Umwelt-Zertifikate für Gebäude

Grünes Bauen bietet viele Vorteile


Nachhaltigkeit ist eines der zukunftsbestimmenden Themen unserer Zeit. Durch die unterschiedlichen digitalen Medien ist es quasi in aller Munde und wird teilweise inflationär genutzt. Nur wenige können fundiert sagen, was sie sich unter Nachhaltigkeit eigentlich vorstellen. Was steckt also wirklich hinter dem vielversprechenden Begriff? Nachhaltigkeit ist längst nicht mehr nur eine Modeerscheinung, sondern gewinnt zunehmend an Bedeutung und prägt damit insbesondere die Baubranche. Dr. Julia Soldat, Referentin für Nachhaltigkeit und nachhaltiges Bauen bei Ardex, ist davon überzeugt, dass dieser Trend auch als Chance zur aktiven Zukunftsgestaltung genutzt werden sollte.

Viele Kunden verbinden mit nachhaltigem Bauen überwiegend ökologische Aspekte. Doch das Thema ist viel größer. Neben der geeigneten Auswahl der Baumaterialien beinhaltet nachhaltiges Bauen ebenfalls ökonomische Kriterien, wie die Kosten und den Verbrauch, z. B. bei der Wartung des Gebäudes sowie die Modernisierungsmöglichkeiten und die Umnutzungsfähigkeit. Zusätzlich sind aber auch der Nutzerkomfort und weitere soziokulturelle Faktoren entscheidende Kriterien. Das ganzheitliche System betrachtet das Gebäude in seinem vollständigen Lebenszyklus und beinhaltet somit auch den Abbruch des Gebäudes sowie die ökologische Entsorgung und Wiederverwendung seiner Rohstoffe. Die Errichtung eines Objekts soll also nicht nur ökologisch und wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich zukunftsfähig sein. Nachhaltiges Bauen beginnt daher bereits bei den Planungs- und Bauausführungsprozessen, die auf Aspekte der Nachhaltigkeit ausgelegt sind. Somit kann Nachhaltigkeit als integraler Bestandteil im Bauprojekt verstanden werden.

Wie definiert man ein nachhaltiges Gebäude?

Ein nachhaltiges Gebäude ist auf den ersten Blick erstmal nicht als solches zu erkennen. Daher ist vor allem entscheidend, Nachhaltigkeit messbar zu gestalten. Dies lässt sich über die Verwendung von Gebäudezertifizierungssystemen realisieren. Sie fassen Kriterien der ökonomischen Qualität, des umweltschonenden Bauens, Emissionen, die Reduzierung von Abfall und effiziente Energienutzung sowie die Gewährleistung von Funktionalität und Sicherheit zusammen. Bekannte Zertifizierungssysteme für Gebäude sind z. B. DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen), LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) oder BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology). Wird ein Gebäude als nachhaltig zertifiziert, resultiert dies in geringeren Unterhalts- und Betriebskosten sowie einem höheren Markt- und Wiederverkaufswert. Zudem trägt ein nachhaltiges Gebäude ebenfalls zum Klimaschutz bei. Da hier ein großer Wert auf ressourcenschonende Bauweise und Verringerung der Treibhausemissionen gelegt wird.

Die Datengrundlage für die ökologische Gebäudebewertung liefern Umweltproduktdeklarationen nach ISO 14025 und EN 15804 (EPD; engl. Environmental Product Declaration). Diese ermöglichen einen transparenten Einblick in den Lebenszyklus der Produkte und beschreiben in objektiver Weise die umweltbezogenen Eigenschaften eines Produkts, ohne dieses zu bewerten. In dem Zusammenhang ist die Wahl geeigneter Bauprodukte essenziell. Da Menschen sich mittlerweile zwischen 80 und 90% ihrer Zeit in geschlossenen Räumen aufhalten und insbesondere der Verarbeiter im direkten Kontakt mit dem Produkt steht, stellt vor allem auch der Ausstoß an Emissionen in die Innenraumluft eine wichtige Messgröße dar.

Siegel für Produkte

Mittlerweile gibt es eine große Anzahl an verschiedenen Umweltsiegeln. Aber welche liefern hierzu zuverlässige Informationen für Planer, Architekten und für den Verarbeiter? Denn neben der Qualität und Sicherheit der Produkte rückt auch der Gesundheitsschutz bei Fachhandwerkern immer mehr in den Fokus.

Das dem Verbraucher wohl bekannteste und älteste Siegel ist der Blaue Engel. Dieser zeichnet seit über 40 Jahren Produkte aus und stellt hohe Ansprüche an Gesundheits-, Umwelt- und Gebrauchseigenschaften. 1997 hat sich zudem die Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) gegründet und das Emissionssiegel Emicode entwickelt, das Planern, Architekten und Fachhandwerken einen Wegweiser für die Auswahl emissionsarmer Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte liefert. Die Produkte mit den geringsten Schadstoffemissionen sind hierbei mit dem Premiumsiegel Emicode EC 1 Plus (sehr emissionsarm) zertifiziert und beschreibt die Grenze des heute technisch Machbaren. Sämtliche Mitglieder der GEV, darunter zahlreiche Verlegewerkstoffhersteller, bieten für nahezu alle Anwendungsfälle emissionsgeprüfte, verbraucher- und nutzerschonende Produktsysteme an.

Das Thema nachhaltiges Bauen wird also von vielen verschiedenen Gebäude- und Produktzertifizierungen begleitet, die für den Verarbeiter in ihrer Anzahl und Komplexität oftmals nicht greifbar genug erscheinen. Als Baustoffhersteller ist es daher wichtig, die Bedeutung und Zusammenhänge möglichst transparent darzustellen und nicht nur dem Planer und Architekten, sondern insbesondere auch dem Fachhandwerk Orientierungshilfen aufzuzeigen.

Information der Kunden

Durch die Zunahme von Anfragen zu umweltfreundlichen, emissionsarmen Bauprodukten wird ersichtlich, dass Kunden für dieses Thema offener und sensibler geworden sind. Mit Hilfe der engen Zusammenarbeit zwischen Baustoffhersteller, Planer und Fachhandwerker gelingt es, sich im nachhaltigen Bauen auch zukünftig breiter und effizienter aufzustellen und dies verständlich zum (End-)Kunden zu transportieren und zu kommunizieren. Hierfür ist die Erweiterung des Beratungsservice zum nachhaltigen Bauen ein wichtiger Schritt. Um Kunden, Architekten und Handwerkern einen umfassenden Überblick über die ökologischen Aspekte der Bauprodukte zu liefern, ist die Erstellung von Nachhaltigkeitsdatenblättern eine sinnvolle Ergänzung. Ardex etwa bietet zu der Mehrheit seiner Produkte solche Nachhaltigkeitsdatenblätter an. Diese beinhalten die wichtigsten Umweltleistungen eines Produkts. Hierzu zählen Informationen zum Emissionsverhalten (Innenraumluftqualität), wie z. B. die Zertifizierung mit dem Emicode EC 1 Plus, EC 1 und dem Blauen Engel.

Zusätzlich ist die Einstufung gemäß den Kriterien bekannter Gebäudezertifizierungen sinnvoll, die einen schnellen und transparenten Überblick liefern sollten. Darüber hinaus dient es als Orientierungshilfe, welche Bauprodukte in der angestrebten Gebäudezertifizierung zum Einsatz kommen können. Die Angabe zu einer möglichen EPD mit den Umweltkennwerten im Lebenszyklus runden die Informationen zum nachhaltigen Bauen ab.

Nachhaltigkeit als ökonomische Chance

Es wird deutlich, dass Kunden sich mittlerweile sehr gezielt über die Eigenschaften der Produkte informieren, insbesondere im Hinblick auf emissionsarme Baustoffe. Sie machen davon auch ihre Kaufentscheidung abhängig. Nachhaltigkeit in der Baubranche lässt sich daher für das Fachhandwerk gezielt als Chance nutzen, um die eigene Position im Markt zu stärken und zu verbessern. Die Ansprüche der Verbrauchergruppen wachsen stetig und somit auch die Herausforderung, hohe Qualität der Produkte mit ökologischen, umweltfreundlichen Anforderungen in einer hochwertigen Verarbeitung zu kombinieren.

Nachhaltigkeit entscheidet sich in Abhängigkeit von der individuellen Nutzung des konkreten Gebäudes und nicht vom isolierten Baumaterial. So kann sich Nachhaltigkeit also erst am Einsatzzweck des Bauprodukts messen. An dieser Stelle ist es wichtig, den Verbraucher nicht nur über die Umweltwirkungen von Baustoffen zu informieren, sondern in dem Zusammenhang auch die hohe technische Performance herauszuarbeiten. Denn Attribute wie Langlebigkeit und Ergiebigkeit von Premium-Produkten sind weitere, wichtige Aspekte, die den Nachhaltigkeitsgedanken komplettieren. So können die Bedürfnisse von Kunden und Umwelt erfolgreich vereint werden.
aus FussbodenTechnik 05/19 (Nachhaltigkeit)