
aus
Parkett Magazin 05/19
(Bodenbeläge)