Digitales macht den Point of Sale besser
Unsere Branche war bis zur Corona-Pandemie kein Vorreiter in Sachen Digitalisierung bei Beratung und Verkauf. Während der Krise haben Handel und Handwerk aber viele "digitale" Berührungsängste abgebaut. Davon werden alle profitieren - vor allem Endkonsumenten. Die Branche kann in Sachen Point of Sale zwei Lehren ziehen aus den Wochen und Monaten des Corona-Lockdowns. Erstens: Industrie, Handel und Handwerk wurde - erzwungener Weise - deutlich vor Augen geführt, dass Digitalisierung die Produktpräsentation, die Beratung und den Verkauf enorm unterstützen, verbessern und attraktiver machen kann für Kunden und Mitarbeiter.
Zweitens: Die extremen Kontaktbeschränkungen, die den sozialen Austausch und das Miteinander fast zum Erliegen brachten, haben uns allen noch einmal klar gemacht, wie unverzichtbar der direkte persönliche Kontakt und Austausch ist gerade für die Beratung und den Verkauf von Produkten der Inneneinrichtung.
Viele Jahre hat die Branche sich schwer getan, das Stationäre und das Digitale sinnvoll zu verzahnen. Der Handel hat allzu häufig die teilweise berechtigte Befürchtung gehabt, dass die Industrie mit Hilfe digitaler Tools den Endkonsumenten unter Ausschaltung des Handels erreichen und ihm seine Ware - am besten direkt im eigenen Onlineshop - verkaufen will.
Der Groß- und Fachhandel mit Bodenbelägen, Farben, Tapeten, Sonnenschutz und Gardinen hat mittlerweile erkannt, dass digitale Erweiterungen in der stationären Ausstellung die Beratung verbessern und zu mehr Kaufabschlüssen beitragen. Da die Endkundenfrequenz vor allem im Fachhandel sinkt, müssen Händler und Raumausstatter den Kunden, die noch kommen, eine moderne Beratung bieten. "Ich denke, viele Betriebe haben besonders in der Corona-Zeit ihre Berührungsängste gegenüber der Digitalisierung abgebaut", schätzt Klaus Kurringer, Vorstand der Einkaufsgenossenschaft Südbund.
Beispiel Bodenbeläge: Allzu häufig haben Kunden im Ladengeschäft Schwierigkeiten, sich den favorisierten Teppichboden oder das Parkett in den eigenen vier Wänden vorzustellen. Es stellt sich außerdem immer die Frage, ob die Neuanschaffung farblich und vom Stil her zu den Möbeln, der Wandfarbe und den Tapeten zu Hause passt. Die Industrie hilft mit ihren digitalen Helfern der Vorstellungskraft auf die Sprünge und verbessert die Beratungsqualität des Handels. Immer mehr Firmen stellen ihren Handelspartnern beispielsweise sogenannte Raumvisualisierer für die Webseite, für Smartphone und Tablet zur Verfügung oder integrieren die Tools gleich in ihre Verkaufsdisplays und Ausstellungsmöbel mit Touchscreen.
Im besten Falle können diese innovativen Anwendungen den ausgesuchten Teppichboden oder die neue Tapete am Bildschirm in ein Foto des eigenen Wohnzimmers einsetzen. Dies versetzt den Verkäufer in die Lage, seinen Kunden dort "abzuholen", wo er ist. Dem Verbraucher wiederum gibt dieser Service ein hohes Maß an Entscheidungssicherheit.
Zipse hat am Kopfteil seines Quattro-Präsenters einen Monitor installiert. Das Originalmuster und die digitale Darstellung sind so miteinander verbunden, dass beim Aufziehen einer Schublade je ein Bild einer verlegten Fläche sowie ein Ambientebild des jeweiligen Dekors auf dem Monitor erscheint. "Dieses ist eine besonders wertvolle Unterstützung im Verkaufsgespräch", betont Marketingleiterin Gerda Wedelich.
Die Meisterwerke stehen mit ihrer PoS-Strategie stellvertretend für die aller meisten Hersteller: "Das Digitale soll dabei keineswegs den klassischen PoS ersetzen, sondern die stationäre Beratung sinnvoll ergänzen - und zwar mit möglichst einfachen Tools, die sich von Händlern und Endkunden intuitiv bedienen lassen", betont Marketingleiter Jörg Peterburs.
Händler, Raumausstatter und Bodenleger beraten ihre Kunden häufig vor Ort oder auf der Baustelle. Die Industrie bietet heute Apps für Smartphones und Tablets an, die die Beratung auch bei einem solchen Außentermin erheblich vereinfachen. Die App von Sikkens beispielsweise integriert Farbberatung, Auftragsabwicklung und Händlersuche in nur einer Anwendung für die Hosentasche. Die Projektfunktion sammelt alle relevanten Informationen wie Bilder, Notizen, Farbgestaltungen sowie die Produkt- und Farbtonauswahl zu einem Auftrag und erleichtert damit die Erstellung von Angeboten und Ausschreibungen.
Einen Schritt weiter gehen Verlegewerkstoffhersteller wie Ardex, Bostik oder Uzin. Ihre "Baustellen-Apps" beinhalten teilweise Video-Live-Chats. Mit ihrer Hilfe können sich die Anwendungstechniker ein gutes Bild machen von einer Problemlage vor Ort - ohne selbst dort zu sein. Das kann für den Handwerker sehr hilfreich sein.
Denn häufig muss ein technisches Problem beispielsweise mit einem Bodenaufbau schnell geklärt werden, um weiterarbeiten und den häufig eng getakteten Baufortschritt sicherstellen zu können. Per Video-Chat kann eine Frage schnell geklärt werden. Das ist nicht nur in Corona-Zeiten hilfreich: Generell muss der Handwerker nicht mehr warten, bis der Anwendungstechniker vor Ort eingetroffen ist.
Verschaffen Sie sich auf den folgenden Seiten einen Eindruck von der aktuellen Point of Sale-Unterstützung der Industrie.
| jochen.lange@snfachpresse.de
aus
BTH Heimtex 07/20
(Handel)