Kleiner Fehler - Großer Schaden: Schwindverformungen unterschätzt

Deckungsgleiche Risse in Estrich und Natursteinbelag

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um deckungsgleiche Risse in einem Estrich und in dem darüber verlegten Natursteinbelag. Dabei spielte die Montage einer Geländerkonstruktion eine entscheidende Rolle.

In dem repräsentativen Neubau eines Verwaltungsgebäudes wurden innenliegende Laubengänge und Podestebenen mit Lichthöfen und dekorativen Geländer- bzw. Brüstungskonstruktionen aus Glas erstellt. Auf der Rohdecke erfolgte der Einbau von zementgebundenen Estrichen auf Trennschicht in 80 mm Dicke. Darauf verlegten die Verarbeiter Naturwerksteinbeläge aus Jura-Kalkstein als Nutzbelag.


Schaden:
Deckungsgleiche Risse in
Estrich und Natursteinbelag

Bereits drei Monate nach Fertigstellung des Gebäudes wurden Rissbildungen im Naturwerksteinbelag festgestellt, die von der Anschlussfuge des Bodenbelages am Glasaufnahmeprofil weitgehend rechtwinklig in die Fläche hinein verliefen. Auffällig dabei war, dass die Risse in regelmäßigen Abständen aufgetreten sind. Dabei gab es auch Risse in der Nähe von planmäßig angeordneten Bewegungsfugen, die nachweislich deckungsgleich im Estrich und im Naturwerksteinbelag ausgeführt wurden.

Zur Feststellung der Ursache für die Rissbildungen wurden Bauteilöffnungen angelegt. Nach der Aufnahme des Naturwerksteinbelags zeigte sich, dass deckungsgleich zu dem Riss im Belag auch Rissbildungen im Estrich vorhanden waren.

Bei der weiteren Aufnahme des Estrichs im Rissbereich wurde sichtbar, dass das Glasaufnahmeprofil des Geländers als Konsolkonstruktion mit einem rechtwinklig verschweißten U-Profil ausgebildet ist. Dieses U-Profil war flachliegend mit den Profilschenkeln nach oben auf der Rohbetondecke mittels Schwerlastdübeln verankert. Beim Estricheinbau wurde die PE-Folie, die auf der Rohbetondecke als Trennschicht verlegt wurde, an den 300 mm langen U-Profilen getrennt und darauf der Estrich aufgebracht. Bedauerlicherweise war lediglich der Randdämmstreifen pseudohaft in das Profil geführt, der Estrich jedoch formschlüssig um das U-Profil herum eingebaut.


Ursache:
Schwindender Estrich
sorgt für Zugspannungen

Zementgebundene Estriche unterliegen im Zuge der Hydratation und der Austrocknung von chemisch und physikalisch nicht gebundenem Überschusswasser einer Volumenreduzierung; der Estrich schwindet. Der Anteil an nichtgebundenem Überschusswasser ist abhängig von der Bindemittelzusammensetzung, dem Bindemittelanteil sowie dem Wasser-/Bindemittelverhältnis. Dieses wird zur Einstellung einer leicht verarbeitbaren Konsistenz des Mörtelgemisches immer wieder erhöht eingestellt. Dadurch kann ein erhöhter Anteil an Überschusswasser im Estrich vorhanden sein, der wiederum größere Schwindverformungen zur Folge hat.

Solange Schwindverformungen zwängungsfrei ablaufen können, bleibt der Estrich frei von Rissen.
Der Estrich unterliegt bei Temperaturwechseln, bedingt durch Raumtemperierungen, Sonneneinstrahlungen etc., auch thermisch bedingten Längenänderungen. Auch diese müssen zwängungsfrei ablaufen können.

Der Untergrund darf daher keine punkt- oder linienförmigen Erhebungen, Rohrleitungen oder ähnliches aufweisen, da sich der Estrich bei schwindungs- und auch temperaturbedingten Längenänderungen an diesen Stellen "aufhängt" und in seiner freien Verformung behindert ist.

Durch die Montage des U-Profils auf der Oberfläche der Rohbetondecke und deren formschlüssigen Umhüllung mit Estrichmörtel wird der Estrich an diesen Stellen festgehalten. Die Folge sind Zwängungen, die Zugspannungen im Estrich auslösen. Bei Überschreitung der Zugfestigkeit des Estrichs kommt es zur Rissbildung im Estrich selbst und auch in dem darauf verlegten Naturwerksteinbelag.

Verantwortlichkeit:
Estrichleger erheblich,
Architekt und Bauleiter
tragen Mitverantwortung

Die Geländerkonstruktion wurde ursprünglich mit einer Befestigung an der Stirnseite der Geschossdecke geplant. Damit wären auf der Rohbetonoberfläche keine Einbauten/Erhebungen vorhanden gewesen.

Im Zuge der Auftragsvergabe für den Einbau der Geländerkonstruktion und der damit verbundenen Ausführungsplanung ist es zu einer Umplanung gekommen, bei der die stirnseitige Befestigung in eine Konsolkonstruktion mit oberseitiger Befestigung abgeändert wurde. Der Estrichleger hat seinen Estrich in der vorgefunden Form eingebaut. Im Rahmen seiner Untergrundprüfungspflicht muss er den Verlegeuntergrund auf Eignung, insbesondere auf seine ausreichende Ebenheit und vorhandene verformungsbehindernde Einbauten überprüfen. Bei nicht gegebener Eignung des Untergrundes ist dies gegenüber dem Bauherrn anzuzeigen.

Das ist nicht erfolgt. Er hat den Untergrund als geeignet befunden, abgenommen und den Estrich über diese Konsolprofile hinweg eingebaut. Damit wurden Verankerungspunkte geschaffen, durch die eine zwängungsfreie Längenänderung der Estrichscheibe behindert ist. In der Folge ist es zu den Rissbildungen gekommen. Somit ist ein nicht unerheblicher Verantwortungsanteil beim Estrichleger zu sehen.

Es ist auch davon auszugehen, dass dem Architekten bzw. der Bauleitung die konstruktive Ausführung der Geländerbefestigung bekannt war. Somit ist hier ebenfalls eine Mitverantwortung gegeben.

Der Natursteinverlegebetrieb muss den Untergrund, jetzt Estrich, vor der Belagsverlegung ebenfalls auf Eignung prüfen. Die Ausführung der Geländerbefestigung und des darüber formschlüssig ausgeführten Estrichs ist für ihn nicht sichtbar. Deren Prüfung würde die gewerküblichen Prüf- und Hinweispflichten übersteigen. Wenn im Estrich vorhandene Risse vom Estrichleger fachgerecht mit Reaktionsharz geschlossen wurden, darf der den Bodenbelag verlegende Handwerker davon ausgehen, dass die Tragfähigkeit des Estrichs gegeben ist.

Er hat aber die Belegreifes des Untergrundes zu prüfen. Diese ist gegeben, wenn der Untergrund dauerhaft für die schadens- und mängelfreie Aufnahme der Bodenbeläge geeignet ist. Dafür muss ein Estrich ausreichend fest und trocken sein. Des Weiteren darf sich der Estrich nach der Belagsverlegung nur noch begrenzt verformen.

Wenn diese, die Belegreife umschreibenden Bedingungen erfüllt sind und die Ausbildung der Rand- und Bewegungsfugen den planerischen Vorgaben sowie den Regeln der Technik entsprechen, darf der Naturstein-Verleger von der Eignung des Estrichs ausgehen.




Dipl.-Ing. Burkhard Prechel
der Autor
Von der HWK Dresden ö.b.u.v. Sachverständiger für das Estrichlegerhandwerk und das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk.

Posottendorfer Straße 7
02827 Görlitz
Tel.: 03581/845160
Fax: 03581/845159
Mobil: 0157/32803064
sv.prechel@online.de
www.sv-prechel-goerlitz.de
aus FussbodenTechnik 03/20 (Handwerk)