Fachanwalt Andreas Becker informiert
Abnahme ohne Mängelrüge birgt Gefahren
Wann verliert der Auftraggeber sein Mängelgewährleistungsrecht? Diese Frage beschäftigt alle Bauherren, bei denen es zu Problemen gekommen ist. Fachanwalt Andreas Becker beschreibt im Folgenden einen solchen Fall und gibt Hilfestellung, was es zu vermeiden gilt.Sachverhalt
Ein Fliesenleger hatte bei seinem Auftraggeber (AG) keramische Fliesen verlegt, die nicht so beschaffen waren wie es der Fliesenleger und der AG ursprünglich im Vertrag vereinbart hatten. Die von dem Fliesenleger verlegten Fliesen waren mangelhaft, weil sie nicht der vereinbarten Beschaffenheit entsprachen: Nach dem Angebot des Fliesenlegers hätten die Fliesen zu den vorhandenen Stufenplatten passen und eine Rutschfestigkeitsklasse von R 9 aufweisen sollen. Die tatsächlich verlegten Fliesen hatten aber nach den Ausführungen des Sachverständigen anders als die Stufenplatten keine keramische Oberflächenvergütung und wiesen die Ruschfestigkeitsklasse R 10 auf. Infolgedessen seien sie fleckig und scheckig gewesen, urteilte der Sachverständige. Der Ausbau der Fliesen sei nach Auffassung des Experten nötig und erfordere Kosten in Höhe von 23.600 EUR.
Die Fliesen erforderten außerdem einen erhöhten Reinigungsaufwand, was der Fliesenleger dem AG aber nicht mitteilte. Einige Zeit später forderte der AG vom Fliesenleger einen Kostenvorschuss, um die verlegten Fliesen, die nicht dem Vertrag entsprachen und somit mangelhaft waren, austauschen zu können. Der Fliesenleger hielt dagegen, dass dem AG die abweichenden Fliesen bekannt gewesen seien und er diese trotzdem abgenommen habe.
Lösung
Die obige Darstellung beruht auf einem Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 18.08.2017 (Az: 1 U 11/16) und einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 05.06.2018 (Az: VII ZR 200/17; vgl. IBR 2018, 618). Es war zu klären, ob der AG von seinem Fliesenleger die Beseitigung des Mangels verlangen kann oder ob die Gewährleistung des Fliesenlegers ausgeschlossen ist, weil der Auftraggeber den Mangel kannte oder zumindest hätte erkennen können.
Grundsätzlich gilt, dass der AG einen Mangel beim Zeitpunkt der Abnahme rügen muss, damit er seine Mängelgewährleistungsansprüche gegenüber dem Auftragnehmer (AN) behält. Dafür muss der AG aber zum Zeitpunkt der Abnahme wissen, dass ein Mangel vorliegt. Dieses Wissen hat er dann, wenn er den Mangel und die Folgen erkennen kann und er dennoch die Abnahme vornimmt.
Hat der AG dieses Wissen nicht, behält er seine Mängelrechte trotz fehlender Rüge. Dies gilt auch dann, wenn der Mangel eigentlich erkennbar war.
Diese Entscheidung beruht unter anderem darauf, dass für einen Laien nicht ohne Weiteres dasselbe erkennbar ist wie für einen Fachmann. Den AG trifft außerdem auch keine Pflicht, die Arbeit des AN auf etwaige Mängel zu prüfen. Ob der AG das nötige positive Wissen von dem Mangel beim Zeitpunkt der Abnahme hatte und dennoch eine Mangelrüge unterlassen hat, muss der Fliesenleger beweisen.
Die Folgen einer fehlenden Mängelrüge bei der Abnahme sehen also wie folgt aus:
a)Wissen von dem Mangel
Die Gewährleistungsansprüche erlöschen. Dies sind das Recht auf Nacherfüllung (also die Beseitigung des Mangels durch den AN), das Recht zur Selbstvornahme (also das Recht, den Mangel selbst zu beseitigen und dafür die Kosten ersetzt zu verlangen), das Rücktrittsrecht oder das Minderungsrecht. Der AG behält allerdings sein Recht, Schadenersatz und Ersatz für vergeblich getätigte Aufwendungen zu verlangen.
b)Keine Kenntnis des Mangels
Hat der AG beim Zeitpunkt der Abnahme keine positive Kenntnis von dem Mangel, erlöschen seine Gewährleistungsansprüche nicht.
Probleme kann zudem der Fall bereiten, dass nicht der AG selbst, sondern ein Dritter das Werk abnehmen soll. In einer solchen Konstellation kommt es in der Regel darauf an, ob dieser Dritte die positive Kenntnis von dem Mangel hat oder nicht. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass der AG den Dritten über die Vereinbarungen des Werkvertrages, dessen Ergebnis der Dritte abnehmen soll, informieren musste. Dies ist in der Regel bei abnehmenden Angestellten des AGs der Fall. Das Erfordernis der Mängelrüge kann der AG auch nicht ausschließen, z. B. über seine AGBs, da dies den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen würde.
Die Leistung gilt auch als abgenommen, wenn der Unternehmer dem AG nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Bauherr nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe konkreter Mängel die Abnahme verweigert. Verweigert der Bauherr die Abnahme ohne Angabe von Mängeln, ist dies nicht ausreichend.
Eine ergänzende Regelung gilt jedoch, sofern es sich bei dem Kunden um einen Verbraucher handelt. Dann soll die Abnahmefiktion nur Geltung finden, sofern der Unternehmer den Verbraucher in Textform (z. B. E-Mail) auf die Folgen der Aufforderung mit Fristsetzung hinweist.
Urteil
Der Fliesenleger hatte mit der Argumentation, dass der Mangel erkennbar war und dennoch die Abnahme erklärt wurde keinen Erfolg. In diesem Fall war der Mangel erkennbar, das reicht aber nicht aus. Ein "Kennenmüssen" genügt nicht, deshalb spielt es keine Rolle, ob der Mangel offenkundig war. Es reicht auch nicht aus, dass der AG das äußere Erscheinungsbild des Mangels wahrgenommen hat. Der Verlust des Mangelrechts tritt nur dann ein, wenn dem Bauherrn der Mangel bei der Abnahme bekannt ist und er dennoch die Abnahme erklärt.
Hinweis zur Bedenkenanmeldung
Oft kann das Gewährleistungsrecht abgewendet werden, wenn Bedenken angemeldet wurden. Gemeint ist die Pflicht zur Bedenkenanmeldung, die in VOB-Verträgen ausdrücklich durch § 4 Abs. 3 VOB/B vorgeschrieben ist und auch auf BGB-Bauverträge anzuwenden ist. Danach ist der AN verpflichtet, Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, die vom AG gelieferten Stoffe und Materialien und vor allem gegenüber der (fehlerhaften) Leistung der Vorgängergewerke anzumelden. Außerdem trifft den AN im Rahmen der Bedenkenanmeldung grundsätzlich auch eine Prüfpflicht, die ihn vor allem im Zusammenhang mit mangelhaften Vorgängergewerken dazu verpflichtet, zu prüfen, ob das andere Gewerk eine geeignete Arbeitsgrundlage für die eigene Arbeit bietet.
Die Bedenkenanmeldung muss schriftlich und unverzüglich erfolgen. Sie muss außerdem so deutlich formuliert sein, dass der AG klar erkennen kann, welche Folgen eine Nichtbeachtung der Bedenkenanmeldung für ihn hat. Dass er seine Bedenken ordnungsgemäß angemeldet hat, muss der AN beweisen.
Beachtet der AN seine Pflicht zur Prüfung und Bedenkenanmeldung gegenüber dem AG nicht, droht ihm die Mängelhaftung.
Andreas Becker
zur Person
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau-
und Architektenrecht
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aus
FussbodenTechnik 01/20
(Recht)