Leisetreter auch in Homeoffice-Zeiten – Schallschutz in der Praxis

Schallschutz, Trittschall, Gehschall und Raumakustik sind Begriffe, die jeder bestimmt schon mal gehört hat. Doch was genau verbirgt sich dahinter? Wo sind die Unterschiede und was ist in Bezug auf diese Begrifflichkeiten bei der Planung zu beachten? Welche rechtlichen Grundlagen gibt es und wo finde ich Hilfe im Alltag? Der folgende Artikel versucht etwas Klarheit in diesen Dschungel zu bringen. Planer und Nutzer erhalten nicht nur eine solide Abgrenzung, sondern auch das erforderliche Basiswissen, um Schallschutzanforderungen künftig besser gerecht zu werden.

Wenn es um Schallschutz geht, geht es meistens um Ruhe, Gesundheit und den Schutz vor unzumutbaren Lärmbelästigungen. Die Situation ist klar: In den eigenen Wänden soll kein Lärm oder Geräusch aus anderen Wohnungen, Betrieben oder von außen, wie z. B. Verkehrsgeräusche zu hören sein.

Andererseits soll das Leben oder die Arbeit nicht eingeschränkt werden. Menschen möchten sich mit ruhigem Gewissen in ihren Räumen bewegen können, Gespräche ohne unerwünschte Mithörer führen, Musik genießen und ungestört Dinge tun können, ohne Mithörer zu haben. Ein guter Schallschutz fordert von uns keine ständige Rücksichtnahme und das Gefühl mangelhafter Diskretion in beide Richtungen, d. h. vom und zum Nachbarn.

Die Realität ist jedoch oftmals eine ganz andere: Als Folge eines schlechten Schallschutzes schleicht man auf Zehenspitzen durch die Wohnung, um den Nachbarn oder die eigene Familie nicht zu stören. Man traut sich nicht, Musik zu genießen oder auch mal selbst wieder Musik zu machen.

Viele von uns konnten die Qualität des Schallschutzes und der Raumakustik in den eigenen vier Wänden in den vergangenen Corona-Wochen ausgiebig testen. Die Kinder wollen toben und spielen, während die Eltern gerade einen Text verfassen oder an einer Telefonkonferenz teilnehmen. Im Homeoffice werden die Folgen einer schlechten Raumakustik sehr schnell offensichtlich. Ein akustisch nicht ausreichend bedämpfter Raum und/oder Dröhneffekte stören die Sprachverständlichkeit erheblich. Auf Dauer ist dies nicht nur anstrengend, sondern führt auch zu Ermüdungserscheinungen. Bei schwierigen Aufgaben wird das vegetative Nervensystem zusätzlich belastet. Sind Menschen derartigen Belastungen über einen längeren Zeitraum ausgesetzt, verursacht der "unnötige" Lärm nicht nur Stress sondern birgt auch die Gefahr von Folgeerkrankungen.

Schallschutz - Anforderungen
zu Baubeginn definieren

Beim Neubau ist die Situation klar: Die DIN 4109 regelt, welcher Mindestschallschutz von bzw. zu fremden Nutzungseinheiten einzuhalten ist. Vertraglich können darüber hinaus noch höhere Schallschutzanforderungen zu Nachbareinheiten oder für den ausschließlich selbst genutzten Raum bzw. das selbst genutzte Gebäude vereinbart werden. In jedem Fall ist es sehr wichtig, sich bereits bei der Gebäude- und Raumplanung über die spätere Nutzungsform und die daraus resultierenden Schallschutzanforderungen Gedanken zu machen. Innerhalb einer Familie oder auch eines Betriebes gibt es unterschiedliche Nutzungsformen und damit auch für verschiedene Einheiten ein unterschiedliches Bedürfnis nach Diskretion. Es ist daher ein Muss, dass Planer und Nutzer die Anforderungen - die sehr häufig über die Basisanforderungen hinausgehen - gemeinsam zu Baubeginn zu definieren. Leider ist das hierzu erforderliche Wissen nicht immer gegeben.

In allen Phasen des Gebäudeneubaus, der Renovierung oder Umnutzung darf man den Schallschutz nicht dem Zufall überlassen. Nachbesserungen sind nicht nur ärgerlich, sondern meistens auch sehr teuer. Bei Renovierungen besteht die Möglichkeit, den Schall- und Wärmeschutz zu verbessern. Neben der visuellen Sicht kann hier der Wohnkomfort durch einen erhöhten Schallschutz und gegebenenfalls besseren Wärmeschutz gesteigert werden.

All diese Möglichkeiten sollten bei einer Renovierung oder Sanierung bedacht und diskutiert werden. Die zusätzlichen Investitionen führen immer zu einer besseren (behaglicheren) Lebensqualität, oftmals auch zu einer wirtschaftlichen Wertsteigerung.

Trittschall -
schwimmende Konstruktionen helfen

Beim Schallschutz im Bereich der Fußbodentechnik geht es hauptsächlich um den Trittschallschutz. Trittschall ist eine Körperschallanregung, der durch Begehen von Böden in die Baukunstruktionen eingeleitet wird.

Körperschalleinleitungen hingegen werden beim Begehen (barfuß oder mit Stöckelschuhen) oder auch durch Möbelrücken und fallende Gegenstände verursacht.

Die baurechtlichen Mindestanforderungen an den Trittschallschutz sind für die jeweilige Gebäudenutzung in DIN 4109 benannt. Für die Baugenehmigung von Neubauten wird der Trittschallschutz durch entsprechende Baukonstruktionen mittels eines von der amtlichen Bauaufsicht geforderten Schallschutznachweises planerisch festgelegt.

Die Anforderungen an den Trittschallschutz werden meistens durch schwimmende Estrichkonstruktionen hergestellt. Die Qualität eines schwimmenden Estrichs ist abhängig vom verwendeten Trittschalldämmstoff und der Estrichplatte. Ein paar Körperschallbrücken reichen aus, um den Trittschallschutz des schwimmenden Estrichs erheblich zu mindern. Das Problem kennen die meisten Bodenleger. Ein funktionierender schwimmender Estrich kann einfach durch ein paar Körperschallbrücken zum Nichtschwimmer werden. Ein paar Schallbrücken durch den keramischen Fliesenbelag oder durch Spachtelmassen (d. h. zu viel Material) verschlechtern den Trittschall- und ggf. auch den Luftschallschutz enorm.

Körperschallbrücken können
Trittschallschutz verschlechtern

Bei schwimmenden Estrichen denken die Meisten nicht an den Einfluss auf den Luftschallschutz. Der normale schwimmende Estrich mit Estrichplatten von etwa > 2,5 cm Dicke hat ungünstige Biegewellen-Eigenschaften, die sich erst bei Körperschallbrücken bemerkbar machen. Durch Körperschallbrücken kann neben dem Trittschallschutz auch der Luftschallschutz (bei üblichen Estrichen) erheblich verschlechtert werden.

Bei älteren Gebäuden können die jeweilig gültigen Anforderungen bei der Errichtung des Gebäudes maßgeblich sein. Aufpassen muss man hier bei Sanierungen und Nutzungsänderungen. Zumeist ist eine Verbesserung des Schallschutzes erforderlich - wegen heutiger Anforderungen, welche je nach Situation rechtlich gefordert werden (baurechtlich und nach Rechtsprechung!).

Beim Trittschallschutz wird oftmals nur die direkte Übertragung von untereinander liegenden Räumen betrachtet. Hier ist es wichtig, dass ein ausreichender Trittschallschutz auch zu danebenliegenden Räumen und darüber befindlichen Räume hergestellt werden muss. Eine Trittschallübertragung im Gebäude ist natürlich auch dann gegeben, wenn die Räume nicht direkt aneinander grenzen und z. B. andere Räume dazwischen liegen.

Trittschallverbesserungsmaß -
auf den Untergrund kommt es an

Bei schwimmenden Estrichen, elastischen Bodenbelägen u. a. wird das Trittschallverbesserungsmaß mit angegeben. Dieser Wert wird meistens im Labor auf einer Massivdecke ermittelt und ist deshalb auch nur für praktisch beliebige, aber massive Betondecken gut verwendbar. Eine Übertragung des Wertes auf Holzbalkendecken oder auch bestehende schwimmende Estrichsysteme ist nur bedingt möglich.

Die einfache Addition von Trittschallverbesserungsmaßen bei der Verwendung von mehreren trittschallmindernden Systemen übereinander führt in der Regel nicht zu richtigen Ergebnissen. So kann z. B. das Trittschallverbesserungsmaß eines elastischen Bodenbelages auf einem funktionierenden schwimmenden Estrich nahezu vernachlässigt werden. Die verbessernde Wirkung ist hierbei im Allgemeinen sehr gering.

Gehschall

Neben dem Trittschall zu benachbarten Räumen entstehen beim Begehen des Bodens Geräusche (mehr oder weniger unangenehme Störgeräusche) im Raum der Schallemissionen. Die Schallabstrahlung des Bodens ist dabei maßgeblich abhängig vom Schuhwerk und vom Bodenbelag. Bisher werden für diese Geräusche keine Anforderungen gestellt. Die von den Bodenbelagsherstellern oder -anbietern angegebenen Schallpegel, welche nach DIN 16205 ermittelt werden, dienen allerdings schon zu einem Vergleich mit verschiedenen Bodenbelägen und -aufbauten.

Eine Minderung der Schallabstrahlungsverhältnisse von Bodenbelägen hat, insbesondere wenn häufige Einwirkungen stattfinden, einen maßgeblichen Einfluss auf das Behaglichkeits-/Unbehaglichkeitsgefähl in diesen Räumlichkeiten. Vor allem Gehgeräusche, Möbelrücken, Rollgeräusche von Trollys oder auch Einkaufswagen können sehr lästig sein und sollten daher gemindert werden. Das derzeit beste Mittel zur Pegelminderung bei derartigen Einwirkungen ist immer noch der Teppichboden.

Trotz der offensichtlichen Brisanz im Nutzungsalltag, werden gehschallrelevante Aspekte bei der Auswahl des Bodenbelages bisher oftmals zu wenig betrachtet. Hierdurch könnte viel Ärger bei der späteren Nutzung vermieden werden.

Raumakustik

Eine gute Raumakustik ist für Ruhe und eine gute Sprachverständlichkeit im Raum notwendig. Die Planung der Raumakustik sollte in der Regel nach der DIN 18041 durchgeführt werden. Vor allem bei öffentlich genutzten Räumen wie beispielsweise Büros, Kitas, Unterrichts-, Veranstaltungs- oder Konferenzräumen ist die Qualität der Raumakustik von großer Bedeutung.

Textile Bodenbeläge können hier einen sehr positiven Beitrag leisten. Zahlreiche textile Bodenbeläge verfügen über günstige schallabsorbierenden Eigenschaften. In den vergangenen Jahren haben die Entwickler große Fortschritte erzielt, wodurch Störwirkungen durch Gehgeräusche, Stühlerücken u. a. nahezu unterdrückt werden. Somit ist ein solcher Bodenbelag immer positiv in Bezug auf die Raumakustik.

Fazit: Raumakustiker
kann Hilfestellung leisten

Bei der Wahl eines Bodenbelags sollte ein Gesamtkonzept erstellt werden, sinnvollerweise durch einen kundigen Raumakustiker. Insbesondere bei größeren Räumen und Räumen mit hohen Anforderungen an die Akustik ist eine Fachplanung unumgänglich.

Durch geeignete Bodenkonstruktionen und Bodenbeläge kann der Trittschallschutz im Gebäude verbessert werden. Anforderungen sind in der DIN 4109 gestellt und müssen im Neubau und bei der Renovierung berücksichtigt werden.

Durch die Wahl von geeigneten Bodenbelägen je nach Anwendungsbereich können zusätzliche positive Aspekte für die Raumakustik sowie die Geräuschentwicklung bei der Nutzung erreicht werden. Es ist klar, das fugenlose und dämpfende Bodenbeläge bei der Nutzung von Trollys oder Teppichböden bei der Begehung besonders gute Eigenschaften hinsichtlich der Schallabstrahlung haben.

Fussboden Technik-Serie Schall

In dieser Ausgabe
-Leisetreter auch in Homeoffice-Zeiten
Schallschutz in der Paxis


Kommende Themen
1.Tiefe Frequenzen: Es gibt nicht nur Stöckelschuhe
Gummiball, Trittschall-Gewerbe, Fitnesscenter


2.Trittschallschutz auf dem Balkon - Trittschall bei Spezialbauteilen
Balkone, Bodenübergangsschienen, Türen, Lüftungsauslässe, Treppen, Bodentiefe


3.Der Boden der für Ruhe sorgt
So viel schluckt der Boden - Schallabsorption und Gehschall von Bodenbelägen

Die Autoren

Alexander Siebel
Dozent für Bauphysik an der FH-Aachen, Akkreditiertes Labor von Kiwa für den Bereich Bau- und Raumakustik; Ingenieur für Bau- und Raumakustik sowie Immissionsschutz bei der Schall- und Wärmemeßstelle Aachen

Patrick Thomas
Akkreditiertes Labor von Kiwa für den Bereich Bau- und Raumakustik; Ingenieur für Bau- und Raumakustik sowie Immissionsschutz bei der Schall- und Wärmemeßstelle Aachen GmbH
Leisetreter  auch in Homeoffice-Zeiten – Schallschutz in der Praxis
Foto/Grafik: Quelle: EPLF
Boden-Piktogramme zum Schall
aus FussbodenTechnik 04/20 (Bodenbeläge)