Testergebnisse vs. Realbedingungen
Lichtecht und trotzdem ausgeblichen
Trifft Sonnenlicht auf Bodenbeläge, egal ob Teppich oder Parkett, verändert sich im Laufe der Zeit die Struktur der Farbstoffe. Einschlägige Testergebnisse zur Lichtechtheit der Produkte aus dem Labor halten realen Bedingungen nicht stand, kritisierte der Raumausstatter-Sachverständige Klaus H.F. Zinke auf dem diesjährigen Sachverständigentag in Köln. "Raumausstatter sind genauso gebeutelt mit Licht wie die Parkettleger", sagt Klaus H.F. Zinke, Präsident des Bundesverbandes der vereidigten Sachverständigen für Raum und Ausstattung. Es geht um Materialien und deren Farben, ob Teppich, elastischer Bodenbelag oder Holzfläche. Früher oder später bleicht alles aus. Es kommt nur darauf an, ob es zum Reklamationsfall werden kann.
Der Bösewicht ist die Sonne. Sie schickt elektromagnetische Strahlung. Ein Teil davon ist für uns Menschen sichtbares Licht. Gemessen wird der Lichtstrom in Lumen (lm). Eine weitere Sendegröße heißt Candela, abgeleitet von dem Wort für Kerze. Dieser cd-Wert beschreibt den Eindruck einer Strahlung, die von einer Lichtquelle in eine bestimmte Richtung bis ins Auge geschickt wird. Im Gegensatz dazu gibt es Lux, eine Empfängergröße, die angibt, wie viel Licht auf einer festgelegten Fläche ankommt.
Sonnenlicht ist lebenswichtig, aber in höheren Dosen auch gefährlich. An einem wolkenfreien Sommertag strahlen 100.000 Lux vom blauen Himmel auf die Erde. 54 % davon sind UV- und Infrarotlicht. UVA-Strahlen haben weniger Energie als UVB-Strahlen, dringen aber tiefer in die menschliche Lederhaut ein. Und auch den Farben setzt die UV-Strahlung zu. Sie verändert die Struktur der Farbstoffe, so dass sie uns weiß und damit ausgeblichen erscheinen. Feuchtigkeit verstärkt den Vorgang.
Moderner Baustil mit großen Fenstern lässt viel Sonnenlicht auf jede Art von Bodenfläche scheinen. Oft fehlen primärer (Balkon/Dachüberstand), sekundärer (Außeninstallation) oder tertiärer (innenliegender) Sonnenschutz. Auch mit reflektierenden Metallen beschichtete Sonnenschutzverglasung oder Sonnenschutzfolien, so Klaus H.F. Zinke, würden Farbveränderungen nicht gänzlich aufhalten. Seine Kritik gilt den Beurteilungskriterien.
Lichtechtheit wird industriell mit einem Grau- und Blaumaßstab gemessen. Das erfolgt in der Regel unter definierten Bewitterungsbedingungen mit Xenon-Licht im Labor. Auf einer Scala von 1 bis 8 ist dabei die Note 4 "ziemlich gut". Hier muss ein Farbstoff nach DIN EN ISO 11341 im Jahr 1.300 Sonnenstunden unbeschadet überstehen. Das sei nicht realistisch, so Zinke und legt vor, dass in den Jahren 2014 bis 2018 die Sonnenstunden in Deutschland zwischen 1.444 und 2.027 betragen hätten.
Auch Faktoren wie Wärme und
Luftfeuchtigkeit spielen eine Rolle
"Gut ist nicht immer gut genug!" Dieser Aussage kann sich auch Karsten Krause anschließen. "Wir sollen nicht normenhörig sein. Wenn es besser geht, soll man es auch besser machen", meint der norddeutsche Sachverständige und nennt einen Fall, der zur gerichtlichen Auseinandersetzung führte. Ein Designbelag im Wohnzimmer des Erdgeschosses mit Südwestlage war ausgeblichen, vor allem vor der Terrassentür. Zusätzlich zeigten sich an den Stoßfugen rote und weitere Verfärbungen. Das Produkt verfügte laut Hersteller über eine Lichtechtheit von 7-8. Ein Prüfinstitut kam mittels eingeschickter Belagsproben zu dem Schluss, dass dieser Wert korrekt sei.
"Solche Tests sind absurd", findet Karsten Krause deutliche Worte. "Es spielen weitere Faktoren wie etwa Wärme und Luftfeuchtigkeit eine Rolle." Seiner Einschätzung nach besaß der ausgeblichene Designbelag keinesfalls die beschriebene Lichtechtheit von "vorzüglich" bis "herausragend". Krause: "Durch die Überprüfung der Farbveränderung konnte die Lichtechtheit zunächst nicht schlüssig geklärt werden." Neutrale Hersteller gaben aber zu, dass der Einfluss von UV-Strahlen unter Wärmeeinwirkung trotz ausreichender Lichtechtheit zu Farbveränderungen bei Designbelägen führen könne.
Die rötlichen Verfärbungen im Kantenbereich erklärte Krause damit, dass im Prozess des Ausbleichens der Rotanteil der Farbe von der Mitte zum Rand hin unterschiedlich stark abgebaut wurde. "Berücksichtigt man den Faktor Wärme, so wirkt sich der Einfluss in der Mitte der Belagsplanken stärker aus als im Randbereich. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch im Randbereich der rote Farbanteil abgebaut sein wird."
Kunden besser vorher auf
Zusammenhänge hinweisen
Was bedeutet es für den Bodenleger, wenn ein Vinyl- oder Textilbelag auf Dauer einer Farbveränderung nicht standhalten kann? Wenn Datenblätter von Herstellern eine vermeintlich hohe Lichtechtheit angeben?
Wenn Xenon-Licht-Tests das Problem nicht abbilden können? Karsten Krause empfiehlt dem Händler, Verkäufer und Verleger, einen Kunden nachweislich auf diese Zusammenhänge hinzuweisen. "Schon aus Eigensicherung, denn ohne ausreichenden Sonnenschutz bleibt die Farbstellung des Bodenbelags nicht erhalten."
Die Frage, ob bei ausgeblichenem Belag eine Mängelbeseitigung erforderlich ist und wie hoch der Aufwand für die Schadensbeseitigung ausfällt, klärt im Streitfall letztlich das Gericht auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens.
| Henrik Stoldt
aus
Parkett Magazin 06/19
(Bodenbeläge)