So steht es um die Digitalisierung im Mittelstand

Für kleine und mittlere Betriebe ist die Digitalisierung eine große Herausforderung. Wo es hakt und wo es gut läuft, arbeitet eine europäische Vergleichsstudie heraus. Dabei wird auch deutlich, dass Deutschland teilweise hinterherhinkt.

Ein Großteil der deutschen Wirtschaftsleistung wird von mittelständischen Unternehmen getragen. Auch unsere Branche gehört dazu. Und der Mittelstand schreibt in Deutschland seit Jahrzehnten eine Erfolgsgeschichte, hat unterschiedlichste Herausforderungen gemeistert. Mit der Digitalisierung steht nun die nächste an. Eine richtig große. Aber nach eigener Einschätzung sind die Betriebe darauf nur unzureichend vorbereitet. So das Ergebnis einer Studie im Auftrag europäischer Förderinstitute inklusive der KfW, für die kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen und Spanien befragt wurden.

Deutsche Firmen haben Defizite

Insgesamt muss sich der deutsche Mittelstand eingestehen, dass er beim Thema Digitalisierung bislang zu wenig Expertise entwickelt hat und so hinter die europäische Konkurrenz zurückgefallen ist. Dabei begreifen die KMU Digitalisierung durchaus als wichtig. Die meisten Firmen nutzen Software für die interne Zusammenarbeit, betreiben elektronische Rechnungsstellung oder sind in den sozialen Medien aktiv. Bei Themen wie Big Data (Auswertung großer Datenmengen) oder Künstliche Intelligenz (KI) sind sie weit weniger aktiv; weniger auch als die Unternehmen in den anderen untersuchten Ländern (siehe obere Grafik). Teilweise liegt das an mangelnder digitaler Infrastruktur - Stichwort: langsames Internet. Aber auch an Sicherheitsbedenken, wobei die Vorbehalte in den Betrieben im europäischen Vergleich eine eher untergeordnete Rolle spielen (mittlere Grafik).

Zudem fehlt es an digitaler Kompetenz der Mitarbeiter - von den Grundlagen über fortgeschrittene Programmierkenntnisse bis zu den digitalen Führungsqualitäten reichen die Defizite. Offenbar lassen sich diese nicht einfach durch Neueinstellungen ausgleichen, weil es keine Bewerber mit entsprechenden Qualifikationen gibt - oder deren Gehaltsvorstellungen als zu hoch erachtet werden, was immerhin 44 % der Befragten angaben. Jedenfalls sieht ein Viertel der Betreibe in dem Mangel an IT-Spezialisten ein ernsthaftes Hindernis für die eigene Digitalisierung (untere Grafik).

Keine Angst um Arbeitsplätze

Will man digitale Aufgaben nicht an externe Dienstleister auslagern, muss also die vorhandene Belegschaft qualifiziert werden. Das geschieht offenbar. Und es geschieht in Deutschland auch in höherem Maße als in den KMU in Frankreich, Großbritannien, Polen und Spanien. Dort sind die Defizite in der Belegschaft sogar noch größer als bei uns.

Mit Widerstand in der Belegschaft gegen die Digitalisierung müssen deutsche Firmen übrigens kaum rechnen. Lediglich 12 % sehen sich damit konfrontiert. Die neuen Technologien werden hierzulande nur in einem geringen Maße als Bedrohung für bestehende Arbeitsplätze gesehen.

Die Studie "Going Digital. The Challanges Facing European SMEs" wurde im Auftrag der nationalen Förderinstitute von Frankreich (Bpifrance), Deutschland (KfW), Polen (BGK), Spanien (ICO) und Großbritannien (British Business Bank) durchgeführt. Die Ergebnisse basieren auf einer erstmalig durchgeführten gemeinsamen Befragung von mehr als 2.500 KMU in den beteiligten Ländern.


Unter bit.ly/333XhKB gibt es die Studie in englischer Sprache als kostenloses PDF.


Kommentar von Thomas Pfnorr
Die digitale Bildung fördern

Wenn ich definieren sollte, was Digitalisierung ist - ich könnte es nicht oder es würde sehr, sehr lange dauern. Das Thema ist so groß, dass es sich kaum fassen lässt. Deshalb läuft man schnell Gefahr, wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen oder den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen - und einfach gar nichts zu tun.

Für einen Raumausstatter mit zwei Angestellten bedeutet Digitalisierung etwas ganz anderes als für einen Großhändler mit elf Filialen oder einen Hersteller mit Werken in mehreren Ländern und Vertriebsgesellschaften rund um den Globus. Gleichzeitig ist Digitalisierung aber auch etwas, was diese drei miteinander verbindet, ganz praktisch etwa über ein Warenwirtschaftssystem.

Der digitalen Veränderung entziehen kann sich keiner von ihnen. Sollte er auch nicht. Die Studie sagt ganz klar: In KMU mit einem robusten Umsatzwachstum ist der Anteil der Firmen, die der Digitalisierung eine hohe Priorität beimessen, doppelt so hoch wie derjenigen, die das nicht tun. Digitalisierung hilft dabei, effizienter zu arbeiten, zusätzliche Umsätze zu generieren oder neue Kunden zu gewinnen - das wollen und müssen kleine Firmen ebenso wie mittlere und große.

Also erstens: Digitalisierung zu einem strategischen Thema machen. Zweitens: Erkennen, welche Elemente für das Unternehmen relevant sind. Schon dafür braucht es Know-how. Deshalb drittens: Für Expertise sorgen. Mit der scheint es in den deutschen KMU nicht weit her zu sein. Und auch auf dem Arbeitsmarkt lässt sie sich nicht einfach einkaufen.

Hier müssen die Unternehmen handeln, ihre Mitarbeiter schulen. Aus der unzureichenden digitalen Kompetenz ergibt sich aber auch ein Auftrag an den Staat: Flächendeckendes schnelles Internet oder ein lückenloses Mobilfunknetz in 5G sind wichtig. Aber die digitale Bildung ist von mindestens ebenso großer Bedeutung. Wenn der deutsche Mittelstand und mit ihm die deutsche Wirtschaft international nicht den Anschluss verlieren will, muss das Thema in Schulen, Universitäten und natürlich auch in der betrieblichen Ausbildung oberste Priorität genießen.

Viertens: Hilfe suchen und annehmen. Kleinbetriebe finden sie beispielsweise bei Kooperationen, Handels- und Handwerkskammern. Größere Firmen bei Verbänden oder Initiativen wie Mittelstand 4.0. Für die Finanzierung steht unter anderem die KfW bereit.

| thomas.pfnorr@snfachpresse.de
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